Immobilienkonzerne:Wenn die Miete plötzlich steigt

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Firmen, die nicht nur Rohbauten erstellen, sind von dem Rückgang der Baugenehmigungen weniger betroffen. Zum Beispiel, wenn sie Dämmungen aufbringen. (Foto: imago stock&people)

Gedämmtes Dach, neue Heizung, größerer Balkon - klingt schön, kann für Mieter aber auch ziemlich teuer werden. Nun sagen Wohnkonzerne, wie sie Härtefälle schonen wollen.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Wenn derlei Schreiben in die Wohnung flattern, dann wissen manche Mieter nicht, was sie fühlen sollen: Freude darüber, dass der Eigentümer die alten Heizkörper und Fenster austauschen will? Oder Sorge davor, dass man die höhere Miete kaum noch zahlen könnte? Je nach finanzieller Lage kann eine Modernisierung das eine oder das andere hervorrufen.

Fünf große Immobilienfirmen haben mit dem Mieterbund nun Standards vereinbart, wie sie mit Härtefällen bei Sanierungen umgehen wollen. Darunter Deutschlands größter Vermieter Vonovia, LEG und Vivawest aus Nordrhein-Westfalen sowie Covivio und GWG aus Stuttgart. Ihnen gehören zusammengerechnet mehr als 650 000 Wohnungen in Deutschland.

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Die Unternehmen reagieren darauf, dass Härtefälle allzu oft Auslegungssache sind: Wer eine Wohnung saniert, darf acht Prozent der Modernisierungskosten auf die jährliche Miete aufschlagen. Diese Umlage gibt Vermietern einen Anreiz, Fassaden zu dämmen, Balkone zu vergrößern oder einen Aufzug einzubauen. Allerdings dürfen Sanierungen zu keinen Erhöhungen führen, die für Mieter eine ungerechtfertigte Härte bedeuten würden.

Doch genau das, sagt Bernhard von Grünberg, sei unklar: "Was ist eigentlich eine Härte?" Der Jurist ist Chef des Mieterbundes Bonn/Rhein-Sieg/Ahr. In Streitfällen hätten verschiedene Gerichte unterschiedlich geurteilt. Viele Mieter gäben ohnehin vorher auf, nähmen entweder hohe Preise in Kauf oder suchten eine andere Wohnung. "Ich weiß von vielen, die ausgezogen sind", sagt Grünberg.

Wem als Single weniger als 644 Euro im Monat bleiben, der kann auf Hilfe hoffen

Vonovia und die anderen Firmen verpflichten sich fortan, einen Leitfaden zu beachten, den sie ein gutes Jahr lang mit dem Mieterbund ausgehandelt haben. Er regelt etwa, wann es sich dem Einkommen nach um eine Härte handeln würde: wenn einem Haushalt nach Zahlung der Miete, der Nebenkosten, der Kranken- und Pflegeversicherung weniger als der "Regelbedarf" übrigbleibt, den der Paritätische Wohlfahrtsverband definiert. Dies sind derzeit beispielsweise 644 Euro monatlich für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person oder 318 Euro für jedes Kind unter sechs Jahren.

In solchen Fällen wollen die Unternehmen die Mieterhöhung nach Modernisierungen beschränken oder staffeln - oder den Mietern helfen, Wohngeld in Anspruch zu nehmen oder in eine andere Wohnung umzuziehen. "Wir wollen keine Mieter herausmodernisieren aus einer Wohnung", sagt LEG-Vorstand Volker Wiegel. "Was wir versuchen, ist: den Mieter im Quartier zu halten." Der Leitfaden regelt etwa auch, welche Unterlagen Mieter bei finanziellen Härten vorlegen sollten. Dies seien der jüngste Steuerbescheid, die jüngsten drei Einkommens- oder Rentennachweise sowie Belege der Kranken- und Pflegeversicherung.

Grünberg hofft, dass sich andere Vermieter anschließen werden. "Natürlich finden weitere Gespräche mit dem Verband der Wohnungswirtschaft statt", sagt der Mieterschützer. Nur hätte es vermutlich noch länger gedauert, auf eine bundesweite Einigung zu warten.

Klimaziele, Barrierefreiheit: Modernisierungen dürften künftig noch wichtiger werden

Alle Beteiligten gehen davon aus, dass Sanierungen an Bedeutung gewinnen dürften. Denn für die Klimaziele ist es wichtig, dass Eigentümer Fassaden dämmen oder Heizungen erneuern. Eine insgesamt alternde Gesellschaft braucht zudem barrierefreie Wohnungen, etwa mit Aufzug oder bodengleicher Dusche.

Freilich bezweifelt die Politik mehr und mehr, ob die Umlage noch das richtige Instrument für diesen Umbau ist. Im anstehenden Bundestagswahlkampf wirbt beispielsweise die Linke dafür, die Umlage abzuschaffen; stattdessen sollte der Staat energetisch sinnvolle Sanierungen mit zehn Milliarden Euro im Jahr fördern. Auch SPD und Grüne nennen die sogenannte Warmmieten-Neutralität als Ziel. Das bedeutet, dass die Miete nach einer Modernisierung nicht stärker steigen sollte, als der Haushalt an Heizkosten spart - etwa dank einer gedämmten Fassade.

Die beteiligten Unternehmen werben für eine pragmatische Politik: "Wir hängen nicht an der Umlage", sagt LEG-Vorstand Wiegel. Eigentümer bräuchten aber einen wirtschaftlichen Anreiz, ihre Bestände klimafreundlich umzubauen. Für Immobilienfirmen geht es letztlich auch um ein Geschäft: Vonovia, LEG und Vivawest haben alleine voriges Jahr jeweils dreistellige Millionenbeträge in die Modernisierung investiert. Denn je häufiger örtliche Mietspiegel oder die Mietpreisbremse höheren Preisen im Weg stehen, desto attraktiver werden Sanierungen tendenziell, damit die Unternehmen ihre Einnahmen und den Wert ihrer Immobilien steigern können - eine Praxis, die je nach Lage der Mieter auf sehr geteiltes Echo stößt.

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