Familienunternehmen:Habeck will Viessmann-Verkauf in die USA prüfen

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Eine Fabrik des Heizungsherstellers Viessmann in Allendorf (Eder). (Foto: FABIAN BIMMER/REUTERS)

Der hessische Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Heiz- und Klimatechniksparte für zwölf Milliarden Euro an den US-Konkurrenten Carrier Global.

Das hessische Familienunternehmen Viessmann wird größtenteils für zwölf Milliarden Euro in die USA verkauft. Die Gründerfamilie trennt sich damit vom Kerngeschäft ihres 106 Jahre alten Unternehmens, dem eine Schlüsselrolle bei der von der Bundesregierung forcierten Umstellung auf Wärmepumpen zum Heizen von Wohnungen zukommt. Der Klimaanlagen-Hersteller Carrier Global aus dem US-Bundesstaat Florida übernimmt die dominierende Heiz- und Klimatechnik-Sparte von Viessmann, wie die Unternehmen am Dienstagabend mitteilten.

Die Gründerfamilie erhält 80 Prozent des Kaufpreises in bar und 20 Prozent in Form von Carrier-Aktien. Viessmann-Chef Max Viessmann zieht in den Verwaltungsrat von Carrier ein. "Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten", sagte er. Mit dem Verkauf entstehe ein "zukunftssicherer globaler Klima-Champion". Carrier-Chef David Gitlin sprach von einer "spielverändernden Gelegenheit".

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In der Viessmann-Sparte Climate Solutions arbeiten 11 000 der 14 500 Mitarbeiter des Traditionskonzerns aus Allendorf (Eder). An sie will die Familie 106 Millionen Euro als Sonderbonus ausschütten - "für 106 Erfolgsjahre". Die Sparte erwartet im laufenden Jahr einen Umsatz von vier Milliarden Euro und einen operativen Gewinn (Ebitda) von rund 700 Millionen.

Das 1917 aus einer Schlosserei im oberfränkischen Hof gegründete Unternehmen ist neben Bosch (Buderus) und Vaillant einer der größten Heiztechnik-Hersteller in Deutschland. Die Sparte steht für 85 Prozent der Umsätze. Das Kühltechnik-Geschäft für Supermärkte oder Krankenhäuser bleibt in den Händen der Familie.

Der Verkauf sorgt für Diskussionen - nicht nur wegen des Streits um den Heizungsaustausch

Carrier Global, bis 2020 ein Teil des US-Mischkonzerns United Technologies, will mit der Übernahme vor allem in Europa stärker werden. Bisher kommen rund 60 Prozent der Umsätze aus Nord- und Südamerika, nur knapp ein Viertel aus Europa. Der Wärmepumpen-Markt in Europa werde sich bis 2027 auf 15 Milliarden Euro verdreifachen, erklärte Carrier. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält Wärmepumpen für die Wärmequelle der Zukunft, wenn die Energiewende nach seinen Vorstellungen das Aus für Gas- und Öl-Heizungen bringen soll. Vom kommenden Jahr an soll der Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen forciert werden. Die Umsetzung ist aber in der Ampelkoalition umstritten.

Der Verkauf von Viessmann hatte bereits vor der offiziellen Bekanntgabe für politische Diskussionen gesorgt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, Habeck müsse genau analysieren, warum das Unternehmen verkauft werde. Es dürfe keine Fixierung nur auf eine Technologie geben. Man müsse dabei auch an die Anpassungsfähigkeit der Firmen denken. Sie müssten bei der Gesetzgebung mitkommen. "Denn ein Gesetz ist schneller geändert als eine Produktionsstraße", so Lindner. Habeck kündigte am Mittwoch an, den Verkauf der Heiztechnik-Sparte von Viessmann genau unter die Lupe zu nehmen: "Wir sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient."

Die Amerikaner geben Viessmann bei dem Verkauf auch langfristige Garantien: Betriebsbedingte Kündigungen sind für drei Jahre ausgeschlossen, Allendorf bleibt für mindestens zehn Jahre Sitz des Unternehmens, die wichtigsten Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte sind für fünf Jahre sicher. Carrier kommt damit auch politischen Forderungen nach: "Wichtig ist, dass durch das Investment der Standort Deutschland erhalten bleibt", sagte die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz.

In Regierungskreisen hieß es, der Bund werde darauf achten, dass die Energiepolitik und die Gewinne daraus Deutschland zugutekämen. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagt, die Fehler beim Aufbau der Solarindustrie dürften sich nicht wiederholen. Sie war größtenteils nach China abgewandert, als die Subventionen in Deutschland wegfielen.

Viessmann hatte wegen der rasant steigenden Nachfrage seit Monaten versucht, neues Geld für den Hochlauf der Wärmepumpen-Produktion aufzubringen - etwa eine Milliarde Euro, für die unter anderem ein Werk in Polen gebaut werden soll. "Zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten müssen zusätzlich finanziert werden", hatte das Unternehmen im Februar erklärt. Das Vermögen von Max Viessmann und seinem Vater, Verwaltungsratschef Martin Viessmann wurde vom Manager-Magazin zuletzt auf mehr als vier Milliarden Euro geschätzt.

Mit dem Verkaufserlös will Max Viessmann nun das verbleibende Geschäft stärken, in dem der Konzern mit 400 Mitarbeitern rund eine Milliarde Euro umsetzt. Der Umsatz solle sich bis zum Ende des Jahrzehnts vervierfachen. Die Familie hat sich Technologie zur CO₂-Vermeidung, CO₂-Reduzierung und CO₂-Speicherung jenseits des Wärmesektors auf die Fahnen geschrieben, um den Klimawandel zu bremsen. "Diesem Ziel folgend werden wir den nächsten Generationen ein Familienunternehmen übergeben, das stärker, breiter und vielfältiger sein wird als je zuvor", so Viessmann.

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