Kommentar:Rettet den Aufschwung

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Alexander Hagelüken twittert auch mal gern. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Endlich erholt sich die deutsche Wirtschaft von der Corona-Krise. Nun sollte die Regierung mit Druck auf Impfgegner verhindern, dass die ökonomischen Erfolge torpediert werden.

Von Alexander Hagelüken

Jetzt ist der Sommer da, und mit ihm der Aufschwung. Diese Kombination sollte den Deutschen nach eineinhalb Corona-Jahren einfach mal guttun. Sie dürfen wieder in Restaurants und Geschäfte. Sie können dort guten Gewissens Geld ausgeben, weil sich die Sorgen um den eigenen Job verflüchtigen. Die Arbeitslosigkeit sinkt trotz Urlaubssaison - so etwas gab es zuletzt vor 15 Jahren.

Die Überwindung der Corona-Krise ist kein Zufall. Sie verdankt sich einer Regierung, die trotz ärgerlicher Fehler einiges richtig machte. Sie schützte die Gesundheit der Bürger durch Einschränkungen, als mancher Öffnungen forderte. Und sie schützte die Wirtschaft durch Staatsausgaben, als mancher Sparen forderte. Das wird jetzt mit einem Aufschwung belohnt, den es nur gibt, weil zuvor Masseninfektionen und Massenarbeitslosigkeit verhindert wurden. Der Blick in die Zukunft zeigt aber: Es warten noch Herausforderungen.

Ja, die Wirtschaft wuchs von April bis Juni ordentlich. Im Lockdown zuvor jedoch schrumpfte sie laut Statistikern stärker als bisher gedacht. Dadurch fällt der Aufschwung aus dem Corona-Tal 2021 kleiner aus. Die Bundesbank sieht in den nächsten Monaten noch stärkeres Wachstum. Aber das wird nur gelingen, wenn Firmen, Politiker und Bürger zwei Risiken in den Griff bekommen.

Die Industrie leidet darunter, dass Chips und andere Teile fehlen. Autohersteller schicken mitten im Nachfragehoch Tausende in Kurzarbeit. Da muss kurzfristig alles getan werden, um Schäden zu begrenzen. Mittelfristig sollte die Wirtschaft überlegen, ob sie durch das Diktat immer billigerer Zulieferungen in eine Sackgasse rennt - und die Abwanderung der Chipproduktion aus Europa ein Fehler ist.

Söder sollte seinen Wirtschaftsminister Aiwanger entlassen

Ökonomisch noch gefährlicher als die Lieferprobleme könnte die vierte Corona-Welle werden. Geschäfte, Gast- und Freizeitstätten wieder zu schließen, wäre bitter. Wobei sich die Frage stellt, ob das überhaupt nötig ist, wenn anders als bei früheren Corona-Wellen genügend Deutsche Impfschutz haben. Genau das ist der springende Punkt: Es sind noch zu wenige geimpft. Wer ohne medizinische Gründe den Vakzin-Piks verweigert, schadet nicht nur mutwillig der Gesundheit von Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Kindern, für die bisher kein Impfstoff zugelassen ist. Er schadet auch der Volkswirtschaft und damit dem Einkommen aller.

Der Verhaltensökonom Armin Falk wirft Impfverweigerern negative externe Effekte auf die Allgemeinheit vor, wie sie Steuerhinterzieher oder klimaschädliche Produktion erzeugen. Er fordert eine Impfflicht - bei Steuern oder Klimaschutz setze die Regierung auch nicht auf Freiwilligkeit. Falk hat recht. Die Testpflicht für Urlauber ist nur der erste Schritt. Gesundheit und Wirtschaft müssen gegen die Einfalt der Impfgegner immunisiert werden. Falls dazu Aufklärung und Privilegien für Geimpfte nicht ausreichen, dann eben per Impfpflicht.

Es klingt wie ein Witz, dass Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger das Vakzin verweigert, aber gleichzeitig Bayerns Minister für Wirtschaft sein will. Ministerpräsident Markus Söder wirft ihm vor, sich bei Rechten anzubiedern, die wie AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel das Impfen verweigern. Das reicht nicht. Söder sollte den Minister entlassen. Unternehmen und Gewerkschaften rufen zu Recht zum Impfen auf, denn dies schützt Gesundheit und Konjunktur in der vierten Welle am besten.

Die Risiken für den Aufschwung zeigen auch, dass sich der Staat nicht vorschnell zurückziehen darf, wie manche fordern. Er sollte bei neuen Schwierigkeiten der Firmen bereitstehen. Deutschland bewältigt die Krise bisher ganz gut. Das darf niemand leichtfertig aufs Spiel setzen.

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