Ein Rechtspopulist wird zum Präsidenten gewählt, und die Aktien steigen auf ein Rekordhoch. So war es bei Donald Trump in den USA, so ist es jetzt bei Jair Bolsonaro. Im Oktober hat er die Wahl gewonnen, seit Anfang Januar ist er der Präsident Brasiliens. Der Aktienindex des Landes ist in diesem Monat von Rekordhoch zu Rekordhoch gestiegen. Die Parallelen der zwei Männer fallen vielen auf: Auch an den Kaffeebars in Davos kennt man den Spitznamen "Tropen-Trump". Ein Jahr nach Trumps Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum in der Schweiz kommt nun Bolsonaro - und bekommt die große Bühne. 30 Minuten sind für ihn geblockt, Journalisten werden gebeten, sich Stunden vorher anzustellen, um einen Platz zu bekommen. Das alles war nicht nötig: Bolsonaro brauchte keine Viertelstunde auf der Bühne, auch der Saal war nicht voll.
Als der Präsident die Bühne betritt und formell vorgestellt wird, bleibt er erst vor dem weißen Sessel stehen und faltet die Hände, wie ein braver Junge, dann setzt er sich hin. Der Applaus ist höflich. Joe Biden, als er noch US-Vizepräsident war, bekam hier stehenden Beifall. Bolsonaro hält ein paar Minuten eine Rede. Er ruft dem Davos-Publikum Slogans zu, die hier eigentlich gut ankommen: Steuern sollen gesenkt werden, Bürokratie abgebaut, Privatisierungen vorangetrieben, die Haushaltsdefizite verschwinden, unfaire Handelspraktiken zurückgedrängt werden. "Wir werden unsere Wirtschaft öffnen", verspricht der neue Präsident den Managern in Davos. "Brasiliens Fortschritt wird Sie dazu bringen, bei uns zu investieren." Ausländisches Kapital anzuziehen, darum geht es ihm.
Der Präsident belässt es bei diesen kurzen Aussagen. Die im Programm geblockte Zeit nicht zu nutzen, ist selten in Davos, wo jeder aufpassen muss, seine Termine nicht zu überziehen.
Zugestanden: Bolsonaro ist auch erst drei Wochen im Amt. Dieser Trip ist seine erste Auslandsreise. Doch der Ruf des Börsenrekord-Präsidenten war größer als die Rede. Sie wirkt, als habe der Präsident nur ein paar schöne Sprüche aus dem Wahlprogramm vorgetragen. Am Ende spricht er sich noch für "Freiheit und Frieden weltweit" aus, Familie und Menschenrechte sollen geschützt werden, mehr Details gibt's nicht. Für ein paar Nachfragen setzt sich Bolsonaro wieder in den Sessel, setzt eine Brille auf und nimmt ein paar Spickkarten in die Hand. Was sind die konkreten Schritte seiner Regierung in den nächsten Monaten? "Unser Wirtschaftsteam in der Regierung wird die Steuerlast senken", sagt Bolsonaro. Wichtig ist ihm zu betonen, dass sein Kabinett mit Fachleuten besetzt sei, nicht mit Parteipolitikern. Und vor allem solle die "Ideologie" zurückgedrängt werden, sagt er mehrmals und meint damit alle Politiker, die links von ihm stehen. Es ist zentrales Vokabular aus seinem Wahlkampf. Wie Trump spricht auch Bolsonaro in seiner Rede seinen Wahlerfolg an: Er habe das ganz billig hinbekommen, sagt er.
Brasilien habe noch nicht so viele Touristen, wie es haben könnte, bemängelt Bolsonaro. "Kommen Sie, und schauen Sie sich unsere Strände und Urwälder an", fordert er das Publikum auf. Umweltschutz sei ihm wichtig, allerdings müsse das mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes Hand in Hand gehen, und auch die Landwirte sollen nicht überfordert werden. "Wir möchten mit der ganzen Welt in Harmonie zusammenarbeiten und CO₂-Emissionen senken", sagte er.
Auch bei diesem Thema wird er nicht konkreter. Bekämpfen will Bolsonaro Klientelpolitik und Korruption. Darum kümmerten sich die Fachleute im Kabinett. Gemeint ist der neue Justizminister Bolsanoros, Sérgio Moro. Auch er ist in Davos und erläutert vor Publikum seine Idee der Korruptionsbekämpfung: Er will deutliche, klare Worte wählen - und diesen Taten folgen lassen. Brasilien wird seit einigen Jahren von einem ungeheuren Korruptionsskandal erschüttert, und Moro war einer der Richter, die den Fall im Rampenlicht aufklärten. Er allein hat mehrere hundert Jahre Haft für involvierte Politiker verteilt, den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva etwa verurteilte er zu zwölf Jahren im Gefängnis - und bereitete damit erst den Weg für Bolsonaros Wahlsieg. Moro ist nicht nur deswegen, sondern auch wegen seiner Nähe zu Politikern umstritten, die ausgerechnet wegen Bestechlichkeit aufgefallen sind. Bolsonaros Gegner befürchten nun, dass Moros Härte sich vor allem gegen ihr Lager richten wird.
Den Namen des neuen Präsidenten erwähnte Sergio Moro in der Diskussion nicht ein einziges Mal - betonte aber wiederholt, dass er gedenkt, hart vorzugehen. Damit dürfte er zumindest seinem Chef gefallen haben.
Der echte Trump ist nicht nach Davos gekommen, wegen der Regierungskrise in den USA hat er abgesagt. Er schickte als Vertreter seinen Außenminister Mike Pompeo, der sich aber nur per Video zuschaltete. Pixel statt Personen - das zog noch weniger Menschen an als Bolsonaro. Und auf die Frage, wann der Haushaltsstreit zwischen Demokraten und Republikanern endlich vorbei sei, der die USA derzeit lähmt, muss Pompeo erst mal lachen, bevor er antwortet: bald.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir Joe Biden fälschlicherweise als US-Außenminister bezeichnet. Er war jedoch als US-Vizepräsident im Januar 2017 in Davos.