Ex-Arcandor-Manager zu Gefängnis verurteilt:Das persönliche Himmelfahrtskommando des Big T.

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Der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff (Foto: Frank Augstein/AP)

Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff strahlte immer eine besondere Gewissheit aus: Am Ende werde doch wieder ich triumphieren. Doch nun ist es anders gekommen. Die Geschichte eines Abstiegs.

Von Uwe Ritzer

Die Nachstellungen der Gläubiger, die Ermittlungen der Staatsanwälte, die hartnäckigen Befragungen durch Richter, die unangenehmen und meist hämischen Berichte in den Medien: Thomas Middelhoff quittierte bis zum für ihn bitteren Ende im Essener Landgericht alles mit demonstrativer Freundlichkeit. Als könnte er die Vorwürfe weglächeln. Die Botschaft dabei war stets klar: Was wollt ihr denn? Ihr könnt mir doch nichts! Am Ende werde doch wieder ich triumphieren.

Es war die Mimik und Gestik des alten Big T., wie sie ihn bei Bertelsmann genannt haben. Dessen, der sich für großartig hält und nie an sich zweifelt, zumindest nicht öffentlich. Und der stark und abgezockt genug ist, um auch über lange Zeit enormen Druck auszuhalten. So wie früher, als er noch ganz oben war. Noch ganz groß im Geschäft.

Angeblich 40 Millionen Euro

Für den Medienkonzern Bertelsmann holte Middelhoff einst beim Verkauf von Anteilen am Internetkonzern AOL 7,5 Milliarden Euro rein. Die Bertelsmann-Eigentümerfamilie Mohn dankte es ihm mit einem Bonus von angeblich 40 Millionen Euro. Für Middelhoff, den Sohn eines kleinen Textilunternehmers aus Düsseldorf, war dieses Geld die Eintrittskarte in die große Welt der Superreichen, in der er sich Jahre später verlaufen und verlieren sollte. Plötzlich war er der Shooting-Star der deutschen Wirtschaft, ein Darling der feinen Gesellschaft, um den nun auch Sal. Oppenheim als Kunden buhlte, damals noch die exklusive Bank des Geldadels schlechthin.

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Middelhoff arbeitete nach Bertelsmann noch einige Jahre sehr gut bezahlt bei einem Finanzinvestor in London, ehe der Abstieg begann, unmerklich zunächst. Im Juni 2004 wurde er Aufsichtsratsvorsitzender und im Mai 2005 Vorstandschef bei der Karstadt-Quelle AG, die er später in Arcandor umbenannte. Es war der Startschuss zum persönlichen Himmelfahrtskommando des Thomas Middelhoff, das nun im Gefängnis enden soll.

Freunde, sagt er, hätten ihn vor Karstadt-Quelle gewarnt: Bleib in London, hätten sie ihm geraten, "weg von der katastrophalen Wahrnehmung deiner Person in Deutschland." Im Nachhinein, so Middelhoff im Sommer zur SZ, "war Karstadt-Quelle ein katastrophaler Fehler von mir." Aber es sei ihm auch darum gegangen, sein miserables Bild in Deutschland zu verbessern, mit erfolgreicher Arbeit. Eitelkeit sei dabei ganz sicher im Spiel gewesen, sagte er einmal. "Ich habe unter der fehlenden Anerkennung in Deutschland gelitten", sagte er. Big T. wollte es noch einmal allen zeigen.

In den vergangenen Monaten wirkte er wie einer, der die Einschläge nicht hörte oder nicht hören wollte, die immer näher kamen. Längst hatte er es sich in seiner eigenen Welt eingerichtet, den prächtigen Villen in St. Tropez und Bielefeld mit ihren riesigen Parks ringsum. Den Privatflugzeugen und den Luxushotels. Egal wo, nur immer schön weit weg von der bösen Realität des durchschnittlichen Lebens da draußen. Wer so lebt kann nicht verstehen, dass Insolvenzverwalter, Staatsanwälte und Richter auf teuren Flügen mit Privatjets auf Firmenkosten rumreiten.

An der Wirklichkeit vorbei

Wo das doch "in Amerika nie ein Thema wäre, denn da ist das unter Topmanagern absolut üblich", lautete Middelhoffs Lesart. Und was hätte er denn anderes tun sollen als den Hubschrauber zu nehmen, wenn zwischen seinem Wohnort und dem Arbeitsplatz in der Essener Arcandor-Zentrale Stau auf der Autobahn war? Wo doch seine Arbeitszeit besonders wertvoll sei, zu wertvoll, um sie in einem Auto im Stau zu verbringen. Middelhoff hat nie verstanden, dass das, was er als normal und logisch empfindet, anrüchig und ungesetzlich sein könnte.

Die Wahrheit des Thomas Middelhoff geht nicht selten haarscharf, bisweilen aber auch ziemlich weit an der Wirklichkeit vorbei. So ist es auch zu erklären, dass Middelhoff, als ihm die Staatsanwälte im Essener Verfahren konkret Privatflug für Privatflug als unrechtmäßig vorhielten, nicht versuchte, sie Punkt für Punkt zu widerlegen, Flug für Flug zu erklären, zu begründen, zu rechtfertigen. Er beschwor lieber stundenlang im Gerichtssaal das große Ganze. Die drohende Arcandor-Pleite, die er 24 Stunden am Tag verhindern musste. Die Welt der internationalen Hochfinanz, die nach ihren eigenen Regeln spielt und wo es ganz normal ist, zum Abendessen im Privatflieger nach New York zu jetten. Die Meetings mit Arcandor-Managern, die er nicht in einem Essener Tagungsraum, sondern mondän in St. Tropez abhielt. Das große Ganze des Thomas Middelhoff gegen die kleinkrämerische, typisch deutsche Paragrafenreiterei. So sah er das wohl bis zum für ihn bitteren Ende.

Sein verheerendes Image in Deutschland? "Früher hat mir das mehr weh getan als heute", sagte er im Sommer der SZ. Es sei fern jeder Realität. Welche Realität meint er damit? Die dessen, der in Essen aus dem Gerichtsfenster im ersten Stock springt, um vor den Fotografen davonzulaufen, die vor dem Haupteingang auf ihn warten? Weil sie ihn mit ihren Kameras abschießen wollen, als er im Juli den Offenbarungseid leisten muss, auf Druck seines "väterlichen Freundes" (O-Ton Middelhoff) und Geschäftspartners Roland Berger.

Zwischen den 34 Verhandlungstagen im Landgericht Essen zog er sich immer wieder nach St. Tropez zurück, in seine Villa Aldea, den offiziellen Hauptwohnsitz der Familie Middelhoff. Manchmal schwebt er nur für ein paar Stunden ein. Weil das der Seele gut tut, hoch über der Bucht, umgeben von Pinienwald, Teppichboden-Rasen und dem akkurat gepflegten Park. Dorthin wäre er auch an diesem Wochenende wohl gern enteilt. Nun sitzt er im Gefängnis. In einer kleinen Zelle. Der große Big T.

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