USA vs. Tiktok:Europa traut sich nicht

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Die USA wollen die chinesische Video-App Tiktok wegen Sicherheitsbedenken aus den App-Stores entfernen. Die EU hält sich bislang zurück. (Foto: imago images/Hollandse Hoogte)

US-Präsident Trump droht Tiktok mit einem Verbot. Auch in der EU gibt es Vorbehalte gegen das soziale Netzwerk aus China. Warum Brüssel dennoch nicht gegen Tiktok vorgehen will.

Von Karoline Meta Beisel

US-Präsident Donald Trump hat dem sozialen Netzwerk Tiktok ein Ultimatum gestellt. Von Mitte September an soll kein US-Bürger mehr Geschäfte mit dem chinesischen Mutterkonzern des sozialen Netzwerks machen dürfen. Die App, die vor allem bei Jugendlichen beliebt ist, sammle große Mengen an Nutzerdaten und könne es der kommunistischen Partei Chinas ermöglichen, Amerikaner auszuspionieren. Sie stelle darum eine "Bedrohung" der nationalen Sicherheit dar, hieß es in einer Verfügung des Präsidenten. Für Tiktok dürfte der Entschluss in den USA das Ende bedeuten - wenn der Mutterkonzern Bytedance sein US-Geschäft nicht vorher an ein amerikanisches Unternehmen verkauft.

Die Reaktionen in der EU auf Trumps Verfügung lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen. Trump verschärfe den Handelskrieg gegen seinen Lieblingsfeind China. Oder: Trump keile mal wieder gegen ein Netzwerk, dessen Nutzer sich über ihn lustig machen. So hatten Tiktok-Nutzer dazu aufgerufen, Karten für eine Trump-Kundgebung in Oklahoma zu reservieren und dann nicht hinzugehen. Am Ende blieben viele Ränge in der Arena leer, auch wenn sich nicht genau sagen lässt, welchen Anteil daran Tiktok-Nutzer hatten.

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Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, aus Europa auf Trumps angedrohtes Tiktok-Verbot zu blicken: Warum passiert in der EU eigentlich nicht dasselbe? Datenschutzbedenken gibt es hier schließlich ebenso. So hat der Europäische Datenschutzausschuss, in dem sich die Datenschützer der EU-Länder austauschen, im Juni eine Taskforce eingesetzt, um "einen besseren Überblick über Tiktoks Datenverarbeitung und -nutzung in der EU" zu gewinnen, und um etwaiges staatliches Vorgehen zu koordinieren. In den Niederlanden haben Datenschützer sogar bereits eine Untersuchung gegen Tiktok eingeleitet.

Anstoß für die europaweite Taskforce war eine Anfrage des EU-Abgeordneten Moritz Körner (FDP) aus dem vergangenen Herbst. Es tut sich also durchaus etwas in Europa. Trotzdem findet Körner: "Die EU-Kommission müsste in der aktuellen Debatte klarer Position beziehen. Statt dessen steht sie daneben und guckt zu." Dafür gebe es verschiedene Gründe, auch so banale wie den, dass in den Brüsseler Institutionen Sommerpause ist und die meisten Beamten in den Ferien sind. Auf Anfrage heißt es bei der EU-Kommission, für Fragen der nationalen Sicherheit seien die Mitgliedstaaten zuständig. Auch für die Durchsetzung des Datenschutzes liegt die Verantwortung in der EU bei den Hauptstädten.

Der Hauptgrund für die Zurückhaltung in Brüssel ist aus Körners Sicht ein anderer: "Das, was Trump jetzt von China einfordert, ist letztlich genau das, was wir Europäer schon seit Jahren von den Amerikanern fordern, aber nicht durchsetzen." Auch US-Netzwerke wie Facebook oder Youtube sammelten massenweise Nutzerdaten. Auch dort werde regelmäßig gegen europäischen Datenschutz verstoßen, und auch dort bestehe die Gefahr, dass Daten an die Sicherheitsbehörden weitergegeben würden. Brüssel hält sich gegenüber China zurück, weil es sonst gegenüber den USA genauso hart vorgehen müsste.

Abgeordnete fordern, auch bei US-Digitalkonzernen genauer hinzuschauen

Von den USA wisse man, dass mit den Nutzerdaten dort genau das passiert, was bei chinesischen Firmen bislang nur vermutet wird, sagt auch Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei. Er setzt darum auf allgemeine Regeln, die für alle Anbieter gelten. So unterscheide die Datenschutzgrundverordnung bei der Datenübertragung zwischen sicheren und unsicheren Drittstaaten, und diese Regeln müssten auf alle Länder angewendet werden. "Eine Lex China bringt uns da nicht weiter", sagt er. Statt dessen fordert Breyer, auch bei Youtube, Facebook und Co. genauer hinzugucken, wie dort mit den Daten ihrer Nutzer umgegangen wird. "Es ist schade, dass es in Europa keine Stelle gibt, die die Ressourcen hat, solche Prüfungen effektiv vorzunehmen." Trotzdem kann Breyer der aktuellen Debatte etwas Positives abgewinnen: "Es ist ein Fortschritt, wenn die USA am Beispiel Tiktok erstmals verstehen, dass es ein Sicherheitsrisiko ist, wenn ein Staat zu viel über die Vorlieben der Internetnutzer weiß."

Wegen fehlenden Schutzes der Nutzerdaten vor dem Zugriff durch US-Behörden hatte der Europäische Gerichtshof auch das Privacy-Shield-Abkommen gekippt, das bis dahin einen Rahmen für die Datenübertragung in die USA geboten hatte. Am Montag teilten die US-Regierung und die EU-Kommission mit, man habe Gespräche über eine Neuregelung für die Datenübermittlung aufgenommen. Der FDP-Politiker Körner sagt, letztlich gehe es dort um dieselben Fragen, die sich auch im Umgang mit Tiktok stellten. "Ganz allgemein muss die EU Antworten darauf finden, wie sie im Umgang mit diesen Ländern europäische Werte garantieren will."

Tiktok hat derweil in der EU eine Art Charmeoffensive gestartet. Im Juni unterzeichnete der Konzern den EU-Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation, Firmenchef Kevin Mayer traf sich per Videokonferenz mit EU-Digitalkommissar Thierry Breton, und erst vergangenen Donnerstag kündigte das Netzwerk an, 420 Millionen Euro in ein europäisches Datenzentrum zu investieren. Dort sollen ab 2022 die Daten der europäischen Nutzer gespeichert werden. Das Zentrum werde eine Schlüsselrolle dabei spielen, "den Schutz der Daten der Tiktok-Nutzer weiter zu verbessern", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Ob das reicht, Befürchtungen in der EU auszuräumen? Pirat Breyer glaubt nicht daran: "Das ist ein erster Schritt. Aber er bringt wenig, wenn das chinesische Hauptquartier weiterhin Zugriff auf die Daten hat."

© SZ vom 12.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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