Manche haben noch nie davon gehört, andere lassen sich das Geld entgehen, weil sie ungern staatliche Hilfe beim Amt beantragen. Der Staat zahlt an fast 600 000 Haushalte mit einem geringen Einkommen durchschnittlich um die 150 Euro Wohngeld im Monat, damit auch diese sich ihre Miete leisten können. Anders als andere Sozialleistungen ist dieser staatliche Zuschuss nicht umstritten - auch deshalb, weil es bei denen treffsicher ankommt, die es wirklich brauchen.
Doch ausgerechnet jetzt, in Zeiten der Wohnungsnot und rasant steigender Mietpreise, müssen sich die Wohngeld-Bezieher Sorgen machen. Viele könnten den Zuschuss schon bald verlieren, obwohl die Politik die Leistung verbessern will.
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Wohnen wird zwar immer teurer. Aber in den meisten Regionen steigen die Löhne schneller als die Mieten.
Ob und in wie weit Wohngeld gewährt wird, hängt von der Höhe der Miete, dem Einkommen und der Anzahl der Familienmitglieder im Haushalt ab. Ärger bereitet dabei ein Dauerproblem: Anders als zum Beispiel die Hartz-IV-Regelsätze wird das Wohngeld nicht jedes Jahr angepasst. Wenn aber die Mieten und auch die Einkommen wie in den vergangenen Jahren steigen, wachsen viele Wohngeldempfänger aus dem Kreis der Geförderten wieder heraus. Gleichzeitig verliert das Wohngeld durch die Inflation real an Wert.
Kritiker halten den neuen Plan für "zu beliebig und zu wenig rechtssicher"
Durch diese Effekte können "Haushalte aus dem Leistungsbezug fallen, obwohl ihre Wohnkostenbelastung gestiegen ist", heißt es im Wohngeldbericht der Bundesregierung. So steigt die Zahl der Wohngeld-Empfänger nach jeder Verbesserung wie zuletzt 2016 erst, um dann wieder zu sinken. Auf dem Wohngipfel vor ein paar Monaten im Kanzleramt waren sich Bund, Länder und Gemeinden deshalb einig: Das Wohngeld muss bereits von 2020 an steigen, und mit ihm auch der Kreis der Nutznießer. Und auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht: "Wir wollen eine Anpassung des Wohngeldes an die jeweiligen allgemeinen und individuellen Lebensbedingungen vornehmen". Die Mieter- und Verbraucherverbände hätten sich von der geplanten Reform des Wohngeldes deshalb mehr erwartet.
Am 1. Januar 2020 soll das "Gesetz zur Stärkung des Wohngelds" in Kraft treten. Ein erster Referentenentwurf aus dem vom früheren CSU-Chef Horst Seehofer geführten Bundesinnenministerium liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Demnach können Bezieher von Wohngeld darauf hoffen, vom nächsten Jahr an einige Euro mehr zu bekommen. Den staatlichen Mietzuschuss in Zukunft regelmäßig veränderten Preisen, Mieten und Einkommen anzugleichen, ist dort aber nicht ausdrücklich und genau festgeschrieben. Vorgesehen ist stattdessen, die Höhe des Wohngelds "bei Bedarf zeitnah anzupassen".
Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes (DMB), ist das "zu beliebig und zu wenig rechtssicher". Unklar bleibe, wer den "Bedarf" wann für wen festlegt. "Wir müssen weg von den willkürlichen Entscheidungsprozessen, damit die Politik nicht immer hinterher hinkt", sagt er. Der DMB fordert deshalb in seiner Stellungnahme zum neuen Gesetz, das Wohngeld automatisch zu erhöhen und sich dabei an der Teuerungsrate sowie der Preisentwicklung bei den Mieten zu orientieren. Dies sollte alle ein oder zwei Jahre passieren, verlangt Ropertz und bekommt dabei Beistand vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Nur so ließe sich verhindern, dass sich die Anzahl der Wohngeld-Empfänger wegen steigender Mieten und Einkommen "zum Teil drastisch reduziert", heißt es beim VZBV.
Miet- und Verbraucherschützer ärgern sich auch darüber, dass in dem geplanten Gesetz die Heizkosten nicht berücksichtigt werden. Warme Nebenkosten ohne Strom seien seit 2015 "nicht gestiegen", heißt es dazu lapidar in dem Entwurf aus dem Hause Seehofer. Der Mieterbund hält entgegen: Tatsächlich sind laut Statistischem Bundesamt "die Kosten für flüssige Brennstoffe zwischen 2015 und November 2018 um rund 40 Prozent gestiegen." Auch der VZBV spricht sich dafür aus, bei der Berechnung des Wohngelds Heiz- und Energiekosten extra zu berücksichtigen und eine Klimakomponente einzuführen. Dadurch sollen erhöhte Mietkosten auf Grund einer energetischen Sanierung nicht unter den Tisch fallen.
Kommunen in Bayern werden von einer neuen Höchstgrenze profitieren
Trotzdem dürften viele Wohngeld-Bezieher vom neuen Jahr an mehr Geld bekommen. Laut Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) für das Bundesinnenministerium werden 660 000 Haushalte profitieren. Darunter seien 180 000 Haushalte, die durch die Reform erstmals oder wieder Wohngeld kassieren dürfen. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt, der auch ohne die Reform Wohngeld erhalten würde, soll sich die durchschnittliche Zahlung von 145 Euro auf 190 Euro erhöhen. Etwa 155 000 Haushalte, deren Einkommen für den Bezug von Wohngeld bislang zu hoch war, würden laut IW Ende 2020 die Leistung neu erhalten, ein Haushalt mit zwei Personen bekäme in dieser Gruppe im Durchschnitt 40 Euro monatlich.
Mehr Wohngeld gibt es, weil Seehofer an drei Komponenten schrauben lässt: So wird die Berechnung des Wohngelds an die Entwicklung von Mieten, Preisen und Einkommen angepasst. Vorgesehen ist auch, die für die Förderhöhe maßgeblichen Miethöchstbeträge um bis zu gut zehn Prozent zu erhöhen, um Mieter mit gestiegenen Kaltmieten zu unterstützen. Außerdem wird ein neuer Höchstbetrag (Mietenstufe VII) eingeführt. Dies soll die Chancen in teuren Wohngegenden verbessern, den Zuschuss zu erhalten. Etwa 40 Kommunen sollen von der neuen Fördergrenze profitieren, 33 befinden sich davon in Bayern.
Noch ist aber nichts endgültig entschieden. Ende Februar ist im Innenministerium eine Anhörung der Verbände. Dann können Mieterbund und Co. noch einmal loswerden, was ihnen an dem geplanten Gesetz alles nicht passt. Auch Seehofers Kollege, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), hat in seinem Konzept für die Grundrente bereits gefordert, die Miet- und Einkommensgrenzen fürs Wohngeld regelmäßig anzupassen.