Verkehr:Unterschätzte Unfallgefahr: Biker halten besser mehr Abstand

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Berlin (dpa/tmn) - Sie kommen flott von hinten angerauscht, fahren zu dicht auf - und dann kracht es: Motorradfahrer verursachen nach neuesten Erkenntnissen der Unfallforschung überraschend oft Auffahrunfälle. Ein Grund: Biker überschätzen ihr Reaktionsfähigkeit.

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Berlin (dpa/tmn) - Sie kommen flott von hinten angerauscht, fahren zu dicht auf - und dann kracht es: Motorradfahrer verursachen nach neuesten Erkenntnissen der Unfallforschung überraschend oft Auffahrunfälle. Ein Grund: Biker überschätzen ihr Reaktionsfähigkeit.

Von einem Autofahrer übersehen, mit zu hohem Tempo aus der Kurve geflogen: Diese typischen Ursachen für Motorradunfälle sind bekannt. Aber Auffahrunfälle? Die ereignen sich nach neuesten Ergebnissen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) häufiger, als mancher vermutet: „Fast jeder zweite von Motorradfahrern selbst verursachte Crash ist ein sogenannter Unfall im Längsverkehr und typischerweise ein Auffahrunfall“, berichtet der UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Für eine neue Studie haben die Unfallforscher rund 200 schwere Motorradunfälle im Detail untersucht.

Wie kommt es zu den Auffahrunfällen?

Brockmann: Zu geringer Sicherheitsabstand spielt eine entscheidende Rolle: Ein Motorradfahrer will ein Auto überholen, fährt vor dem Manöver dicht auf und ist sich dabei nicht im Klaren, dass er kaum reagieren kann, wenn der Wagen vor ihm unvermittelt bremst. Ein Ausweichmanöver zum Beispiel ist viel schwieriger als mit dem Auto: Wo der Autofahrer nur am Lenkrad drehen muss, ist auf einem Zweirad ganzer Körpereinsatz notwendig, um die Maschine vom Kollisionskurs abzubringen. Und dann passiert auch schon der Auffahrunfall.

Wie können sich Biker davor schützen?

Brockmann: Indem sie sehr defensiv fahren und so viel Abstand halten, dass sie genügend Raum zum Reagieren haben. Die Faustregel „Halber Tachowert in Metern“ für den Sicherheitsabstand ist zwar ein guter Richtwert für Autofahrer, für Motorradfahrer ist das aber eher zu wenig. Sie gehen lieber noch weiter auf Distanz zu Vorausfahrenden und verringern so ihr Unfallrisiko. Sehr gefährlich ist es auch, sich einem Auto von hinten mit hoher Geschwindigkeit zu nähern. Denn wenn der Autofahrer genau in diesem Moment bremst, hat der Motorradfahrer kaum eine Chance, einen Unfall zu verhindern.

Wäre ein Fahrerassistenzsystem zur automatischen Abstandesregelung sinnvoll, wie man es von modernen Autos kennt?

Brockmann: Ein ähnliches System mit Abstandsradar ist auf jeden Fall wünschenswert und auch technisch vorstellbar. Beim Motorrad dürfte es zwar nicht automatisch abbremsen, wenn der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug zu knapp wird, denn das könnte die Fahrstabilität beeinträchtigen. Aber denkbar wäre, dass der Fahrer einen Widerstand im Gasgriff spürt, bevor es gefährlich eng wird. Das ist noch Zukunftsmusik - im Gegensatz zu ABS-Bremsen: Darauf sollte heute kein Motorradfahrer mehr verzichten, der sich eine neue Maschine zulegt.

Wie ernst nehmen es Motorradfahrer in Deutschland mit der Schutzkleidung?

Brockmann: Einen Helm trägt so gut wie jeder, und die meisten ziehen auch eine Schutzjacke an. Die Schutzhose ist leider nicht ganz so verbreitet: Bei den Unfällen, die wir für unsere Studie herangezogen haben, trug nur ein Drittel der Verunglückten eine spezielle Motorradhose und auch nur die Hälfte spezielle Schuhe. Eine komplette Schutzmontur kann zwar auch nicht jede Verletzung verhindern. Sie mindert aber oft deren Schwere und senkt zum Beispiel das Risiko von Schürfwunden, die nur sehr langsam abheilen und obendrein zu schweren Komplikationen wie einer Blutvergiftung führen können.

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