Etwa 3000 Beschäftigte sind am Mittwochvormittag vor der Konzernzentrale von ZF Friedrichshafen zusammengekommen, um gegen die Sparpläne der Geschäftsführung zu protestieren. Der Betriebsrat des Automobilzulieferers fürchtet, dass bis Ende des Jahrzehnts bis zu 18 000 Stellen in Deutschland wegfallen könnten - also mehr als ein Drittel der derzeit knapp 50 000 Mitarbeiter hierzulande. Die Konzernführung hat den Arbeitnehmervertretern vorgerechnet, dass man 18 000 Mitarbeiter gehen lassen könnte, ohne betriebsbedingt zu kündigen, also durch Verrentung, auslaufende Verträge und natürliche Fluktuation. Der Plan sei aber, erfährt man aus dem Betriebsrat, dass ZF bis Ende 2030 "nur" rund 12 000 weniger Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen will. Ein Teil der Stellen soll schon bis 2028 abgebaut werden.
Achim Dietrich, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, sieht eine Richtungsentscheidung gegen die deutschen Standorte. Der Vorstand um Geschäftsführer Holger Klein wolle nach und nach die Stellen in Deutschland abbauen und die Produktion in Länder mit niedrigeren Lohnkosten verlagern. "Es kann nicht sein, dass man die Beschäftigten quasi zum Sündenbock macht" für die schwierige wirtschaftliche Lage, sagt Dietrich. "Dieser Irrweg, dass man gegen die Belegschaft Entscheidungen trifft und sagt, ihr seid eigentlich zu gut bezahlt für das, was ihr leistet, das klappt nicht." Die schwierige Lage müsse man zusammen mit den Mitarbeitern meistern - und nicht gegen sie. Das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee wollte die Zahl nicht kommentieren. Zu Spekulationen werde man sich nicht äußern, sagte Personalchefin Lea Corzilius und warnte vor Panikmache.
Der Wandel vom Verbrennungsmotor hin zu Elektroantrieben und Fahrzeugen mit mehr Software trifft den drittgrößten Autozulieferer der Welt hart. Wie auch bei anderen Zulieferern hängen bei ZF viele Jobs am Verbrenner. "Wir wollen Beschäftigung erhalten, wissen aber, dass allein die Transformation zur E-Mobilität Beschäftigung kosten wird. Wo wir für die Getriebemontage zwei Mitarbeiter benötigen, ist es für die E-Motoren nur einer", teilt ein Unternehmenssprecher mit. Auch andere Zulieferer wie etwa Bosch ringen mit den Arbeitnehmervertretern darum, möglichst viele Arbeitsplätze in die neue Welt der E-Mobilität und Software zu retten. Bei ZF ist man da offenbar weniger optimistisch angesichts der hohen Zahl an Jobs, die in den nächsten Jahren wegfallen könnten.
Garantien gibt es bald keine mehr
Dazu kommt: Das Unternehmen hat hohe Schulden, rund elf Milliarden Euro. Sie stammen hauptsächlich aus Zukäufen in den vergangenen Jahren. Sie zurückzuzahlen, ist angesichts gestiegener Zinsen deutlich schwieriger geworden. Dennoch muss ZF weiter investieren, um seine Standorte auf neue Technologien umzurüsten. Nicht immer klappt das: Erst im Dezember gab der Zulieferer bekannt, keine autonomen Shuttles mehr selbst bauen zu wollen - eigentlich ein Vorzeigeprojekt von ZF.
Für die meisten deutschen Standorte gelten derzeit noch Beschäftigungsgarantien, doch die laufen Ende 2026 aus. Für die Zeit danach will ZF seinen Mitarbeitern keine neuen Garantien geben. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen Konzernführung und Belegschaftsvertretern über den geplanten Stellenabbau.
Vor rund einem Monat hat ZF Friedrichshafen bereits angekündigt, seine Produktionsstätte in Gelsenkirchen Ende dieses Jahres zu schließen, mit der Begründung, das Werk sei unprofitabel. 190 Mitarbeiter stellen dort derzeit Pkw- und Hydrauliklenkungen her. Der Betriebsratsvorsitzende Dietrich wirft der Geschäftsführung Wortbruch vor, es habe für den Standort Gelsenkirchen eine Zukunftsvereinbarung gegeben. Ende 2025 wird auch das ZF-Werk im nordrhein-westfälischen Eitorf mit rund 690 Mitarbeitern dicht machen. "Es ist nicht möglich, an solchen Standorten, für die keine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive besteht, unendlich lange festzuhalten", heißt es vonseiten des Unternehmens. Schließlich müsse man Schulden abbauen und die Transformation finanzieren. ZF verweist darauf, nach wie vor Milliardenbeträge in seine deutschen Standorte zu investieren. Allerdings brauche es eine "Mischkalkulation aus den Kosten verschiedener Länder und Standorte", um wettbewerbsfähig zu sein.