In Matthias Müller spricht an diesem Mittwoch nach Herbert Diess der zweite frühere VW-Konzernchef vor Gericht über die Dieselaffäre. Es ist jener Prozess vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, den Anleger angestrengt haben, nachdem sie Kursverluste in Milliardenhöhe erlitten hatten, weil die VW-Aktie nach Auffliegen des Skandals im Jahr 2015 in die Tiefe gerauscht war. Die Investoren von Volkswagen fühlten sich zu spät informiert.
Müllers Botschaft vor Gericht lautet, kurz zusammengefasst: Er habe von nichts gewusst. "Mir war das ganze Thema fremd", sagte der 70-Jährige, der als Zeuge geladen war. Begriffe wie defeat device - so der VW-interne Name für die Einrichtung, die die Abgasreinigung ausschaltete - seien ihm vor Bekanntwerden der Vorwürfe nicht bekannt gewesen. Er sei immer fest davon ausgegangen, dass alles im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben geschehe. Mit Blick auf das Jahr 2007, als er als Leiter des Produktmanagements zu VW kam, sagte Müller, in dieser Rolle habe man eher eine Vogelperspektive. "Ich glaube nicht, dass ich in die Tiefe der Aggregate abgetaucht bin." Mit Details sei er nicht befasst gewesen.
Winterkorn habe "wie ein Häufchen Elend" gewirkt
Seinen Vorgänger Martin Winterkorn nimmt Müller bei seiner Aussage in Schutz. Dieser sei in jenen Tagen, als herauskam, dass VW bei den Abgaswerten wohl über Jahre manipuliert hatte, "völlig irritiert" gewesen und habe eine schnelle Reaktion gefordert.
Ins Rollen kam die Sache am 18. September 2015 durch eine Mitteilung der US-Umweltbehörde EPA. Sie informierte über Manipulationen bei Abgastests von VW-Dieselautos in den USA. Müller, zu jenem Zeitpunkt Porsche-Chef, will erst anschließend richtig mit dem Thema konfrontiert worden sein. Er sei, so sagte Müller jetzt vor Gericht, überraschend Nachfolger Winterkorns als Konzernvorstand geworden und er habe nie daran gezweifelt, dass sich das Unternehmen an gesetzliche Vorgaben halte.
In der Konzernvorstandssitzung am 22. September herrschte nach den Worten Müllers "große Betroffenheit". Am Folgetag habe Winterkorn mit seinem Rücktritt die "politische Verantwortung" übernommen, so Müller. In einem Vieraugengespräch an diesem Tag habe er wie "ein Häufchen Elend" gewirkt. Winterkorn habe es sich einfach nicht vorstellen können, dass so etwas in diesem Unternehmen passiere. "Wenn der früher davon gewusst hätte, dann hätte er früher etwas dagegen unternommen", sagte Müller.
Das Verfahren läuft schon mehrere Jahre. Derzeit ist das Gericht mit der Vernehmung von mehr als 80 Zeugen befasst. Nach Ex-Konzernchef Herbert Diess und Matthias Müller steht von kommender Woche an Winterkorn auf der Zeugenliste.