Wohnen - Berlin:Berlin kauft 670 Wohnungen in Karl-Marx-Allee

Berlin (dpa/bb) - Der Konflikt um Wohnungen in der Berliner Karl-Marx-Allee galt als Symbol für die Mietmisere in deutschen Großstädten - nach monatelangem Ringen ist die Rekommunalisierung von rund 670 Wohnungen nun unter Dach und Fach. Die städtische Gesellschaft Gewobag übernimmt die fraglichen drei Gebäude in bester Lage komplett, wie die Senatskanzlei am Montag mitteilte. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.

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Berlin (dpa/bb) - Der Konflikt um Wohnungen in der Berliner Karl-Marx-Allee galt als Symbol für die Mietmisere in deutschen Großstädten - nach monatelangem Ringen ist die Rekommunalisierung von rund 670 Wohnungen nun unter Dach und Fach. Die städtische Gesellschaft Gewobag übernimmt die fraglichen drei Gebäude in bester Lage komplett, wie die Senatskanzlei am Montag mitteilte. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.

Ursprünglich wollte die Firma Predac als bisheriger Eigentümer an den Konzern Deutsche Wohnen verkaufen, der in Berlin bereits 112 000 Einheiten besitzt. Dies hatte Ende vergangenen Jahres Proteste bei den Mietern ausgelöst, weil sie starke Mieterhöhungen fürchteten.

In einer spektakulären Aktion versuchte das Land daraufhin, der Deutsche Wohnen die in den 90er Jahren privatisierten Wohnungen in der einstigen DDR-Prachtstraße wegzuschnappen. Der Senat entwickelte dazu zunächst ein kompliziertes Modell. Die Idee dieses sogenannten gestreckten Erwerbs: Mieter übernehmen ihre Wohnungen über ein in diesem Fall bestehendes Vorkaufsrecht und reichen sie direkt an die Gewobag weiter. In den drei Gebäuden erklärten bis zu 46 Prozent der Haushalte, dabei mitzuziehen.

Allerdings versuchte das Land nach diesem Votum weiterhin, alle Wohnungen möglichst komplett in kommunalen Besitz zurückzuführen. Dazu gab es zum einen juristische Auseinandersetzungen vor Gericht, zum anderen hinter den Kulissen Gespräche mit Predac und Deutscher Wohnen. Dies führte nun zum Erfolg, so dass das ursprüngliche Modell des gestreckten Erwerbs über die Mieter vom Tisch ist und die Gewobag direkt als Käufer auftritt. Sie soll dazu einen Landeszuschuss erhalten, über dessen Höhe zunächst keine Angaben vorlagen.

"Ich möchte, dass die Berlinerinnen und Berliner sich das Wohnen in der Stadt auch weiterhin leisten können. Wohnen ist eine zentrale soziale Frage in fast allen Großstädten", erklärte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zu dem Deal. "Deshalb war und ist es meine feste Absicht, dort wo es geht, Wohnungen zu kaufen, damit Berlin wieder mehr Kontrolle über den Wohnungsmarkt erlangt."

Der Vorsitzende des Mieterbeirats in der Karl-Marx-Allee, Norbert Bogedein, reagierte mit großer Freude. "Diese Lösung ist ganz im Sinne der Mieter. Dafür sind wir angetreten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das gemeinsame Agieren der Mieter und der Druck hätten sich ausgezahlt. "Heute wird kein Sekt geöffnet, sondern Champagner", so Bogedein.

Aktuell ist die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt, der von teils stark steigenden Mieten geprägt ist, sehr angespannt. In einigen Stadtteilen haben selbst Normalverdiener kaum noch Chancen, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Vor diesem Hintergrund bildet der Ankauf neben dem Wohnungsbau und politischen Maßnahmen zur Mietenregulierung die dritte Säule der Mieten- und Wohnungspolitik des rot-rot-grünen Senats. So erwarben kommunale Gesellschaften im Vorjahr 3746 Wohnungen, davon 638 im Rahmen eines Vorkaufsrechts in sogenannten Milieuschutzgebieten zum Erhalt der Sozialstruktur.

Derzeit sind gut 300 000 Wohnungen in kommunaler Hand, etwa ein Fünftel aller Mietwohnungen in Berlin. Die Ankaufspolitik ist umstritten, weil das Land in den 90er und 2000er Jahren bis zu 200 000 kommunale Wohnungen privatisiert hat - auch in der Karl-Marx- Allee. Um Lücken im Haushalt zu füllen, wurden sie zum Teil für vergleichsweise wenig Geld regelrecht verschleudert, ohne die wohnungspolitischen Folgen zu bedenken. Nun wird viel Geld an die Hand genommen, um sie zurückzukaufen. Die zwischenzeitlich privaten Eigentümer verdienen sich eine goldene Nase.

In der Karl-Marx-Allee sollten zuletzt noch zwei weitere Gebäude von der Predac an die Deutsche Wohnen gehen. Im Fall von 80 Wohnungen kam die städtische Gesellschaft WBM zum Zug, weil das Gebäude in einem Milieuschutzgebiet liegt. Über einen weiterer Block mit 150 Wohnungen verhandelt das Land noch mit der Predac.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sagte im Hinblick auf die nun gefundene Lösung für etwa 670 Wohnungen: "Das ist eine guter Tag für Berlin." Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sprach von einer guten Nachricht für alle Mieter, "die mit ihrem engagierten Kampf gegen eine Übernahme der Bestände durch die Deutsche Wohnen und ihre Bereitschaft für unkonventionelle Wege zur Rekommunalisierung maßgeblich zum Gelingen beigetragen haben".

In Berlin laufen noch andere Maßnahmen zur Stabilisierung des Mietniveaus, die bundesweit für kontroverse Debatten sorgen. So beschloss der Senat im Juni Eckpunkte für einen sogenannten Mietendeckel, um die Mieten für fünf Jahre einzufrieren. Ein Gesetzentwurf soll bis Oktober vorliegen. Mieterinitiativen strengten zudem ein bundesweit einmaliges Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne an, die in Berlin mehr als 3000 Einheiten besitzen.

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