Urteil gegen Middelhoff:Wenn Manager abheben

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Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff im Gerichtssaal (Foto: Imago Stock&People)

Drei Jahre Gefängnis wegen 500 000 Euro: Das Urteil gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wirft die Frage auf, wie weit Richter über die Wirtschaft bestimmen sollen.

Kommentar von Marc Beise

Die neue Woche beginnt, wie die alte endete: mit Nachrichten über Thomas Middelhoff. Am Freitag ist der frühere Spitzenmanager zu einer s pektakulären Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt und im Gerichtssaal verhaftet worden. Nun kämpft er um Freilassung gegen Kaution. Weitere Termine stehen an, der erste am Dienstag, diesmal mit Middelhoff als Kläger, der Zugriff auf sein eingefrorenes Vermögen begehrt.

Auch wenn das Urteil des Essener Landgerichts in höherer Instanz überprüft werden wird, ist die Wirkung beachtlich. Drei Jahre Gefängnis wegen nicht abgerechneter rund 500 000 Euro für jemanden, der mit Milliarden jonglierte und einst als Lichtgestalt galt: Das ist ein Hammer. Der Imageschaden für die Zunft ist offensichtlich. Die Vorstellung verfestigt sich, dass da oben nur Raffzähne und Gierhälse, kurz: Schurken sind.

Das Ganze ist aber zunächst ein Fall Middelhoff; der Absturz eines unglaublich ehrgeizigen und selbstgewissen leitenden Angestellten. Das harte Strafmaß (mancher Totschläger bekommt weniger) hat viel mit der Persönlichkeit und dem Auftreten des Thomas Middelhoff selbst noch im Gerichtssaal zu tun. Die Bedenkenlosigkeit war atemberaubend, mit der er seine selbst beanspruchte Einzigartigkeit nicht nur im Privatleben austobte, sondern auch aufs Berufsleben übertrug und so die Sphären vermischte.

Chefs brauchen Mut - und einen moralischen Kompass

Der Weg zur Arbeit führt durch den Stau: Dann muss man eben mit dem Hubschrauber fliegen. Der Arbeitstag droht lang zu werden und die Familie wartet im Ferienhaus: Dann muss der Privatflieger her. Der frühere Chef hat Geburtstag: Soll er also eine sündhaft teure Festschrift erhalten - und das alles auf Kosten des aktuellen Arbeitgebers.

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Am Freitag wurde der frühere Topmanager Thomas Middelhoff wegen Untreue zu drei Jahren Haft verurteilt. Nun will er einem Medienbericht zufolge in Revision gehen. Damit könnte der Fall vor dem Bundesgerichtshof landen.

Middelhoffs notorische Hybris erklärt sich freilich, und da beginnt sich das Thema zu weiten, auch durch die Arbeitsbedingungen, die ihm im strauchelnden Kaufhauskonzern Arcandor-Karstadt-Quelle von Eigentümern und Aufsichtsrat geboten worden waren. "Big T" war der Heilsbringer, der alles durfte, wenn er nur den Krisenkonzern retten würde. Genauer: Wenn er das Geld der Eigentümer und Banker retten würde.

Das große Monopoly um Arcandor war bei Lichte besehen ein stümperhaftes Ringen auf dem Rücken der ohnmächtigen Mitarbeiter. In diesem Biotop war Middelhoff sakrosankt, solange er "lieferte". Als ihm das im Zuge der aufkommenden Finanzkrise misslang, ließ man ihn fallen und vor Gericht alleine.

Wirtschaft in der Hand der Juristen? Heikel

Hier wird es nun grundsätzlich. Denn dieses Verfahren ist ja nur eines von vielen, die derzeit vor deutschen Gerichten anhängig sind. Verfahren, in denen komplizierte Sachverhalte aus dem Unternehmensalltag runtergebrochen werden müssen auf rechtliche Normen, um sie justiziabel zu machen. Ob Reisekosten oder Missmanagement, das Instrument der Justiz ist meist der Untreue-Paragraf des Strafrechts, der unscharf ist und doch für alles und jedes herhalten muss. Das überfordert die Ankläger, erst recht die Richter, die Heerscharen von Staranwälten gegenübersitzen und Einzelfallentscheidungen treffen müssen.

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Die Allmacht der Justiz verändert aber auch die Wirtschaft. Das Regime der "Compliance", also des regeltreuen Geschäftsgebarens, prägt seit den großen Korruptionsfällen (Siemens und andere) den Unternehmensalltag, und ist Jobgarantie für immer mehr Juristen.

Die Wirtschaft in der Hand der Juristen - das ist heikel. Einerseits ist es natürlich erfreulich, dass Manager unter Beobachtung stehen. "Die Großen lässt man laufen", das gilt nicht mehr. Andererseits darf es nicht so weit kommen, dass keine Entscheidung mehr ohne Blick auf ein mögliches Prozessrisiko gefällt wird. Heute schon wagt mancher Manager kaum noch einen Mucks, ohne abzugleichen, ob er sich da womöglich angreifbar macht. Es ist erschütternd anzusehen, wie selbst Spitzenkräfte hasenfüßig werden. Dass charismatische, womöglich exzentrische Typen in diesem Klima der Verunsicherung unerwünscht sind, ist klar; dabei braucht es manchmal gerade sie.

Alle sind gefordert

Am Ende sind hier alle gefordert: Die Strafverfolger und Richter, die Ermessensspielräume großzügig auslegen und sich nicht zu Moralaposteln aufschwingen. Der Gesetzgeber, der dringend ein modernes Haftungsrecht schaffen muss, das Fehlverhalten und Missmanagement gleichermaßen definiert und regelt.

Und nicht zuletzt müssen die Manager ihren moralischen Kompass ölen. Beginnend mit Ausbildung und Studium über die Arbeit in den Unternehmen müssen Führungskräfte die Grenze auszuloten lernen zwischen engagiertem, auch selbstbewusstem Verhalten und den Grenzen desselben. Der Lehrsatz lautet: Es gibt Dinge, jenseits von Recht und Gesetz, die man einfach nicht tut.

© SZ vom 17.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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