Volkswagen:Hat Winterkorn Anspruch auf Millionen-Boni?

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"Jeden Cent wert" sei Martin Winterkorn, hieß es bei Volkswagen lange Jahre - bis vor einer Woche. (Foto: dpa)
  • Ex-VW-Chef Martin Winterkorn war einer der bestbezahlten Manager im Land - vor allem wegen hoher leistungsabhängiger Boni.
  • Aus der Politik kommen nun erste Rufe, dass Winterkorn das Geld zurückzahlen müsse.
  • Der VW-Aufsichtsrat hält sich dagegen bedeckt - die Aufarbeitung der Abgas-Affäre steht noch ganz am Anfang.

Von Thomas Fromm,Cerstin Gammelin, Klaus Ott

Wie schnell sich die Zeiten ändern. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh gefragt, ob Martin Winterkorn, damals noch Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, nicht zu viel Geld verdiene. Antwort: "Martin Winterkorn ist jeden Cent wert." Jeden Cent? Oder müsste Winterkorn, einst einer der bestverdienenden deutschen Manager, jetzt nicht auf einiges verzichten? Der Volkswagen-Chef hatte im vergangenen Jahr 16 Millionen Euro kassiert. 1,6 Millionen Euro Festgehalt plus üppige Boni, also Zuschläge, für Winterkorns angeblich so erfolgreiches Wirken. Jetzt ist der Schwabe nur noch der Ex-Chef. Und seit Montag sogar Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Betruges.

Zugesagte Pension von 28 Millionen Euro

Winterkorns Vertrag bei Volkswagen läuft aber noch bis Ende 2016. Ihm steht in dieser Zeit Ruhegeld in Höhe von 70 Prozent des bisherigen Festgehaltes zu. Und die ihm laut Geschäftsbericht zugesagten Pensionszahlungen belaufen sich auf 28 Millionen Euro. Viel Geld für jemanden, unter dessen Führung der zeitweilig weltgrößte Autohersteller in die größte Krise der Konzerngeschichte geraten ist. Müsste VW da nicht sämtliche Zahlungen stoppen und Geld zurückfordern? Noch dazu, da ein großer Teil der Boni an ökologische Maßstäbe und Kundenzufriedenheit geknüpft war und ist? Alles Werte, die nun hinfällig erscheinen.

Geld zurück, das klingt einleuchtend. Renate Künast, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Vorsitzende des Rechtsausschusses im Parlament, spricht von "massivem Managementversagen" bei VW. Angesichts des systematischen und millionenfachen Abgasbetruges sei kein Raum für Boni. Unter Winterkorn sei Volkswagen nicht, wie angekündigt, zu einem ökologisch weltweit führenden Autokonzern geworden, sondern zu einem "globalen Öko-Dinosaurier". Künast sagt, der VW-Vorstand solle von sich aus seine Gehälter und Boni deutlich reduzieren. Ähnlich äußert sich auch der Parteivorsitzende der Linken, Bernd Riexinger. Die Vorstände müssten sämtliche Boni, die auf Umweltkriterien beruhten, an die Belegschaft ausschütten.

Langwierige Ermittlungen mit offenem Ausgang

Aus dem Aufsichtsrat von Volkswagen heißt es, zunächst müsse der Fall juristisch sauber aufgearbeitet werden. Erst dann könne man über die finanziellen Folgen für Winterkorn entscheiden. Und möglicherweise sogar Schadenersatz fordern für die Abgasaffäre, die VW viele Milliarden Euro kosten könnte. Der Aufsichtsrat agiert vorsichtig, aus gutem Grund. Dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig Winterkorn ein Aktenzeichen gegeben hat, ist für sich allein noch kein juristischer Anlass für finanzielle Konsequenzen. Die Ermittlungen stehen am Anfang, und für den Ex-Chef gilt die Unschuldsvermutung. Vor Führungskräften des Konzerns fasste der neue VW-Chef Matthias Müller am Montagabend die Stimmung so zusammen: "Das unfassbare Fehlverhalten bei Volkswagen, das in den letzten Tagen ans Licht gekommen ist, schmerzt und ärgert auch mich ungeheuer."

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Bei den Bankenverfahren der vergangenen Jahre hat das eine oder andere Geldinstitut bei dem einen oder anderen Ex-Manager zwar Zahlungen gestoppt. Aber erst, nachdem eigene Untersuchungen und behördliche Ermittlungen weit vorangeschritten waren und zahlreiche belastende Erkenntnisse vorlagen. Und selbst dann war der Zahlungsstopp juristisch nicht immer haltbar gewesen. Bis alles entschieden ist, kann es lange dauern. Zum Vergleich: Im Schmiergeldfall Siemens zahlte Ex-Konzernchef Heinrich von Pierer nach mehr als drei Jahren fünf Millionen Euro Schadenersatz.

Auf Konflikte mit Winterkorn, der sagt, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein, müssen sich auch die VW-Kontrolleure gefasst machen. Selbst wenn der eine oder andere von ihnen hoffen mag, der Ex-Chef werde vorläufig auf einen Teil der ihm laut Vertrag zustehenden Zahlungen verzichten. So etwas entspräche aber nicht Winterkorns Naturell, obwohl seine üppigen Boni nun mehr als fragwürdig wirken. Die Zuschläge waren auch daran gebunden, VW als ökologisch und ökonomisch weltweit führendes Unternehmen zu positionieren. Beide Ziele sind hinfällig. Volkswagen drohen Strafzahlungen und Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe. Wenn ein Konzern seine Manager an den Gewinnen teilhaben lasse, sagt Kerstin Andreae, Vizechefin der Grünen im Bundestag, dann müsse dem "zwingend auch eine Beteiligung an den Verlusten gegenüberstehen".

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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