Börse:Plötzlich ist Tupperware nicht nur für Tante Irma interessant

Lesezeit: 3 min

In fast jedem Ort gab es eine Hausfrau, die Nachbarinnen zu Tupper-Partys einlud. (Foto: Tupperware/picture-alliance / gms)

Das Frischhalteboxen-Unternehmen liegt am Boden, doch der Aktienkurs verzehnfacht sich. Es erinnert an den Fall Gamestop. Was ist da los?

Von Harald Freiberger

Es ist alles wieder da: Ein Unternehmen liegt am Boden, Spekulanten wetten auf seine Pleite, doch plötzlich ersteht es auf wie aus Ruinen. Der Aktienkurs fängt an zu steigen, im Internet spornen sich überwiegend junge Menschen zum Kauf an, innerhalb weniger Tage erreicht der Kurs solche Höhen, dass sich die Anleger fragen: Was ist da los? Oder um es mit den Worten von MisterMatty5 im Internetforum Reddit zu formulieren: "Warum pumpt Tupperware so hart?"

Wie kann es sein, dass der Aktienkurs eines Unternehmens explodiert, das vorher völlig aus der Mode geraten schien? Tupperware, der Hersteller von Plastik-Frischhalteboxen, der in der Nachkriegszeit aus Amerika mit einem besonderen Vertriebsmodell seinen Siegeszug in der westlichen Welt antrat: Es gab in fast jedem Ort eine Hausfrau, die Nachbarinnen zu Tupper-Partys einlud. Und dort deckte sich Tante Irma aus Unna mit den praktischen, wasserdichten Schüsseln ein, in denen sich Kartoffelsalat und Suppe frischhalten ließ, weil man mit einem pffffft die Luft daraus entweichen lassen konnte.

In den letzten Jahren aber lief es nicht mehr gut. Die Plastikschüsseln bekamen ein Oma-Image, zumal die junge Generation aus Klimaschutzgründen Plastik ablehnt. Die Corona-Zeit gab dem Unternehmen dann den Rest: Wenn sich Menschen nicht mehr treffen dürfen, gibt es auch keine Tupper-Partys mehr. Das Geschäftsmodell brach zusammen. Im Frühjahr verkündete Chef Miguel Fernandez horrende Zahlen. Es gab bilanzielle Unstimmigkeiten, er äußerte sogar Zweifel, ob man die Geschäftstätigkeit fortsetzen könne. Der Aktienkurs, in den besten Zeiten bei mehr als 70 Euro, stürzte auf unter einen Euro ab.

Tupperware
:Das Ende der Tupperpartys

Die Geschäftsidee war eigentlich banal und Jahrzehnte lang erfolgreich: Menschen laden andere in ihre Wohnzimmer und verkaufen bunte Kunststoff-Boxen. Doch die Zeit des Wohnzimmer-Direktmarketings könnte bald vorbei sein.

Von Thomas Fromm

Der ideale Zeitpunkt, um auf einen weiteren Kursverfall zu wetten

Seitdem umwehen Tupperware Pleitegerüchte. Es ist die ideale Zeit für Börsenspekulanten, um auf einen weiteren Kursverfall zu wetten. Das ist über sogenannte Leerverkäufe möglich: Ein Anleger verkauft dabei Aktien, die er gar nicht selbst besitzt, sondern leiht; später muss er diese Aktien dann kaufen. Fällt der Kurs in der Zwischenzeit, macht er damit Gewinn - oft sehr hohen Gewinn, denn ein Aktienkurs kann sich auf solch niedrigem Niveau schnell halbieren.

Bei Tupperware waren im Juli nach Daten der New Yorker Börse ein Viertel aller existierenden Aktien leerverkauft. Es lief eine gewaltige Spekulation gegen das Unternehmen. Und dann passierte etwas, das man schon aus dem Januar 2021 kannte: Gamestop, eine US-Filialkette für Computerspiele, angeschlagen, weil alle nur noch im Internet kaufen. Der Aktienkurs am Boden, immens viele Leerverkäufe - doch dann setzt im Netz ein neues Phänomen ein. Angestachelt durch Fachleute auf Plattformen wie Reddit, kaufen immer mehr Anleger die Aktie. Der Kurs fängt an zu steigen, und dann kommt ein technischer Effekt hinzu: Die Leerverkäufer, oft milliardenschwere Hedgefonds, müssen irgendwann ihre Wetten einlösen und die Aktien kaufen, was den Kurs weiter steigen lässt. Innerhalb weniger Tage kletterte damals der Gamestop-Kurs um das 30-Fache. Am Ende hatten die Hedgefonds elf Milliarden Dollar verloren. Die Internet-Gemeinde feierte es als Sieg gegen die bösen Spekulanten.

Ähnlich ist es jetzt wieder mit Tupperware, wenn auch nicht in einem solchen Ausmaß: Der Aktienkurs fing vor rund einer Woche an zu steigen, innerhalb weniger Tage kletterte er von 0,55 bis auf 5,23 Euro, hat sich also fast verzehnfacht.

Auch die Kommentare auf der Internetplattform Reddit ähneln sich: Die jungen Anleger feuern sich gegenseitig an. "Up to the moon" - auf geht's zum Mond, ist eine gern verwendete Formulierung. "Holt die alle. Die ist gerade innerhalb von 20 Sekunden von 2,56 auf 3,03!!!!!!!!", schreibt der User Due Surprise3597.

Kann Tupperware den gewaltigen Kursanstieg rechtfertigen?

Die entscheidende Frage aber bleibt, ob Tupperware den gewaltigen Kursanstieg rechtfertigen kann. Dazu müsste das Unternehmen wieder zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell finden. Und darauf deutet nichts hin. Auch solche Stimmen gibt es auf Reddit: "Aussterbendes Geschäftsmodell ich halte davon definitiv Abstand", schreibt Nutzer timbow556. "Vertriebswege sind voll 2002, ich habe immer noch die Tupperboxen, die meine Oma 1985 von ihrer Freundin Elisabeth auf der Tupperparty gekauft hat, warum sollte ich neue kaufen?"

Zuletzt ging es mit der Tupperware-Aktie auch nach unten, am Donnerstag notierte sie bei 3,38 Euro. Der größte Hype scheint vorbei, aber genau weiß man das nie. Die Kurs der Gamestop-Aktie notiert heute bei rund 20 Euro und damit immer noch deutlich über dem Stand, bevor der Hype begann. Das Signal an alle Spekulanten ist jedenfalls deutlich: Sie müssen im Zeitalter der sozialen Medien vorsichtiger sein, wenn sie gegen eine Aktie wetten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Immobilienpreise
:Warum Häuser auf einmal wieder teurer werden

Monatelang sind die Immobilienpreise in Deutschland gesunken. Jetzt ist der Preisverfall gestoppt, zeigt der Immobilienpreisindex Greix. Ist das die Trendwende?

Von Felicitas Wilke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: