Juristische Hilfe:VW holt sich die Furchteinflößer

Juristische Hilfe: Ein Volkswagen-Händler in Mailand

Ein Volkswagen-Händler in Mailand

(Foto: AP)
  • In der Abgas-Affäre droht Volkswagen Ärger von mehreren Seiten:
  • Geldbußen von der US-Umweltbehörde Epa von bis zu 18 Milliarden Dollar, strafrechtliche Ermittlungen des Justizministeriums und Sammelklagen von Kunden und anderen vermeintlich Geschädigten.
  • VW hat deshalb die Kanzlei Kirkland & Ellis in den USA beauftragt - die Anwälte haben Erfahrung mit spektulären Fällen.

Von Kathrin Werner, New York

Volkswagen hat sich eine der vier Fürchterlichen gesichert. Der Wolfsburger Konzern hat die Kanzlei Kirkland & Ellis in den USA mit der Verteidigung im Diesel-Manipulationsfall beauftragt - eine Kanzlei, die der Marktforscher BTI Consulting gerade erneut auf die Liste namens "Fearsome Foursome" gewählt hat. Das ist positiv gemeint: In einer Umfrage haben die Rechtsabteilungen von großen Unternehmen in den USA angegeben, dass es gut für sie sei, Anwälte anzuheuern, die besonders Furcht einflößend sind. "Mandanten sehen, dass ihre Gegner mehr Geld und Zeit investieren und ihre Strategien ändern, wenn sie einer der vier Fürchterlichen gegenüberstehen", schreibt BTI.

Weder VW noch die Kanzlei wollen die Zusammenarbeit kommentieren. Sicher aber ist, VW droht in den USA Ärger an mehreren Fronten: Geldbußen von der US-Umweltbehörde Epa von bis zu 18 Milliarden Dollar, strafrechtliche Ermittlungen des Justizministeriums und Sammelklagen von Kunden und anderen vermeintlich Geschädigten. Opferanwälte bringen sich schon in Position. Es sieht so aus, als könnte VW Furcht einflößende Anwälte auf der eigenen Seite gut gebrauchen.

Das Warnschreiben, das die amerikanische Umweltbehörde Epa vor gut einer Woche an die Volkswagen-Manager geschickt hat und das den Skandal öffentlich gemacht hat, ging in Kopie auch an den Kirkland-Anwalt Stuart Drake. Er ist seit 1984 bei Kirkland und der Spezialist für Verfahren der Epa und der kalifornischen Luftreinheitsbehörde - er arbeitet für diejenigen, die gegen Verschmutzungsvorschriften verstoßen haben sollen. Er hat schon General Motors und Toyota verteidigt.

Kirkland ist spezialisiert auf die ganz großen Wirtschaftsfälle. Anders als manch andere Anwaltsfirma, die sich eher auf Beratung und Verhandlungen in Hinterzimmern konzentriert, ist Kirkland Spezialist für Fälle, in denen richtig gestritten wird. Zu den gut 1600 Anwälten in zwölf Kirkland-Büros weltweit gehören die besten Prozessrechtler.

Zuletzt war die Kanzlei in den Schlagzeilen, weil sie den Ölkonzern BP in den Rechtsstreits nach der Ölpest im Golf von Mexiko verteidigt hat - einem der größten Fälle der vergangenen Jahrzehnte. Im November 2012 hat sich BP schuldig bekannt und vier Milliarden Dollar gezahlt, um die strafrechtlichen Ermittlungen zu beenden. Im Juli 2015 hat der Konzern sich bereit erklärt, die Rekordsumme von 18,7 Milliarden Dollar zu zahlen, um alle Forderungen der staatlichen und lokalen Behörden auf einmal loszuwerden. Man kann nicht gerade sagen, dass Kirkland den Fall für BP gewonnen hat - aber es hätte wohl noch schlimmer kommen können.

Die Anwälte zählen zu den besten - aber auch zu den teuersten

Kirkland wurde 1909 in Chicago gegründet. Bekannt wurde die Kanzlei zunächst durch die Verteidigung der Zeitung Chicago Tribune, Kirkland & Ellis galt als Kämpfer für die Meinungsfreiheit. In fast allen Rankings zählt die Kanzlei heute zu den zehn besten der USA. Und sie verdient sehr viel Geld: Laut dem Magazin National Law Journal ist sie nach Zahl der Anwälte die Nummer 15 der USA. Das Fachblatt The American Lawyer hat ermittelt, dass sie nach Umsatz aber die fünftgrößte ist. 2014 erzielte sie Umsätze von 2,2 Milliarden Dollar und pro Partner 3,5 Millionen Dollar Gewinn. Auch im VW-Fall dürften satte Honorare warten. "Anwälte lecken sich die Lippen, seit der VW-Emissionstrickserei-Skandal öffentlich wurde", schreibt The American Lawyer.

Es ist nicht leicht, bei Kirkland zu arbeiten - auch nicht in dem einzigen deutschen Büro in München, das Anfang 2005 eröffnete. Laut der auf Juristen spezialisierten Karriere-Website Vault gibt es ein paar Begriffe, die die Anwaltsfirma gut beschreiben: "ehrgeizig", "halsabschneiderisch" und "Fabrik". Kirkland zählt zu den Kanzleien, die die besten Juristen direkt von den Law Schools abwerben. Sie bekommen Gehälter und Boni, die sie sich kaum vorstellen konnten, müssen dafür aber äußerst viel arbeiten. Nachtschichten und Wochenendeinsätze sind Alltag; wer Urlaub nimmt, gilt als schwach. Die meisten halten das nur ein paar Jahre aus.

Zu den Mandanten von Kirkland zählen unter anderem die Bank of America, Blackstone, Cisco, Facebook, Pfizer, Samsung, Siemens oder United Airlines. Kürzlich hat die Kanzlei auch bei der Fusion des Ketchup-Konzerns Heinz mit dem Lebensmittelriesen Kraft Foods beraten, hinter der die Private-Equity-Firma 3G Capital und der Investor Warren Buffett stecken.

Auch mit der Autobranche kennen sich die Anwälte aus. Die Kanzlei verteidigt General Motors in etwa 50 Sammelklagen, die nach dem Skandal um die fehlerhaften Zündschlösser eingegangen sind. Der ehemalige Chefjustiziar von General Motors, Thomas Gottschalk, war vor seiner Zeit bei dem Autobauer in Detroit mehr als 20 Jahre Kirkland-Anwalt und ist nach GM wieder zu Kirkland zurückgekehrt. Auf den Kampfesgeist der vier Fürchterlichen könne man sich jedenfalls verlassen, schreibt BTI Consulting: "Die Fearsome Foursome stecken jedes bisschen ihrer Herzen, Seelen und psychischen Kräfte in die jeweiligen Fälle."

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