Arbeitswelt:Die meisten Deutschen wünschen sich eine Vier-Tage-Woche

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Bis der Dachstuhl steht, vergehen Jahre des Sparens. In dieser Zeit darf die Bausparkasse keine Kontogebühren nehmen. (Foto: imago stock&people)

Das belgische Modell gefällt Bundesbürgern. Deutsche Gewerkschaften setzen sich für kürzere Arbeitszeiten ein, stoßen aber auf Widerstand

Von Alexander Hagelüken

Die belgische Vier-Tage-Woche stößt bei Deutschen auf großes Interesse. 71 Prozent der Bundesbürger sähen es gern, wenn deutsche Beschäftigte nur vier Tage die Woche arbeiten müssten, so eine Forsa-Umfrage. Für die Unternehmen würde dies Umstellungen bedeuten. Wenn deutsche Gewerkschaften die Arbeitszeit verkürzen wollen, begegnen sie Widerstand.

Die belgische Regierung einigte sich vergangene Woche auf eine Vier-Tage-Woche. Dabei bleibt die Gesamt-Arbeitszeit gleich, anders als bei vielen Vorschlägen in Deutschland. Arbeitnehmer können sich aber entscheiden, ihren Job an vier Tagen zu erledigen, um einen freien Tag mehr zu haben. Wer eine 40-Stunden-Stelle hat, kann etwa montags bis donnerstags zehn Stunden in die Firma gehen und hat freitags frei. "Es geht darum, Arbeitnehmern mehr Flexibilität und Freiheit zu geben", sagt Premierminister Alexander De Croo. Beschäftigte sollen Arbeit und Privatleben besser vereinbaren können.

Eine große Mehrheit der Deutschen findet das belgische Modell laut Forsa-Umfrage gut. Besonders viel Anklang findet es bei Beschäftigten mit höherem Bildungsabschluss - und bei 30- bis 44-jährigen Arbeitnehmern. In diesem Lebensalter ziehen viele Beschäftigte Kinder auf. Seit immer häufiger Mütter und Väter einem Beruf nachgehen, wird es für Eltern noch anspruchsvoller, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu kriegen.

Eine Vier-Tage-Woche könnte dabei helfen. Allerdings schafft es neue Probleme, wenn zum Beispiel wie beim belgischen Modell arbeitende Eltern an den vier verbleibenden Tagen mehrere Stunden länger in der Firma sein müssten als bisher. Die Frage ist auch, wie anstrengend regelmäßige Zehn-Stunden-Tage für Beschäftigte sind. In Deutschland werden bisher etwa von Gewerkschaften meist Modelle vorangetrieben, in denen bei weniger Arbeitstagen die Arbeitszeit insgesamt reduziert wird.

"Die Umfrage zeigt, dass eine Vier-Tage-Woche für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv ist", sagt Thorben Albrecht, Leiter Politik im Vorstand der IG Metall, der Süddeutschen Zeitung. "Besonders in persönlichen und betrieblichen Umbruchsituationen kann dieses Modell sehr sinnvoll sein. Allerdings sollte es, anders als in Belgien, mit einer Arbeitszeitverkürzung verbunden werden, um überlange Tagesarbeitszeiten zu verhindern."

Eine Streitfrage: Um wie viel sinkt der Lohn?

Befürworter der Vier-Tage-Woche verweisen gerne auf einen isländischen Feldversuch, bei dem von 2015 bis 2019 tausende Beschäftigte statt 40 Stunden nur 35 oder 36 arbeiteten - bei gleichem Lohn. Dies habe die Beschäftigten glücklicher gemacht, ohne Verluste an Produktivität. Nach dem Feldversuch verhandelten die Gewerkschaften, so dass inzwischen die meisten Isländer Anspruch auf kürzere Arbeitszeiten haben.

Unternehmen verlangt eine Vier-Tage-Woche einiges ab. Sie müssen die Beschäftigten so organisieren, dass es etwa am fünften Wochentag Ersatz gibt - oder die Bänder in der Fabrik kontinuierlich laufen. Als größter Streitpunkt hat sich die Frage erwiesen, ob Beschäftigte bei weniger Arbeitszeit proportional weniger Lohn bekommen. Das können sich viele nicht leisten. Also fordern die Gewerkschaften meist einen Lohnausgleich. Die Unternehmen wollen aber selten genauso viel Geld für weniger Arbeit zahlen.

Die IG Metall kämpft seit langem für kürzere Arbeitszeiten für die aktuell vier Millionen Beschäftigten der größten deutschen Industriebranche. In der Tarifrunde 2021 machte sie die Vier-Tage-Woche zum großen Thema. Dabei ging es nicht nur um Freizeit, sondern auch um die Rettung von Jobs. Firmen sollen im Umbruch zu Dekarbonisierung und Digitalisierung weniger arbeiten lassen, um Entlassungen zu verhindern. Die Arbeitgeber lehnten die Idee gerade wegen des geforderten Lohnausgleichs ab. Sie nannten sie "totales Gift" und "gefährlich für die Industrie".

Am Ende wurde eine Vier-Tage-Woche als Option für Betriebe vereinbart. Dabei kann eine tarifliche Sonderzahlung verwendet werden, so dass Beschäftigte 32 statt 35 Stunden die Woche arbeiten, aber für 34 bezahlt werden. "Wir wollen dieses Instrument noch stärker in den Firmen durchsetzen", kündigt Metall-Politikchef Albrecht an.

Abseits tariflicher Modelle gibt es Einzelfirmen wie Meier Bauelemente in der Oberpfalz, die 2019 eine Vier-Tage-Woche einführten. Die Mitarbeiter sind dadurch erholter, gab Firmen-Chef Christoph Meier 2021 zu Protokoll. Es gebe kaum noch Krankentage. Die Umstellung sei problemlos gewesen und ohne Nachteile: "Die Baustelle für den Kunden muss niemals ruhen."

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