BIP:US-Aufschwung lässt nach

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Menschen mit Schutzmasken beim Einkaufen in Manhattan, New York: Vor allem der private Konsum ist zurückgegangen. (Foto: Jeenah Moon /Reuters)

Das Bruttoinlandsprodukt ist im Schlussquartal 2020 um vier Prozent gewachsen. Doch Konjunkturboom und Rezession liegen direkt beieinander.

Von Claus Hulverscheidt

Rein volkswirtschaftlich gesehen gibt es die Vereinigten Staaten von Amerika derzeit gar nicht - statt einer sind es vielmehr gleich zwei Konjunkturwelten, die da mitten in der Corona-Pandemie gewissermaßen nebeneinander her existieren. Das zeigen die jüngsten Daten zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, die das US-Wirtschaftsministerium am Donnerstag veröffentlichte. Diese Daten künden von Auf- und Abschwung gleichermaßen: Aufschwung im Bausektor, in Teilen der Industrie und an den Börsen, Abschwung in Dienstleistungsbranchen, beim privaten Konsum und am Arbeitsmarkt. Wohl selten war das Bild so heterogen.

Insgesamt legte das BIP im Schlussquartal 2020 um vier Prozent zu, wenn man es, wie in den USA üblich, auf das Gesamtjahr hochrechnet. Das Plus war damit höher als im langjährigen Durchschnitt - aber zugleich deutlich niedriger als im Vorquartal. Da war die Wirtschaft um 33,4 Prozent und damit im Rekordtempo gewachsen. Im Gesamtjahr 2020 ging die Wirtschaftsleistung um 3,5 Prozent zurück.

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Wichtiger als dieser Jahresdurchschnittswert sind allerdings die Daten für das vierte Quartal, weil sie die jüngste Entwicklung der Wirtschaft deutlich machen. Dämpfend wirkte demnach im Herbst unter anderem der private Konsum, der nach dem massiven Einbruch während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr noch im Sommer um 41 Prozent nach oben geschnellt war. Dieser Wiederaufschwung wurde im Herbst jäh gestoppt, weil die Gouverneure und Bürgermeister wegen der hohen Infiziertenzahlen vielerorts gezwungen waren, Geschäfte, Restaurants und Dienstleistungsbetriebe erneut zu schließen. Allein im Dezember verloren in Hotels, Gasstätten und Freizeiteinrichtungen fast 500 000 Beschäftigte ihren Job.

Damit ist der zweite große Problembereich der Volkswirtschaft bereits genannt: der Arbeitsmarkt. Immer noch, auch fast ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie, liegt die Zahl der Beschäftigten in den USA um rund neun Millionen unter dem Wert von Anfang 2020. Viele Erwerbslose haben Schwierigkeiten, ihre Mieten zu bezahlen, Rechnungen zu begleichen und Kredite zu bedienen. Sie fallen damit nicht nur als Produzenten, Dienstleister und Steuerzahler aus, sondern zumindest teilweise auch als Konsumenten.

Insgesamt sind die konjunkturellen Aussichten für die USA aber nicht schlecht

Ganz anders hingegen die Entwicklung am Immobilienmarkt: Häuser und Wohnungen sind seit vielen Monaten gefragt wie selten zuvor, weil Millionen Menschen von zu Hause aus arbeiten und gerne mehr Platz hätten. Hinzu kommen die extrem niedrigen Immobilienzinsen. Da Bauunternehmen und Handwerker mit der Errichtung und Renovierung von Häusern kaum nachkommen und sich bereits ein erheblicher Auftragsstau gebildet hat, kann man davon ausgehen, dass die Branche auch im weiteren Jahresverlauf einen erheblichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten wird.

Ohnehin sind die konjunkturellen Aussichten für die USA insgesamt nicht schlecht. Grund sind unter anderem die beiden Hilfs- und Konjunkturpakete im Volumen von 900 Milliarden und 1,9 Billionen Dollar, die der Kongress bereits auf den Weg gebracht hat beziehungsweise noch auf den Weg bringen will. So setzte der Internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognose für die USA in diesem Jahr erst vor wenigen Tagen von zuvor 3,1 auf 5,1 Prozent nach oben. Sollte der neue Präsident Joe Biden auch das 1,9-Billionen-Dollar-Programm durchbringen, sei sogar ein zusätzliches Plus von fünf Prozent über drei Jahre möglich, so die Experten.

Die Corona-Rezession endgültig überwunden aber haben auch die Vereinigten Staaten noch nicht, wie Notenbankchef Jerome Powell bereits am Mittwochabend betont hatte. "Die Sache ist noch nicht gewonnen", sagte er. "Bis zu einer vollständigen Erholung liegt noch ein weiter Weg vor uns."

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