Finanzskandal:Wirecard-Bilanzen sollen erneut geprüft werden - aber ohne EY

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Ist der Auffassung, dass EY die Wirecard-Bilanzen "nicht unbefangen, unparteiisch und unbeeinflusst von jeder Rücksichtnahme auf eigene Interessen" erneut prüfen kann: Insolvenzverwalter Michael Jaffé. (Foto: imago stock&people)

Ausgerechnet diejenigen, die den Betrug bei Wirecard jahrelang nicht entdeckten, könnten sich die Zahlen nun erneut vornehmen. Für den Insolvenzverwalter unvorstellbar.

Von Lena Kampf, Klaus Ott und Jörg Schmitt

Im Wirecard-Skandal reißt die Kritik an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY nicht ab. Fast ein Jahrzehnt hat sie die Bilanzen von Wirecard geprüft - und für in Ordnung befunden. Dabei sollen die Zahlen schon ab 2015 falsch gewesen sein. Das glaubt zumindest die Münchner Staatsanwaltschaft und ermittelt auch gegen einzelne EY-Prüfer.

EY aber weist alle Vorwürfe zurück - und will nun offenbar bei Wirecard sogar nochmals ran, sollte es zu einer erneuten Prüfung der alten, falschen Zahlen kommen. So zumindest steht es in dem aktuellen "Sachstandsbericht" von Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé. Das 179-seitige Werk liegt der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR vor. Demnach will Jaffé die Wirecard-Bilanzen der Jahre 2017 und 2018 wegen falscher Zahlen für nichtig erklären lassen. Das hat er bereits beim Landgericht München I beantragt.

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Sollten die Richter dem stattgeben, woran wenig Zweifel bestehen, dann müssten die Bilanzen für 2017 und 2018 neu aufgestellt und von einem Wirtschaftsprüfer erneut testiert werden. Für diesen Fall habe sich EY bereits in Position gebracht und erklärt, dass "die Prüfung der erneut aufgestellten Jahresabschlüsse zwingend wieder durch EY erfolgen" müsste, heißt es in dem Report. Soll heißen, dass ausgerechnet diejenigen noch einmal prüfen wollen, die in der Vergangenheit augenscheinlich versagt haben? Jaffés Report ist zu entnehmen, dass der Insolvenzverwalter sich das so gar nicht vorstellen kann. Ihn treibt die Sorge um, dass EY eine erneute Tätigkeit als Abschlussprüfer "nicht unbefangen, unparteiisch und unbeeinflusst von jeder Rücksichtnahme auf eigene Interessen wird wahrnehmen können". Jaffé verweist auch darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem solchen Fall eine erneute Tätigkeit der bisherigen Prüfer ausgeschlossen sei.

Akten als Munition

Von EY heißt es, man habe nur auf die gesetzliche Regelung hingewiesen. Demnach seien Korrekturen an der Bilanz zunächst dem ursprünglichen Prüfer vorzulegen. Die Frage, wer dann gegebenenfalls noch einmal testiere, sei völlig offen.

Zwischen Jaffé und EY schwelt schon seit Längerem ein Konflikt. Der Insolvenzverwalter verlangt von den Prüfern seit Monaten die Herausgabe sämtlicher Wirecard-Unterlagen, doch EY verweigert sich. Jaffé wirft EY in seinem Bericht sogar vor, ein speziell für die Prüfung bei Wirecard eingerichtetes "Software-Tool" einfach abgeschaltet zu haben. Dadurch habe er auf die entsprechenden Daten keinen Zugriff mehr.

Die Taktik der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist es offenbar, dem Insolvenzverwalter keine Unterlagen zu geben, die dieser als Munition für eine Schadenersatzklage gegen EY wegen angeblich mangelhafter Prüfung bei Wirecard dienen könnten. Die Wirtschaftsprüfer hatten Jaffé vorsorglich schon früh mitgeteilt, dass man grundsätzlich keine Akten herausgebe. Jaffé konterte mit einer Herausgabe-Klage. Bislang hat das Landgericht Stuttgart dazu noch nicht entschieden.

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