Preise:US-Inflationsrate erstmals seit 40 Jahren über acht Prozent

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Teurer Sprit: Selbst in Ciudad Juarez auf der mexikanischen Seite des Rio Grande zahlen US-Autofahrer immer mehr für Benzin. (Foto: Jose Luis Gonzalez/Reuters)

Wegen des Ukraine-Kriegs und der Corona-Krise steigen die Preise im März um 8,5 Prozent. Die Frage ist nun, ob die Notenbank die Lage in den Griff bekommt - oder eine Rezession auslöst.

Von Claus Hulverscheidt

Als die Preise das letzte Mal so dramatisch stiegen wie jetzt, regierte in Washington ein gewisser Ronald Reagan. Die heute 73-jährige Olivia Newton-John führte die Pop-Charts an, und Tom Brady, der vielleicht größte US-Sportler aller Zeiten, ging in den Kindergarten. Gut vier Jahrzehnte ist das jetzt her, seitdem hat es in den Vereinigten Staaten keinen einzigen Monat mehr gegeben, in dem die Inflationsrate eine sieben oder gar eine Acht vor dem Komma aufwies. Bis zu diesem Dienstag: Wie das Amt für Arbeitsstatistiken in Washington mitteilte, legten die US-Verbraucherpreise im März im Vergleich zum Vormonat um 8,5 Prozent zu. Das war vier Mal so viel wie staatlicherseits gewünscht und, siehe oben, der stärkste Anstieg seit Dezember 1981. Bereits im Februar hatte die Teuerungsrate bei 7,9 Prozent gelegen.

Damit setzt sich ein Trend fort, der unter Amerika Bürgern und Unternehmen große Unruhe ausgelöst hat, das Ansehen von Präsident Joe Biden zusätzlich ramponieren wird und die US-Notenbank (Fed) in den kommenden Monaten zu weiteren, diesmal deutlichen Leitzinserhöhungen veranlassen dürfte. Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass die Währungshüter ihren wichtigsten Leitsatz, die sogenannte Tagesgeldzielspanne, bei ihren nächsten turnusmäßigen Sitzungen Anfang Mai und Mitte Juni um jeweils einen halben Prozentpunkt anheben werden. Der Korridor, der zur Bekämpfung der Corona-Rezession zwei Jahre lang nahe der Nulllinie angesiedelt gewesen war, läge damit zu Beginn des kommenden Sommers bereits wieder bei 1,25 bis 1,5 Prozent. Niedrige Leitzinsen wirken tendenziell konjunkturbelebend, während höhere Sätze dazu dienen sollen, den Wirtschaftsaufschwung zu bremsen und eine Preisüberhitzung zu verhindern.

In China dürfen Millionen Industriearbeiter ihre Wohnungen aktuell nicht verlassen

Teurer wurden im März vor allem Benzin, Mieten und Lebensmittel. Zu den wesentlichen Ursachen des Preisanstiegs zählt einmal der russische Überfall auf die Ukraine, der Öl, Gas, Kohle, Agrargüter und Rohstoffe massiv verteuert hat. Hinzu kommen hohe Krankenstände, Ausgangsbeschränkungen und sonstige Restriktionen infolge der Corona-Pandemie, die weiterhin zu Produktionsausfällen und massiven Lieferproblemen rund um den Globus führen. Vor allem die Situation in China, wo die Verbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante die bisherige Null-Covid-Strategie der Regierung von Präsident Xi Jinping zunehmend in Frage stellt, bereitet vielen Unternehmen, Politikern und Notenbankern Sorge. Vergangene Woche durften auf Anordnung lokaler Behörden in der Volksrepublik fast 200 Millionen Menschen - und damit Dutzende Millionen Industriearbeiter - ihre Wohnungen nicht verlassen.

Die Frage ist nun, ob sich die Aufwärtstendenz bei den Preisen fortsetzen wird oder ob es der Fed gelingt, den Trend zu brechen. Einige US-Volkswirte gehen davon aus, dass die Inflationsentwicklung mit der Rate von 8,5 Prozent im März ihren Höhepunkt erreicht haben könnte, allerdings noch eine ganze Weile auf ähnlichem Niveau verharren wird. Erst für das vierte Quartal dieses Jahres erwarten die Experten einen Rückgang auf durchschnittlich 5,7 Prozent - eine Zahl, die aber immer noch weit über jenem Idealwert von zwei Prozent läge, den die Fed eigentlich anpeilt. Grund ist, dass Leitzinszinsentscheidungen immer erst mit einer Verzögerung von sechs bis neun Monaten auf die Entscheidungen von Industrie, Handel, Dienstleistern und anderen Wirtschaftszweigen wirken.

Zudem liefe die Notenbank mit deutlich aggressiveren Zinserhöhungen ständig Gefahr, zu übertouren, den Aufschwung abzuwürgen und die Wirtschaft in die Rezession zu stürzen. Entsprechend räumte Bidens Chefwirtschaftsberater Brian Deese zu Wochenbeginn in einem Fernsehinterview ein, dass die US-Wirtschaft angesichts der Situation in der Ukraine und in China "in schwerem Fahrwasser" sei. Von einer bevorstehenden Rezession wollte er allerdings nichts wissen. Wenn es ein Land auf der Welt gebe, so Deese, das besser als alle anderen großen Volkswirtschaften in der Lage sei, diese schwierige Situation zu meistern, "dann sind es die Vereinigten Staaten".

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