Volkswagen-Skandal:Millionen VW-Diesel-Fahrer müssen Autos umrüsten lassen

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Blick auf das VW-Werk in Wolfsburg: In der Konzernzentrale scannen Prüfer Computerfestplatten, untersuchen E-Mails und werten Sitzungsprotokolle aus. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg hat dem Konzern ein Ultimatum bis zum 7. Oktober gesetzt, um einen Krisenplan einzureichen.
  • Bereits 2011 hatte sich ein Techniker an seinen Vorgesetzten in Wolfsburg gewandt, um auf die illegale Abgas-Software aufmerksam zu machen.
  • Auch Zulieferer Bosch soll bei VW darauf hingewiesen haben, dass ein Einsatz in der Technik in normalen, verkauften Fahrzeugen gesetzeswidrig sei.

Von Thomas Fromm, Max Hägler und Klaus Ott, München/Stuttgart

Der Skandal um manipulierte Abgasmessungen bei Dieselfahrzeugen erreicht die deutschen Autofahrer. Mehrere Millionen Inhaber von VW-Dieselautos müssen sich hierzulande in den nächsten Monaten auf eine Um- oder Nachrüstung ihrer Fahrzeuge einstellen. Die Aktion, die Volkswagen Hunderte Millionen Euro kosten könnte, soll so rasch wie möglich beginnen.

Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg hat dem Konzern ein Ultimatum bis zum 7. Oktober gesetzt. VW muss bis dahin erklären, ob der Konzern in der Lage sei, die Probleme an den Fahrzeugen zu beheben, und bis wann die Dieselmotoren umgerüstet werden könnten. "Dazu erwarten wir (. . .) die Vorlage eines verbindlichen Maßnahmen- und Zeitplans", schreibt das Bundesamt. Im schlimmsten Fall würde die Behörde die Zulassung entziehen: Dann dürften die Fahrzeuge nicht mehr verkauft und bewegt werden.

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Nach Angaben von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sind 2,8 Millionen Fahrzeuge in Deutschland von den Abgasmanipulationen betroffen. Dobrindt hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, die aus Experten seines Ministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamtes besteht. Nach Gesprächen am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche in der Konzernzentrale Wolfsburg, an denen unter anderem auch VW-Markenchef und Vorstand Herbert Diess teilnahm, folgte das Ultimatum. Diess hat bereits erklärt, man arbeite "mit Hochdruck an einer technischen Lösung, die wir so rasch wie möglich dem Handel, unseren Kunden und der Öffentlichkeit präsentieren werden".

Bereits vor vier Jahren hatte ein Techniker Hinweise

Aus mit diesen Vorgängen befassten Kreisen heißt es, die Kosten für die Umrüstung der betroffenen Autos seien, vorsichtig kalkuliert, auf 100 bis 200 Euro pro Fahrzeug zu schätzen. Das wären insgesamt mehrere Hundert Millionen Euro. Für die Um- oder Nachrüstung sei mindestens ein halbes Jahr zu veranschlagen. Zuvor müsse aber noch geprüft werden, ob das dann einen höheren CO₂-Ausstoß, also andere Umweltprobleme zur Folge habe. Und ob anschließend der Spritverbrauch steige, die Verbraucher also finanziell belastet werden würden. Volkswagen erklärte dazu auf Anfrage, man nehme zu solchen Spekulationen grundsätzlich keine Stellung. Volkswagen arbeite "mit ganzer Kraft an einer intensiven und schonungslosen Aufklärung". Dabei gelte: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit!"

Unterdessen kommen immer mehr Details der Affäre ans Tageslicht. Bereits 2011 hatte sich ein Techniker an seinen Vorgesetzten in Wolfsburg gewandt, um auf die illegale Software aufmerksam zu machen. Dies geht aus einem Prüfbericht der internen Revision hervor, der am Freitag den Aufsichtsräten vorgetragen wurde. Allerdings passierte daraufhin: nichts.

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Es dürften nicht die letzten Interna sein, die Prüfer herausfinden. Die Arbeit der internen Revision läuft auf Hochtouren, es werden Computerfestplatten gescannt, E-Mails untersucht, Sitzungsprotokolle ausgewertet. Mit an Bord: Prüfer der US-Kanzlei Jones Day. "Da es bei all dem auch um die Einhaltung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechte geht, ist dies nicht ganz so einfach", heißt es aus dem Umfeld des Aufsichtsrats. Bereits an diesem Mittwoch soll in Wolfsburg die nächste Präsidiumssitzung anstehen - dann dürften auch neue Erkenntnisse der Prüfer vorliegen.

"Es muss jetzt dringend mit Herrn Winterkorn gesprochen werden", heißt es aus dem Aufsichtsrat. Sollte sich ergeben, dass der Ex-VW-Chef frühzeitig von der Sache gewusst hat, müsse man "rechtliche Schritte prüfen". Davon werde auch abhängen, wie mit Boni und Zahlungen an den Manager, der im vergangenen Jahr 16 Millionen Euro verdient hat, umzugehen sei. Die Befragungen sollten in den kommenden ein bis zwei Wochen stattfinden.

Wie teuer der Skandal für Volkswagen wird, darüber spekulieren die Manager noch. Klar ist, dass die 6,5 Milliarden Euro, die VW für Rückrufe und Rechtsstreitigkeiten zurückgelegt hat, kaum ausreichen dürften. Bereits in diesen Tagen will sich nach SZ-Informationen Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh mit Konzernvorständen zusammensetzen. "Die Frage ist doch: Wie gehen wir mit diesen immensen Kosten um?", heißt es aus Betriebsratskreisen. In einem Brief an die Mitarbeiter schrieb Osterloh, man werde sich "darüber unterhalten müssen, wie wir unserem Effizienzprogramm einen Turbo verpassen, um die Milliardensummen, die wir jetzt verlieren werden, zu kompensieren".

Verwirrung gab es indes am Wochenende über die Rolle des Automobilzulieferers Bosch. Dieser hatte zunächst erklärt, Teile bei den in den USA betroffenen VW-Fahrzeugen zugeliefert zu haben, und zwar ausschließlich "Hardware".

Hat der Zulieferer wirklich nur die Geräte geliefert - oder auch die Software?

Das Steuergerät, also auch die Software, sei nicht mitverkauft worden. Andere Quellen zeigen jedoch, dass Bosch auch die Software lieferte - allerdings nur zu Testzwecken und nicht für den normalen Fahrbetrieb. Demnach soll Bosch bei VW darauf hingewiesen haben, dass ein Einsatz in normalen, verkauften Fahrzeugen gesetzeswidrig sei.

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Aus Kreisen um Bosch heißt es nun aber auch, dass bei den US-Fahrzeugen sehr wohl ein Teil der fraglichen Software mitgeliefert wurde - als Teil der Motorsteuerung. Offiziell ist der Konzern sehr zurückhaltend, will sich angesichts der Gerichtsprozesse, die vielleicht auch Bosch drohen, nicht äußern.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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