Umstrittener Spendenaufruf:Des einen Leid ist des anderen Gag

Lesezeit: 2 min

Ein Haitianer sitzt auf einem Haufen Schutt und sagt: "Ich hasse es, wenn meine Ledersitze nicht beheizt sind." Eine Organisation wirbt provokant um Spenden, indem sie Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser Luxusprobleme in den Mund legt. Über die Absurdität der "First World Problems" vor dem Hintergrund echter Sorgen lacht nicht jeder.

Ein kleiner Junge sitzt auf einem Haufen Schutt und sagt: "Ich hasse es, wenn meine Ledersitze nicht beheizt sind." Oder: Ein Mann steht vor seiner Lehmhütte und bedauert: "Ich hasse es, wenn mein Haus so groß ist, dass ich zwei Wlan-Router brauche."

Die bekannte Werbeagentur DDB griff zu einer hergebrachten Methode, um Werbung für die Non-Profit-Organisation Water is Life zu machen: Ein alter Witz wird so umgedeutet, dass eine neue Botschaft entsteht. Nur diesmal blieb manchem das Lachen im Halse stecken.

DDB griff zu einem Internet-Meme namens First World Problem, also zu einem Gag, der sich im Netz verselbständigt hat. Unter dem Schlagwort posten User witzige Sprüche über Dinge, die Menschen in der Wohlstandsgesellschaft nerven. Oft illustriert mit dem Bild einer weinenden Frau. Ihre "Probleme" sind beispielsweise: "Hab Bock auf Kaffee - bin aber zu faul aufzustehen" oder "Der Ticketautomat der Bahn nimmt keinen 100-Euro Schein".

Die Werbeagentur DDB hat nun diese Sprüche genommen und ist mit einer Kamera nach Haiti geflogen. Dort lesen nun offensichtlich arme Haitianer solche Sprüche vor, während sie etwa vor einer Lehmhütte stehen. Am Ende steht der Spruch "First World Problems sind keine Probleme" und ein Spendenaufruf, um Menschen in Haiti sauberes Wasser zu bringen.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Das Video bekommt viel Lob. "Vielleicht der beste Werbeclip des Jahres", titelte der Wirtschaftsblog Business Insider. Doch nicht jeder findet ihn witzig. Manche finden es geschmacklos. Andere monieren, dass die Werbeagentur den ursprünglichen Witz nicht verstanden habe - er mache sich ja genau darüber lustig, dass das keine echten Probleme seien.

DDB spricht auch direkt Twitter-Nutzer an, die einen Witz mit #FirstWorldProblem markiert hatten. "Es gibt nichts Schlimmeres, als die Kopfhörer zu Hause zu vergessen", twitterte einer. Ein Junge aus Haiti antwortet ihm jetzt in einem Video: "Ich würde sie für dich holen."

"Es gibt sehr viel wichtigere Probleme als kalten Kaffee am Morgen"

Die Werbeagentur nimmt zu den Vorwürfen in einer Presseerklärung Stellung: "Wir wollen nicht diejenigen bloßstellen, die den Hashtag #FirstWorldProblems genutzt haben. Es gibt sehr viel wichtigere Probleme in der Welt, als morgens einen Latte (macchiato) zu bekommen, die nicht heiß genug ist."

Die Organisation Water is Life verteidigt die Videos ebenfalls. "Wir brauchen eine provakanten Ansatz, um gehört zu werden. Die Menschen sind für Leid kaum noch empfänglich", sagte Kristine Bender, die Chefin von Water is Life.

Statt über die Ziele der Organisation, sauberes Wasser in die Welt zu bringen, diskutieren die Menschen nun, ob die Videos angemessen sind. Ein typisches First World Problem.

© Süddeutsche.de/sana - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

PR-Computerspiel für Kinder
:Super Richie wirbt für Atomkraft

Er hat keine Arme, keinen Hals und keine Beine - aber er nimmt es trotzdem mit aggressiven Elektrogeräten auf: Die Figur Richie Enrichment soll im PR-Computerspiel das Atomunternehmen Urenco bei Kindern beliebt machen. Auch die Ukraine, Schauplatz der Tschernobyl-Katastrophe, soll eine Rolle spielen. Greenpeace ist entsetzt.

Jannis Brühl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: