Fiskus:Wie die Regierung im Steuerrecht ausmistet

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Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zusätzlich zum Lohn ein Mobilitätsbudget zahlen, soll das künftig steuerlich einfacher sein. Auch für E-Scooter-Fahrten kann ein solches Budget künftig genutzt werden. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Hobby-Brauer, Kassenpatienten, Scooter-Fahrer: Das Steuerrecht enthält für beinahe alle Bevölkerungsgruppen die seltsamsten Vorschriften. Einmal im Jahr versucht die Regierung, das zu ändern.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es sind Vorschriften, von denen manchmal niemand mehr weiß, wie und warum sie es überhaupt jemals ins Steuergesetzblatt geschafft haben: Hobbybrauer zahlen Biersteuer, als wären sie ein internationaler Getränkekonzern; Krankenversicherte werden für Bonuszahlungen ihrer Kassen mal vom Fiskus belangt, mal nicht; Arbeitnehmer zahlen auf Mobilitätszuschüsse, die ihnen die Firma zusätzlich zum Lohn gewährt, die unterschiedlichsten Steuersätze, je nachdem, ob sie etwa in den Bus, ins Auto eines Car-Sharing-Anbieters oder aufs Fahrrad steigen. Es ist mitunter ein wahrlich heiliges Chaos.

Einmal alle zwölf Monate nutzt die Bundesregierung das sogenannte Jahressteuergesetz, um derlei Klein- und Kleinstprobleme auf einen Schlag zumindest abzumildern. So auch derzeit: Der diesjährige Gesetzentwurf ist fast fertig, bald schon sollen sich das Bundeskabinett sowie Bundestag und Bundesrat damit befassen.

Am einfachsten ist diesmal noch die Sache mit den Hobbybrauern. Sie müssen in Zukunft nur noch dann Biersteuer zahlen, wenn sie im Jahr mehr als 500 Liter Gerstensaft herstellen. Auch die Pflicht, die zu erwartende Produktionsmenge Jahr für Jahr beim Hauptzollamt anzumelden, entfällt. Bisher lag die Grenze bei 200 Litern.

Mobilitätszuschüsse sollen künftig pauschal besteuert werden

Auch die Regeln für Boni der Krankenkassen an gesundheitsbewusste Mitglieder werden dauerhaft vereinfacht und neu gesetzlich geregelt: Der Staat behandelt sie künftig bis zu einer Grenze von 150 Euro im Jahr einheitlich, egal, ob es sich um eine Beitragserstattung etwa für eine von der Versicherung bezahlte Vorsorgeuntersuchung oder um die Belohnung für einen privat finanzierten Haut-Check handelt.

Einfacher werden soll auch die Besteuerung sogenannter Mobilitätsbudgets, die Arbeitgeber den Beschäftigten zusätzlich zum Lohn gewähren können - etwa um sie an die Firma zu binden oder um ihren Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsträger auch in der Freizeit zu unterstützen. Dabei entscheiden die Mitarbeiter selbst, wofür sie ihr jeweiliges Budget verwenden und ob sie etwa am einen Tag mit der Bahn fahren und am nächsten ein Fahrrad oder ein Auto ausleihen wollen. Die Besteuerung variiert allerdings, sie hängt unter anderem davon ab, welches Verkehrsmittel benutzt wird und ob man sich die Kosten nachträglich erstatten lässt oder beispielsweise App-Guthaben oder Prepaid-Karten einsetzt.

Künftig kann der Arbeitgeber die Mobilitätsbudgets bis zu einer Kostenobergrenze von 2400 Euro pro Jahr und Mitarbeiter pauschal mit einer Steuer von 25 Prozent belegen, die er ans Finanzamt abführt. Die Regelung soll zudem auch für E-Scooter, die gelegentliche Inanspruchnahme von Car-, Bike- und anderen Sharing-Angeboten sowie Fahrtdienstleistungen etwa von Uber gelten. Ziel sei es, "die vielen Gestaltungsmöglichkeiten moderner Mobilitätslösungen abzubilden und künftigen Entwicklungen in einem sich rasant fortentwickelnden Mobilitätssektor gerecht zu werden", hieß es ein wenig gestelzt in Regierungskreisen. Arbeitgeber erhielten dadurch die Möglichkeit, ihren Beschäftigten "ein vielfältiges Mobilitätsangebot bereitzustellen und vorhandene Angebote zweckorientiert zu ergänzen".

Von der Pauschalregelung nicht betroffen sind bereits vorhandene steuerbefreite Vergünstigungen - wenn sich der Arbeitgeber etwa an den Kosten eines Job-Tickets beteiligt oder einem Mitarbeiter erlaubt, ein betriebliches Fahrrad zu nutzen. Es wird also niemand schlechtergestellt.

Mit dem Gesetz setzt die Regierung ihre Zusagen an die Landwirte um

Mit dem Jahressteuergesetz setzt die Regierung zudem ein Versprechen um, das sie den Landwirten nach deren jüngsten Protesten gegen das Auslaufen der Agrardieselhilfe gegeben hatte. Um zu verhindern, dass Bauern in einem schlechten Erntejahr gar keine, in einem guten aber exorbitant hohe Steuern zahlen müssen, wird ihnen erlaubt, ihre Einkünfte in den Zeiträumen 2023 bis 2025 sowie 2026 bis 2028 jeweils zu mitteln. Unter dem Strich dürfte die Steuerlast damit geringer ausfallen.

Während dieser Punkt ökonomisch wie haushaltspolitisch durchaus relevant ist, sind die neuen Regeln für private Braumeister in ihrer ganzen gesamtwirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit ein Klassiker im Jahressteuergesetz. Das zeigt ein Blick auf die Einnahmen, die der öffentlichen Hand künftig fehlen werden: Im ersten Halbjahr 2022 überwiesen Deutschlands Hobby-Biersteuerzahler insgesamt 7000 Euro an die Finanzämter. Zum Vergleich: Die Erlöse des Staats aus der Einkommensteuer beliefen sich im selben Zeitraum auf 175 Milliarden Euro.

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