Batteriefabrik:Hier will Volkswagen Elon Musk einholen

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Alle waren da, beim Baustart der eigenen Batteriezellenfabrik, sogar Kanzler Olaf Scholz. Und mitten drin natürlich: Herbert Diess (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Lange haben deutsche Autobauer nicht eingesehen, warum sie Batterien für E-Autos selbst herstellen sollen. Nun baut VW in Salzgitter die erste eigene Fabrik. Und hat es ziemlich eilig.

Von Saskia Aleythe, Salzgitter

Draußen ist Acker, drinnen leuchtet Discolicht. Draußen ist noch nicht viel passiert, da liegt nur viel aufgewühlte Erde vor den Augen von Olaf Scholz. Der Bundeskanzler wurde eingeladen, denn drinnen in der riesigen Halle am Werk in Salzgitter, da feiern sie diesen Tag bei Volkswagen mit großer Bühne. An den 7. Juli 2022 soll man sich noch erinnern: Jetzt startet er wirklich, der Bau ihrer ersten Batteriezellfabrik. Sie soll ein Vorbild sein für andere Fabriken in Europa, die sie noch errichten wollen; auf dass man später mal in Spanien oder vielleicht auch in Tschechien steht und sich denkt: "Mensch, hier sieht's ja aus wie in Salzgitter."

Salzgitter goes Europe. Tatsächlich kann man in der Stadt in Niedersachsen beobachten, wie der größte Autobauer nun den nötigen Wandel vollzieht: Nebenan werden noch Verbrennermotoren zusammenmontiert, über 63 Millionen waren es in den vergangenen fünfzig Jahren. Eine mächtige Zahl. Doch nun, wo die klimaschädlichen Abgas-Autos dem Ende entgegenblicken, muss der Schritt in die Zukunft gegangen werden. Und in dieser ist die Batterie das Herzstück, das teuerste Teil. Die späte Erkenntnis: Das Herzstück überlässt man lieber nicht anderen.

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"Wir machen Ernst", sagt Technikvorstand Thomas Schmall, "Salzgitter wird das Role Model für die Transformation." Deswegen trägt das Werk, rund 60 Kilometer vom Hauptsitz Wolfsburg entfernt, jetzt auch einen Namen, den man sich einprägen soll, das geschieht ohnehin unfreiwillig: "Salzgiga". Eine Anspielung auf Teslas Gigafactory. Der Rivale ist in Sachen E-Mobilität weit voraus, auch weil man sich bei VW wie bei allen deutschen Autobauern lange nicht vorstellen konnte, selbst in die Batterieproduktion einzusteigen. Eine eigene Zellfabrik auf die Beine zu stellen, sei "Blödsinn", hatte noch 2016 Matthias Müller, der damalige Konzernchef gesagt, "das machen wir sicherlich nicht". Man scheute die Kosten, zumal die Zellen aus Asien günstig zu beschaffen waren. Und nun, sechs Jahre, eine Pandemie und einen Krieg später: Da hat Volkswagen mit Powerco eine eigene Batterie-Gesellschaft gegründet, die bis 2030 gemeinsam mit Partnerfirmen 20 Milliarden Euro in das Geschäftsfeld stecken will.

VW holt sich Know-how aus Asien

"Spätestens die Corona-Pandemie und auch Russlands brutaler Angriff auf die Ukraine machen klar: die Abhängigkeit von globalen Lieferketten bedeutet auf manchen strategischen Feldern großes Risiko. Ein zu großes Risiko", sagt Scholz im Kegel der Discolichter. Störungen in den besagten Lieferketten hatten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Produktionsproblemen geführt, das soll beim E-Auto nicht noch mal passieren. Asien ist Vorreiter, was die Zellproduktion angeht, deswegen holt man sich das Know-how auch direkt von dort. Der chinesische Zellhersteller Gotion dient als Technologiepartner.

Um jetzt richtig Tempo reinzubringen in die Produktion, konzentriert man sich auf die Entwicklung einer "Einheitszelle", die in über 80 Prozent der unterschiedlichen Autotypen eingebaut werden kann. Komplexität einsparen ist angesagt, genauso wie bei der Entwicklung der "Standard-Fabrik" in Salzgitter, Aufholen durch Vereinfachen. 20 000 Arbeitsplätze an sechs Standorten in Europa sollen entstehen, bis zu 500 000 E-Batterien sollen künftig das Werk in Salzgitter verlassen, pro Jahr. Ein historischer Tag für Salzgitter, VW und Deutschland sei dieser 7. Juli, sagt Vorstandschef Herbert Diess auf der Bühne.

Mitarbeiter verfolgen in Salzgitter die Eröffnungszeremonie: Die Produktion in Salzgitter soll 2025 starten, 5000 Arbeitsplätze sollen entstehen. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Tausende Mitarbeiter sind in die Halle gekommen, um Teil der Party zu sein und um den Kanzler zu sehen. Auf großen Leinwänden verfolgen sie, wie Scholz über die Baustelle geführt wird. Die richtige Mischung für eine Batterie auszutüfteln müsse man sich vorstellen wie Kochen, sagt Silvia-Luna Yzaguirre Sánchez, die Leiterin der Batteriezellentwicklung. Eine Batterie sei "wie eine Lasagne. Jede Schicht hat unterschiedliche Materialien und Eigenschaften. Wir gucken bei jeder Schicht, wie wir sie verbessern können". Das passiert in vielen Laboren, die auch Scholz besuchen darf. Er guckt durch eine Fensterscheibe in einen Raum, in dem ein Mann im Schutzanzug steht und ihm eine Komponente entgegenstreckt. "Hier herrschen Bedingungen, die trockener sind als in der Sahara", erklärt ihm eine Mitarbeiterin, Trocknungsprozesse spielen beim Bau eine Rolle. Scholz nickt beharrlich. "Die Technik, die wir einsetzen, kommt aus der Gelddruckerei", sagt Herbert Diess und freut sich über seinen Vergleich. Schließlich soll ihre Lasagne ja auch mal ordentlich rentabel sein.

Die Produktion in Salzgitter soll 2025 starten, 5000 Arbeitsplätze sollen entstehen. 6500 Menschen arbeiten gerade noch in der alten Welt nebenan. Alles ist im Wandel, auch über Salzgitter hinaus: Im schwedischen Skelleftea baut VW schon mit Northvolt zusammen eine Fabrik, Valencia in Spanien soll folgen. Für drei zusätzliche Standorte sondiert VW gerade den Markt, als wahrscheinlich gilt ein Werk in Osteuropa, andere Länder locken mit hohen Subventionen. Die zwei Milliarden Euro für den Standort in Salzgitter stemme man alleine, sagt Technik-Chef Schmall. Man will jetzt keine Zeit mehr verlieren.

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