Social Media:Twitter wird zur One-Musk-Show

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Am Mittwoch postet der Twitter-Chef das Bild eines Hundes, der den Platz auf dem Twitter-Chefsessel eingenommen hat. "Der neue CEO von Twitter ist fantastisch", schrieb Elon Musk dazu. (Foto: Twitter)

Ein Tweet von Joe Biden erreichte dreimal so viele Menschen wie ein Tweet von Elon Musk. Diese Demütigung will der Twitter-Chef nicht hinnehmen - und lässt die Plattform mit seinen Tweets fluten.

Von Simon Hurtz

Am Sonntag machte Elon Musk eine ungewohnte Erfahrung: Der erfolgsverwöhnte Multimilliardär verlor, und das gleich mehrfach. Zuerst sahen Hunderte Millionen Menschen in der Halbzeit des Super Bowl einen Werbespot, der die Elektroautos von Musks Unternehmen Tesla als Gefahr für Kinder darstellte. Dann unterlagen die Philadelphia Eagles, die Musk zuvor öffentlich angefeuert hatte. Die schmerzhafteste Niederlage steckte er aber auf seiner eigenen Plattform Twitter ein. " Fly Eagles, fly", schrieb US-Präsident Joe Biden - und erreichte damit mehr als dreimal so viele Menschen wie Musks mittlerweile gelöschter "Go, Eagles"-Tweet.

Diese Demütigung wollte Musk offenbar nicht hinnehmen. Nach dem Football-Spiel flog er mit seinem Privatjet zurück an die Westküste und ließ Twitter-Angestellte zusammentrommeln . "Wir versuchen ein Problem auf der gesamten Plattform zu beheben", zitiert der Newsletter Platformer aus einer internen Nachricht, die Musks Cousin James in der Nacht von Sonntag auf Montag um 2:36 Uhr verschickt haben soll.

Der dringende Auftrag: Was Elon Musk schreibt, müssen möglichst viele Menschen sehen. Binnen Stunden wurden rund 80 Entwicklerinnen und Entwickler von anderen Projekten abgezogen. Bis in die frühen Morgenstunden untersuchten sie, warum manche Tweets, die Musk absetzt, nur einige Millionen Mal aufgerufen werden, obwohl dem Twitter-Chef fast 130 Millionen Accounts folgen.

"Sie sind gefeuert, Sie sind gefeuert!"

Diese Frage treibt Musk seit Längerem um. Deswegen hatte Twitter auf seinen Wunsch an den Algorithmen geschraubt, die bestimmen, welche Tweets man sieht, wenn man die App öffnet. Der Eingriff hatte unerwünschte Nebenwirkungen, unter anderem sank Musks eigene Reichweite. Vergangene Woche präsentierten ihm Entwickler eine mögliche Erklärung. Nicht die Algorithmen seien schuld, sondern das schwindende Interesse an der Person Musk. Dessen Reaktion: "Sie sind gefeuert, Sie sind gefeuert!"

Das gleiche Schicksal drohte den verbliebenen Entwicklern, sollte es ihnen nicht gelingen, Musk zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Am Montagnachmittag US-Zeit fanden sie eine Lösung. Der Newsletter Platformer zufolge setzte Twitter für Musks Tweets sämtliche Filter außer Kraft. Alles, was Musk von sich gibt, wird um den Faktor 1000 bevorzugt. Dieser sogenannte "Power-User-Multiplikator" gilt nur für Musk und soll sicherstellen, dass seine Tweets so oft wie möglich angezeigt werden.

Die Maßnahme hatte durchschlagenden Erfolg. Wer Musk folgt, wurde am Montag und Dienstag mit dessen Tweets zwangsbeglückt. Teils bestand fast die gesamte Timeline aus Ein-Wort-Antworten, Memes, Emojis und geklauten Witzen, die der Twitter-Chef so gern teilt. Musk kommentierte auch das mit einem bekannten Meme: Eine blonde Frau hält eine dunkelhaarige Frau an den Haaren und flößt ihr, offenbar gegen ihren Willen, Milch ein. Die trinkende Frau steht in Musks Augen für Twitters Nutzerinnen und Nutzer, die andere für seine eigenen Tweets.

Musk sucht nach einem Nachfolger

Mittlerweile fließt die Milch nicht mehr in einem Schwall aus der Flasche, sondern tröpfelt nur noch. Musks Tweets werden weiter prominenter angezeigt als alle anderen, überschwemmen die Plattform aber nicht mehr. Das schlägt sich in Zahlen nieder. Das Milch-Meme, das Musk am Dienstag teilte, wurde mehr als 140 Millionen Mal gesehen. Seine aktuellen Tweets erreichen Abrufzahlen zwischen 20 und 30 Millionen.

Dazu zählt das Bild eines Hundes, der den Platz auf dem Twitter-Chefsessel eingenommen hat. "Der neue CEO von Twitter ist fantastisch", schrieb Elon Musk dazu. Ungefähr zur selben Zeit sagte er auf dem World Government Summit, dass er bis Ende 2023 einen neuen Chef für Twitter suchen wolle. Im Dezember ließ Musk abstimmen, ob er zurücktreten soll, eine Mehrheit sagte Ja.

Seinen Rücktritt hatte Musk aber wohl ohnehin geplant. Bereits vor der Umfrage sagte er bei einer Gerichtsverhandlung in Delaware: "Ich gehe davon aus, dass ich meine Zeit bei Twitter reduzieren und jemand anderen finden werde, der Twitter leitet." Trotzdem scheint sich Musk mit der Suche nach einem Nachfolger Zeit zu lassen. Allzu viel dürfte sich auch mit einem neuen Chef nicht ändern. Das letzte Wort hat immer der Eigentümer, und der heißt Elon Musk.

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