Versicherungskammer Bayern:Flaute bei Lebensversicherungen

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In Bayern ist die VKB Marktführer und größer als die Allianz. (Foto: Florian Peljak)

Die Versicherungskammer Bayern wächst eigentlich ständig - das war zumindest bisher so. Doch nun wählen Sparer lieber kurzfristige Anlageformen und weniger Lebensversicherungen.

Von Herbert Fromme und Okan Mese, Köln

Jahrelang ging es vor allem aufwärts für die Versicherungskammer Bayern (VKB). Die Gesellschaft mit dem altmodischen Namen war einst staatlich und gehört heute zum Sparkassenlager. Doch 2022 musste das Management einen spürbaren Rückschlag hinnehmen: Statt 9,3 Milliarden Euro wie im Jahr 2021 konnte die Gruppe nur noch 8,9 Milliarden Euro an Beitragseinnahmen verbuchen, ein deutlicher Rückgang um vier Prozent.

"Wir haben nicht die Erfolge erzielt, die wir uns für 2022 vorgenommen hatten", sagt Konzernchef Frank Walthes. "Wir müssen erkennen, dass es eine Verunsicherung bei den Kunden gibt, was ihre Zukunftsperspektive angeht."

Die Folge: Sparer wählen eher kurzfristige Anlageformen bei Banken und Sparkassen und weniger Lebensversicherungen. Im Jahr 2021 buchte die VKB 3,5 Milliarden Euro an Beiträgen in der Lebensversicherung. 2022 flossen nur noch 2,9 Milliarden Euro in die Kassen der verschiedenen VKB-Lebensversicherer.

Das veränderte Kundenverhalten ist die eine Seite, die andere aber das Verhalten der Sparkassen und Banken, mit denen die VKB eng zusammenarbeitet. Liefern die Banken weniger Geschäft, weil sie die Gelder bei steigenden Zinsen lieber im eigenen Haus behalten? "Das ist eine Kombination aus Angebot und Nachfrage", sagt Walthes diplomatisch. Seine Chefs sind die Sparkassengranden in Bayern. Von Dissonanzen will er nichts wissen. "In unsicheren Zeiten entscheiden sich viele Kunden für das Abwarten, sie parken ihr Geld."

Vorschläge der Branche zur Altersvorsorge werden von der Politik nicht wahrgenommen

Stattdessen macht er der Bundesregierung Vorwürfe wegen ihrer Haltung zur privaten Altersvorsorge. "Die Ampelkoalition hat genau die richtigen Zukunftsthemen erkannt und adressiert, aber aus unserer Sicht macht sie es schlecht." Die Altersvorsorge sei gerade wegen der Alterung der Gesellschaft ein wichtiges Zukunftsproblem, das dringend entschärft werden müsse. Die Versicherungsbranche habe Angebote und Lösungen, werde aber von der Politik nicht wahrgenommen.

Zu der Diskussion über ein mögliches Verbot von Provisionen für Lebensversicherungen, die in Brüssel geführt wird, sagt Walthes: "Wenn man in einem Markt, in dem man seit mehr als 70 Jahren Provisionen für die Beratung kennt, das plötzlich abschafft, wird das zu einer drastischen Reduzierung der Reichweite führen." Dann gebe es weniger Beratung oder gar keine mehr. "Die Frage ist doch, ob es günstiger ist für den Kunden, wenn er ein Honorar für die Beratung zahlt", sagt er. Allerdings, fügt er hinzu, würde die VKB auch eine Umstellung auf die Honorarberatung problemlos meistern können.

Aktuell trifft die Inflation auch die Versicherer. "Das war jahrzehntelang kein Thema", sagt Vorstandsmitglied Andreas Kolb. "Keiner kann damit umgehen." Doch die Kunden blieben vernünftig: Mehr Kündigungen von Lebensversicherungen kann die Gesellschaft nicht feststellen.

Die Debatte über die Inflation werde überhitzt geführt, glaubt Kolb. So müsse die Gruppe bislang ihre Schadenreserven in der Kfz-Versicherung für langfristige Ansprüche zum Beispiel von Unfallopfern nicht erhöhen. "Die Reservierungen sind bei uns ja zu einem Großteil Personenschäden", sagt er. "Die sind schon immer in einer Art Hyperinflation in Bezug auf medizinische Versorgung und Pflege." Neu sei allerdings der starke Aufwärtstrend bei den Reparaturkosten für Autos. Hier wirken sich steigende Preise für Ersatzteile aus. Die Gruppe hat zwei private Krankenversicherer mit zusammen 2,9 Milliarden Euro Prämieneinnahmen. Auch im Gesundheitswesen steigen die Preise schon länger. "Wir sind das gewöhnt", sagt Walthes.

In Bayern ist die VKB größer als die Allianz

Ursprünglich war die VKB fast ausschließlich in Bayern und der Pfalz aktiv. Nach dem Regionalprinzip der Sparkassen und der zu ihnen gehörenden öffentlich-rechtlichen Versicherer wie VKB, Provinzial, Sparkassenversicherung oder VGH darf keiner von ihnen Geschäft im Gebiet des anderen annehmen.

Nach den Übernahmen anderer öffentlich-rechtlicher Versicherer arbeitet der Konzern VKB auch in Berlin, Brandenburg und dem Saarland. In der privaten Krankenversicherung ist er bundesweit tätig, in Abstimmung mit den anderen öffentlich-rechtlichen Gesellschaften.

In Bayern ist die VKB Marktführer und größer als die Allianz. In der Gebäudeversicherung liegt der Marktanteil des einstigen Monopolversicherers immer noch bei rund 80 Prozent, im Neugeschäft bei 70 Prozent.

Die Klimaziele spielen eine große Rolle für den Versicherer. 2050 sollen alle Kapitalanlagen klimaneutral sein, 2023 will die VKB die Detailziele festlegen. Im eigenen Betrieb will er CO2-Emissionen weiter verringern. Das Homeoffice und die Job-Tickets wirkten sich aus. Inzwischen geht der Konzern daran, seinen Bürobestand drastisch zu reduzieren.

Im Sparkassenlager gab es eine Fusion - folgen die öffentlich-rechtlichen Gruppen?

2023 will Walthes wieder über neun Milliarden Euro Prämie kommen, bis 2028 sollen es um die zehn Milliarden Euro sein. Im Sparkassenlager haben in den vergangenen Jahren die beiden Provinzial-Gesellschaften fusioniert. Seit Jahren wird über einen ähnlichen Schritt der öffentlich-rechtlichen Gruppen in München und Stuttgart spekuliert, dort sitzt die SV Sparkassenversicherung mit 3,6 Milliarden Euro Jahresumsatz.

Die VKB spreche mit vielen Partnern, nicht nur in Stuttgart, sagt Walthes dazu. "Aber das ist schließlich eine Sache unserer Eigentümer." Im kommenden Jahr wird es einen neuen bayerischen Sparkassenpräsidenten geben. Amtsinhaber Ulrich Reuter rückt an die Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.

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