Wohngipfel:Wie der Bund steigende Mieten bekämpfen will

Wohngipfel

In vielen Städten demonstrieren Menschen wegen hoher Mieten.

(Foto: Regina Schmeken)
  • Die Wohnsituation in Deutschland soll mit Hilfe einer "konzertierten Aktion" verbessert werden. Beteiligt sind Bund, Länder, Gemeinden, Mieter- und Immobilienverbände.
  • Vieles, was nun als Ergebnis vorgestellt wird, steht allerdings auch schon im Koalitionsvertrag.

Von Michael Bauchmüller

Mit einer Heide hat die Heidestraße schon lange nichts mehr zu tun. Wo einst das preußische Militär exerzierte, stehen heute Kräne. Man kann sie vom Kanzleramt aus sehen. Da wächst die "Wasserstadt Mitte" heran, oder gleich nebenan der Wohnblock "One" ("Wohnen mit den besten Aussichten"). Etwas weiter verspricht eine Immobilienfirma eine neue "urban benchmark", und auf den zugehörigen Plakaten scheint die Sonne auf glückliche Menschen. Soll keiner sagen, in Berlin würde nicht gebaut. Nur billig werden sie nicht, die neuen Quartiere für Glückliche.

Am Freitag beschäftigt das einen Kilometer Luftlinie entfernt ein Krisentreffen, das sich "Wohngipfel" nennt. Denn der bezahlbare Wohnraum wird knapp in deutschen Großstädten. Knappes Angebot, hohe Nachfrage - Mieten und Immobilienpreise steigen. Und der Ärger darüber auch. "Die Frage des Wohnens entscheidet sehr viel über den Zusammenhalt der Gesellschaft", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen. Und das Wesen von Immobilien sei nun einmal, dass sie nicht mobil sind: "Immobilien müssen dort entstehen, wo sie gebraucht werden."

"Konzertierte Aktion"

Eine "konzertierte Aktion" soll das nun richten, mit Bund, Ländern, Gemeinden, mit Mieter- und Immobilienverbänden. So will der Bund den Kommunen nun vermehrt Bauland bereitstellen, etwa über seine Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). "Die Bima wird dafür sorgen, dass man an ihr Bauland vergünstigt herankommt, um Wohnraum zu schaffen", sagt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach dem Treffen. Auch werden die Länder weiterhin beim sozialen Wohnungsbau unterstützt, mit jeweils zwei Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021. Beides, die Bima-Flächen und die weitere Förderung des sozialen Wohnungsbaus, stand allerdings auch schon im Koalitionsvertrag. Damit der Bund "als Arbeitgeber attraktiver" wird, soll die Bima zudem Wohnungen für Bundesbedienste errichten.

Im Koalitionsvertrag findet sich auch schon die Anpassung des Wohngeldes, die sich nun ebenfalls im Ergebnispapier des Gipfels wiederfindet. Demnach soll es für die derzeit rund 600 000 Wohngeld-Empfänger von 2020 an mehr Wohngeld geben. In welchem Umfang das sein wird, blieb allerdings offen. Das Baukindergeld ist schon beschlossen und kann beantragt werden, auch den Steueranreizen für den Bau neuer Mietwohnungen hatte das Kabinett schon zugestimmt. Dennoch ist es nun noch einmal Teil des 14-seitigen Gipfelpakets, der "Wohnraum-Offensive" für 1,5 Millionen neue Wohnungen. "Ich finde, das kann sich sehen lassen", sagt Merkel. Und CSU-Chef Horst Seehofer, in seiner Funktion als Bauminister mal ganz an ihrer Seite, spricht von einem "ganz starken Signal", mehr noch: von der "größten Anstrengung, die je unternommen wurde, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen". Die Grünen dagegen nennen es eine "Show-Veranstaltung".

Versteckte Fortschritte

Die Fortschritte sind allerdings auch gut versteckt. So soll der Betrachtungszeitraum bei Mietspiegeln von vier auf sechs Jahre verlängert werden - was die niedrigeren Mieten von damals stärker berücksichtigt. Zudem will der Bund es erschweren, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Beides hatte die SPD gefordert. Und auch bei den Ländern tut sich etwas: Sie wollen abermals einen Anlauf nehmen, ihre 16 Bauordnungen zu vereinheitlichen. Eine mögliche Vorlage, die Muster-Bauordnung des Bundes, gibt es schon lange.

Doch bislang bestand jedes Land auf seine Eigenheiten. "Wir werden großen Wert darauf legen, dass wir eine Vereinheitlichung der Bauordnungen auf den Weg bringen", sagt der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) nach dem Treffen in Berlin. Experten begrüßen den Vorstoß. Eine solche Vereinfachung sei "ein erster Schritt, dem noch weitere folgen müssten", sagt Ludwig Dorffmeister, Bauexperte beim Münchner Ifo-Institut. Allerdings lasse sich die Bautätigkeit auf die Schnelle gar nicht so sehr steigern - wegen der Auslastung der Bauwirtschaft.

Dieses Problem hat auch die große Runde in Berlin beschäftigt. All die schönen Pläne bringen schließlich nicht viel, wenn die nötigen Bauarbeiter fehlen. Helfen soll da das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, denn auch dem Bau fehlen die Leute. Seehofer will zudem ein eigenes "Spitzengespräch" mit der Branche führen. Das Baugewerbe lobt die Ergebnisse des Treffens folgerichtig. Nun müssten den Worten Taten folgen. Ähnlich klingt das bei den Kommunen. "Packen wir's an", sagt Roland Schäfer, Vizepräsident des Städte- und Gemeindebundes, "bauen wir!"

Forderungen hatte es vor dem Gipfeltreffen zuhauf gegeben, beim Wohnungsbau geht es schließlich immer auch um Geld und Aufträge. Die Mineralwollindustrie warb für mehr Dachausbauten, während Immobilienverbände mehr und günstigeres Bauland verlangten. Die Wohnungswirtschaft warb für einen Abbau von Bürokratie und Vorschriften, während Umweltschützer warnten, ausgerechnet die Vorgaben für Klimaschutz und Energiesparen zu kassieren. Ausweislich des Ergebnispapiers ist das auch nicht geschehen.

Doch für eine echte Debatte fehlt beim Gipfel die Zeit. Nach gut zwei Stunden verabschieden sich die mehr als 100 Teilnehmer wieder. An der Heidestraße aber gehen die Arbeiten weiter, die schönen Quartiere sollen schon im nächsten Jahr fertig werden. Ein Tropfen auf den heißen Stein aber werden sie bleiben: allein Berlin erwartet bis 2030 rund 180 000 neue Einwohner.

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