Die 14 Buchstaben verschwanden einer nach dem anderen von der Fassade des Bürogebäudes. Erst das M, dann das O, wenig später war nur noch anhand der verbliebenen Schmutzränder zu erkennen, wer hier, in einem noblen Stadtteil von San Salvador, residiert hat: M-O-S-S-A-C-K-F-O-N-S-E-C-A. Die Kanzlei im Mittelpunkt der Panama-Papers-Enthüllungen. Seit dem 3. April dieses Jahres weiß die ganze Welt, für welche Schurken der panamaische Dienstleister Briefkastenfirmen gegründet und unterhalten hat. Nur vier Tage nach den ersten Schlagzeilen schloss die Kanzlei Mossack Fonseca ihre Filiale in El Salvador.
Fast acht Monate sind seither vergangen. In mindestens 79 Ländern wurden Ermittlungen gegen die Kanzlei oder ihre Kunden eingeleitet, Untersuchungsausschüsse wurden eingesetzt oder Verdächtige festgenommen. Auf vier Kontinenten haben Fahnder mittlerweile Büros, Wohnungen und Warenhäuser durchsucht. Regierungsangehörige in drei Ländern sind zurückgetreten, darunter der isländische Premierminister und der spanische Energieminister. In Argentinien läuft eine Untersuchung gegen Präsident Mauricio Macri. Und in Pakistan hat der Oberste Gerichtshof angekündigt, die Panama-Papers-Verwicklungen der Familie von Premierminister Nawaz Sharif untersuchen zu lassen. In Brüssel versucht indes ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments, das Treiben von Mossack Fonseca zu beleuchten.
"Sehen Firmen aus den Panama-Papers nicht nur im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität"
Die europäische Polizeibehörde Europol fand in der öffentlichen Panama-Papers-Datenbank des International Consortium of Investigative Journalism (ICIJ) 3469 wahrscheinliche Übereinstimmungen mit Personen und Firmen aus ihren Datenbanken. 116 dieser Treffer stehen im Zusammenhang mit einer Europol-Untersuchung zu islamistischem Terrorismus. "Wir sehen Firmen aus den Panama-Papers nicht nur im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, sondern auch mit Terrorismus, russischen Verbrechergruppen, Drogenhandel, Menschenhandel, illegaler Einwanderung und Cyberkriminalität", sagt Simon Riondet, der bei Europol für Ermittlungen im Finanzbereich zuständig ist.
Aufgrund von Panama-Papers-Berichten konnten die Regierungen von Kanada, Mexiko, Slowenien und Uruguay bislang schon umgerechnet 110 Millionen Dollar eintreiben. Weit mehr dürfte folgen, wenn die Untersuchungen in weiteren Ländern erst voranschreiten. Insgesamt, so ergab eine Analyse des ICIJ, wird aufgrund der Panama Papers weltweit gegen mindestens 6520 Personen und Firmen ermittelt. Allein im November haben die Behörden von Island, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Indien und Pakistan Ermittlungen gegen mehr als 1000 Bürger angekündigt. In Deutschland hat eine Sondereinheit der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung die im Internet veröffentlichten Daten zu den Panama Papers zentral ausgewertet und anderen Bundesländern Informationen zu knapp 400 Offshore-Firmen zur Verfügung gestellt, die von Mossack Fonseca gegründet oder verwaltet wurden.
"Panama Papers haben die Welt aufgerüttelt"
Eine wichtige Rolle im Geschäft mit den Briefkastenfirmen spielen Banken. Insgesamt tauchen mehr als 500 Banken in verschiedensten Zusammenhängen in den Panama Papers auf, darunter auch 28 deutsche Banken. Bislang hat die deutsche Finanzaufsicht Bafin 14 Banken nach möglichen Geschäftsbeziehungen zu Mossack Fonseca befragt. Elf von ihnen schlossen nicht aus, in den letzten fünf Jahren Geschäftsbeziehungen zu Mossack Fonseca gehabt oder Kunden dorthin verwiesen zu haben. Sie wurden aufgefordert, alle Unterlagen in diesem Zusammenhang an die Bafin zu senden. Aufgrund der Größe - die Geldhäuser schickten jeweils bis zu 161 Gigabyte an Daten - will die Bafin nach eigenen Angaben für die Auswertung "externe Hilfe in Anspruch nehmen".
Die Panama Papers haben die Welt aufgerüttelt, sagt Porter McConnell, Direktor der Nichtregierungsorganisation Financial Transparency Coalition. "Keine Regierung will das nächste Panama sein." Von den Cook-Inseln bis hin zu Indien haben etliche Staaten Gesetze für mehr Transparenz im Finanzbereich auf den Weg gebracht; auch Deutschland.
Wenn es nach Finanzminister Wolfgang Schäuble geht, sollen alle Bürger in ihrer Steuererklärung künftig angeben müssen, ob sie Geschäfte mit einer Briefkastenfirma machen. Wer sich nicht daran hält, dem soll ein Bußgeld von bis zu 25 000 Euro drohen. Außerdem will Schäuble, der bislang nicht als großer Vorreiter im Kampf gegen Steueroasen galt, ein elektronischen Transparenzregister über die Hintermänner und Nutznießer von Firmen, Trusts und Vereinigungen einrichten.
Weit darüber hinaus geht die Initiative der deutschen Länderfinanzminister, die eine Offenlegungspflicht für die Erfinder von Steuervermeidungsmodellen, also die großen Wirtschafts- und Steuerkanzleien, gesetzlich verankern wollen. Panama hat sich indes überraschend zum Austausch von Finanzdaten mit anderen Ländern bereit erklärt. Das Land hatte sich zuvor jahrelang dagegen gesperrt.
Mossack Fonseca, jene Kanzlei, deren dunkle Geschäfte durch die Enthüllungen der Panama Papers erst öffentlich wurden, hat seit April neben der Filiale in El Salvador noch acht weitere Außenstellen geschlossen. Die Firma sei "am Ende", erklärte unlängst der panamaische Präsident Juan Carlos Varela. Sein Freund und Ex-Berater Ramón Fonseca, der einer der Eigentümer der Kanzlei ist, müsse sich nun seiner Verantwortung stellen - "und am Ende auch dem Richter".
Schon jetzt sitzt eine frühere Repräsentantin von Mossack Fonseca in Venezuela im Gefängnis. Die Behörden werfen ihr Verstöße gegen das Bankengesetz vor. Und auf den Britischen Jungferninseln, wo Mossack Fonseca so viele Briefkastenfirmen gegründet hat wie in keiner anderen Steueroase, verhängten die Behörden jüngst eine Rekordstrafe von 440 000 Dollar gegen die Kanzlei.
In Panama selbst laufen seit April Ermittlungen gegen Mossack Fonseca. Die Büros der Firma wurden schon zweimal durchsucht. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sein sollen, ist derzeit in Panama nicht zu erfahren. Nur so viel: Man habe sich seit April mit Ermittlern und Diplomaten von neun Ländern getroffen, um diese bei ihren eigenen Ermittlungen zu unterstützen. Das allein ist eine kleine Revolution. Denn früher, vor den Panama Papers, bekamen die Ermittler nicht einmal eine Antwort auf Briefe und E-Mails.
Geblockt wird aber immer noch, auch in Europa. Das Europäische Parlament setzte zwar einen Untersuchungsausschuss ein. Doch der wird von den Mitgliedsstaaten ausgebremst. Vize-Ausschusschef Fabio De Masi von den Linken bat die Staaten um einen "Überblick über die gerichtlichen, parlamentarischen und anderen Untersuchungen", die von den Panama Papers in der Europäischen Union ausgelöst wurden. Die lapidare Antwort: "Die von dem Herrn Abgeordneten erbetenen Informationen liegen dem Rat nicht vor."
Die Panama-Papers-Berichte der SZ zum Nachlesen unter www.panamapapers.de.