Angriff ist oft die beste Verteidigung. Schon seit Tagen setzen sich die Internet-Vergleichsportale Verivox und Check 24 an die Spitze der Aufklärer. Beide informieren gründlich über die Insolvenz des bayerischen Billigstromanbieters BEV. Akribisch führen sie auf, wie Geschädigte ihre Rechte geltend machen können. Mehr als 500 000 Kunden hatte BEV zuletzt. Viele haben nun Scherereien. Statt mit einem vermeintlich seriösen Discounter haben sie es nun mit ihrem örtlichen "Grundversorger" zu tun, der deutlich mehr Geld für Strom und Gas verlangt.
Kein Wunder, dass eine bundesweite Debatte Fahrt aufnimmt: Inwieweit sind Internet-Vergleichsportale wie Check 24 oder Verivox durch unlautere Praktiken mitverantwortlich für derart wackelige Geschäftsmodelle? Befeuern sie das Treiben windiger Anbieter, bis diese sich übernehmen? Vor allem aber: Was muss geschehen, damit selbsternannte Aufklärer ihre manchmal dubiosen und oft undurchsichtigen Praktiken abstellen oder zumindest für Transparenz sorgen?
Insolvente Fluggesellschaft:Pleite von Germania hat bittere Auswirkungen
Nicht nur die Passagiere und Gläubiger der Fluggesellschaft haben nun das Nachsehen, sondern auch zahlreiche Flughäfen, für die Germania wichtig geworden ist.
Deutschlands Verbraucherschützer wollen - nach Debakeln bei Teldafax, Flexstrom und BEV - Taten sehen. Die Bundesregierung "muss die Verantwortung der Plattformen gegenüber Verbrauchern und Anbietern umfassend definieren", sagt Klaus Müller, Vorstand beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Er dringt darauf, "eine spezielle Haftung für Internet-Vergleichsportale" einzuführen. Drei Punkte bedürfen nach Ansicht des VZBV eilig einer Klarstellung. Erstens: Welche Informationspflichten haben die Portale? Zweitens: Wie kam ihr Ranking zustande, also die Reihenfolge, in der sie Produkte und Dienstleistungen empfehlen? Und drittens: Wie umfassend ist der Marktüberblick, den sie geben? "Die Zeit ist vorbei", sagt Müller, "dass sich die Portalbetreiber auf die Position zurückziehen, sie lieferten nur Informationen."
Sein Vorstoß findet Gehör. Zwar will das zuständige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) kein neues Gesetz. Doch Staatssekretär Gerd Billen lässt jetzt prüfen, "ob die Bundesnetzagentur in ihrer Aufsichtsfunktion gestärkt werden kann". Schließlich sei die Insolvenz der BEV "für alle betroffenen Verbraucher wirklich ärgerlich", sagte er der SZ. Die Netzagentur ist schon heute zuständig für den Wettbewerb bei Elektrizität, Gas und Telekommunikation. Künftig müsste sie die Praktiken der Vergleichsportale gründlicher ins Visier nehmen und im Zweifelsfall rügen oder unterbinden.
Fakt ist: Allzu oft werden Internetnutzern wichtige Informationen darüber vorenthalten, wie die Bewertungen wirklich zustande kommen. Egal ob auf Hotelbuchungs-Plattformen oder Portalen für Reisen, Versicherungen, Telekommunikation und Finanzen - kaum eine Branche ist davon ausgenommen. Viele Verbraucher stellen längst die Frage: Wem kann man überhaupt noch trauen? Es wimmelt von Halbwahrheiten und Fallstricken. Seit Kurzem ist das sogar offiziell testiert. Das Bundeskartellamt verfolgt die gängigsten Tricks derzeit in einer breit angelegten "Sektoruntersuchung" unter Dutzenden Vergleichsportalen. Dabei hat die Behörde auch die Möglichkeit, "durch unmittelbare Ermittlungen bei den betroffenen Unternehmen näher aufzuklären". Nun steht zum Beispiel amtlich fest, dass sich Anbieter von Hotelzimmern Listenplätze auf Portalen erkaufen können. Bei Versicherungsvergleichen, monieren die Wettbewerbshüter, würden zum Teil wichtige Anbieter nicht einbezogen. Mitunter decke ein Portal weniger als 50 Prozent der im Markt befindlichen Angebote ab. Generell bleibe häufig verborgen, wie die Reihenfolge der Suchergebnisse und die Empfehlungen zustande kommen. Der Verbraucher, bilanziert das Kartellamt, könne sich nicht "darauf verlassen, tatsächlich das für ihn beste Angebot zu bekommen".
Die Wettbewerbshüter warnen vor beliebten Verhaltensweisen, die in die Irre führen könnten. Demnach setzen viele Vergleichsportale "Hinweise auf angeblich begrenzte Verfügbarkeiten, praktisch kaum realisierte Vorteile oder vermeintliche Exklusivangebote". Vor allem aber zahlten Anbieter Entgelte beziehungsweise Provisionen, um die Darstellung der Ergebnisse zu beeinflussen. Schlussfolgerung der Aufseher: Weil die Verbraucher über die Praktiken häufig nicht angemessen informiert würden, könne dies eine "unzulässige Irreführung" oder eine "verdeckte Werbung" sein, also ein Fall unlauteren Wettbewerbs. Das alles verleite Verbraucher dazu, "Bestellentscheidungen zu treffen, die sie bei vollständiger Kenntnis der Markttatsachen so nicht getroffen hätten".
Vergleichsportale bekommen ihr Geld von den Anbietern
Detailliert beschreibt das Kartellamt auch die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den vermeintlichen Ratgebern im Internet. Haupteinnahmequelle der befragten Vergleichsportale seien "die von den Anbietern für Vermittlungen gezahlten Provisionen", diese machten, außer im Flugbereich, branchenübergreifend 90 Prozent der Einnahmen aus. Zudem sei eine deutliche Konzentration des Marktes auf wenige große Portale festzustellen. Bei Energie und Telekommunikation dominieren demnach Check 24 und Verivox, bei Versicherungen sei Check 24 das führende Portal.
Besonders kritisch sehen die Wettbewerbshüter, dass "auf einigen Portalen" einzelne Angebote als sogenannte Position 0 vorangestellt und zusätzlich hervorgehoben würden. Für solche Offerten entscheide sich immerhin ein Viertel der Kunden. Und wie kommt es zu der Hervorhebung? Bei Energie und Telekommunikation, so das Kartellamt, "überwiegend aufgrund einer höheren Provisionszahlung der jeweiligen Anbieter."
In Sachen BEV-Pleite nimmt Kartellamtspräsident Andreas Mundt die Angegriffenen aber auch in Schutz: Wenn ein Energieanbieter falsch kalkuliere, "kann man nicht den Vergleichsportalen den "schwarzen Peter zuschieben". Verivox verteidigt sich so: Man nehme in seine Tarifvergleiche nur Anbieter auf, "die auch bei der Bundesnetzagentur gelistet sind".