Kommentar:Einer für alle

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Firmen wie Vantage Towers von Vodafone sind nicht nur an der Börse Milliarden wert. Funkturm-Spezialisten sind auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll.

Von Benedikt Müller-Arnold

Zugegeben: Manchmal verwundert es, wofür sich Investoren begeistern können. So hat Vodafone gerade seine Funktürme an die Börse gebracht, 82 000 Gestelle aus Stahl und Beton. Diese Firma namens Vantage Towers begann nun mit einem Börsenwert von zwölf Milliarden Euro. Das ist mehr, als etwa die Commerzbank und Pro Sieben Sat 1 zusammen wert sind.

Skeptikern mag das absurd vorkommen; viele Nachbarschaften kämpfen ja geradezu gegen geplante Masten in ihrer Nähe. Und doch spricht vieles dafür, dass Unternehmen wie Vantage Towers gekommen sind, um zu bleiben. Denn sie mögen nicht nur ein passendes Anlageziel für gewisse Investoren sein. Sie sind auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll, wenn sie ihre Türme an mehrere Netzbetreiber gleichzeitig vermieten. Diese Effizienz sollte der Anspruch sein.

Freilich lässt sich konstatieren: Firmen wie Vantage Towers wären wahrscheinlich weniger begehrt, wenn die Zinsen nicht so niedrig wären. Mastbetreiber schließen langjährige Mietverträge mit Mobilfunkanbietern ab, sie können ziemlich planbare Gewinne ausschütten. Ihre Aktien sind wahrscheinlich keine aufregende Geldanlage. Aber für manche Investoren eben eine Alternative zu kaum verzinsten Einlagen.

Auch kann man kritisch sehen, was Vodafone da macht: Der Konzern verkauft Teile seines Vermögens, nur um die meisten Türme danach teuer zurückzumieten. Dieses Modell bringt einmal Geld, verursacht langfristig Kosten. Besonders beliebt ist es nicht.

Der Wettbewerb unter Mobilfunkanbietern findet längst auf mehr Ebenen statt

Doch die große Chance - sowohl für Aktionäre als auch für die Wirtschaft insgesamt - verbirgt sich in einer Zahl: Bislang zählt Vantage Towers im Schnitt nur 1,38 Mieter pro Mast. Das bedeutet, dass die Firma ihre meisten Türme nur an Vodafone und an keinen anderen vermietet. Im Grunde grenzt das an Ressourcenverschwendung.

Erklären lässt es sich mit der Entstehungsgeschichte von Mobilfunknetzen: Es war nun mal jahrelang ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, welcher Betreiber - neben Vodafone sind dies heute die Deutsche Telekom und Telefónica ("O₂") - nun endlich Empfang in welche Gegend brachte. Und bis heute gibt es viele Flecken, in denen ein Anbieter besseres Netz bietet als der andere, keine Frage. Allerdings macht der Staat den Betreibern immer strengere Auflagen, wie großflächig sie ihre Netze ausbauen müssen. Zu Recht.

Das bedeutet freilich, dass die Grundversorgung in gewissen Regionen als Unterscheidungskriterium an Bedeutung verliert. Der Wettbewerb unter Mobilfunkanbietern findet längst auf mehr Ebenen statt: Wer bietet welche Technik zu welchem Preis? Mit welchem Smartphone? Wie lässt sich der Handyvertrag gegebenenfalls mit dem Festnetz koppeln?

Gleichzeitig teilen die Netzbetreiber endlich mehr Masten miteinander. Sie vereinbaren neuerdings, dass jeder Anbieter eine gewisse Zahl an Türmen an bislang schlecht versorgten Orten baut - und diese dann auch den anderen zur Verfügung stellt. Auch hier dringt der Staat auf derlei Zusammenarbeit. Denn es ist an sich ineffizient, wenn drei Betreiber jeweils mit eigenem Mast dieselbe Ortschaft versorgen.1&1 Drillisch will demnächst noch als vierter Anbieter ein eigenes Mobilfunknetz in Deutschland aufbauen.

Die Existenzberechtigung: Einer baut für viele statt jeder für sich allein

Hinzu kommt, dass es kniffliger geworden ist, Funktürme zu bauen. Beispielsweise verlangt der neue Mobilfunkstandard 5G, dass Masten an schnelle Glasfaserleitungen angeschlossen werden. Zugleich sorgen sich Anwohner vielerorts vor der Strahlung oder um das Landschaftsbild, wenn zusätzliche Masten entstehen sollen. Manche Betreiber kommen mit dem Netzausbau nicht so schnell voran wie geplant, auch weil Genehmigungsverfahren kompliziert geworden sind.

Für Spezialisten wie Vantage Towers ist das eine Herausforderung - oder eben die Existenzberechtigung: Einer baut für viele statt jeder für sich allein, wahrt dabei alle Auflagen, moderiert alle Bedenken.

Von Spezialisten darf man dann freilich auch Besonderes erwarten: Türme etwa, die klimaschonend Wind- oder Sonnenstrom erzeugen - wenigstens im kleinen Maßstab, um sich selbst zu versorgen. Oder, wenn man mal ins Ausland schaut: Masten, die nicht nach Schema F gebaut sind, sondern beispielsweise wie eine Kiefer oder eine Palme aussehen. Ja, liebe Turmbetreiber, es darf auch gern mal kreativ werden.

Das Interesse von Investoren haben Firmen wie Vantage Towers offenbar auf ihrer Seite. Nun sollten sie beweisen, dass sie nachhaltig sinnvoll für die Gesellschaft sind.

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