Tech-Konzerne:Google erwägt riskantes Geschäft mit China

Blick auf Shanghai

Blick auf Shanghai: Für westliche Internetkonzerne ist China der attraktivste, weil größte Markt der Welt

(Foto: AFP)
  • Google überlegt, ob es wieder eine Suchmaschine in China anbietet. Doch die Firma müsste sich dafür der Zensur beugen.
  • Internetkonzerne können in China viel gewinnen: In keinem anderen Land gibt es mehr mögliche Nutzer.
  • Doch wer mit Peking kooperiert, kann einen Imageschaden erleiden.

Von Helmut Martin-Jung

Die Libelle wird nicht fliegen, vorerst zumindest nicht. Dragonfly, zu Deutsch Libelle, so heißt ein Projekt des Internetkonzerns Google für den chinesischen Markt. Geplant ist nach Berichten amerikanischer Medien eine App für die Internetsuche, die sich der chinesischen Zensur beugt und herausfiltert, was den Machthabern in Peking nicht genehm ist. Menschenrechtler zeigten sich empört, aber auch firmenintern gibt es demnach Kritik an den Plänen.

So schnell wird daraus aber ohnehin nichts werden. Die staatlich kontrollierte chinesische Zeitung Securities Daily schreibt unter Berufung auf "relevante Abteilungen", die Berichte über Googles Pläne seien falsch. Sowohl das investigative Internet-Nachrichtenportal The Intercept wie auch die New York Times hatten davor von Gesprächen mit Google-Mitarbeitern berichtet, die nicht nur bestätigten, dass es das Projekt gebe. Es hätten auch Gespräche mit der chinesischen Staatsführung stattgefunden, die schon begonnen hätten, bevor Präsident Donald Trump den Handelskrieg mit China angefangen habe.

Nicht namentlich genannte Google-Mitarbeiter legten der Times auch interne Mails vor, in denen sich Kollegen darüber beschweren, dass ihr Arbeitgeber seine Prinzipien aufgeben und sich den immer strenger werdenden Zensurvorschriften in China beugen wolle.

Viele US-Internetkonzerne zensieren bereits Inhalte für China

Der Konflikt der Internetfirmen zwischen Geschäft und Moral in China ist so alt wie der Aufschwung des Internets zum Massenmedium, und er betrifft nicht nur Google alleine. Schon Anfang der 2000er-Jahre war das Internet-Unternehmen Yahoo in die Kritik geraten, weil es den chinesischen Behörden dabei geholfen hatte, Nutzer ihrer Dienste zu identifizieren. Daraufhin waren Dissidenten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die Business-Plattform Linkedin, die inzwischen zu Microsoft gehört, zensiert Inhalte in China. Auch der iPhone-Konzern Apple kam Peking entgegen und entfernte Apps aus seinem Download-Angebot in China, mit denen sich die Internetüberwachung durch den Staat umgehen ließ.

Google dagegen hatte 2010 seine Internetsuche in China eingestellt, weil das Unternehmen zum einen die strengen Zensurauflagen nicht erfüllen wollte und zum anderen, weil es nach eigener Darstellung von einer schweren Hacker-Attacke getroffen wurde, als deren Urheber man indirekt China verantwortlich machte. Google wurde damals geführt von Larry Page und Sergej Brin. Heute leitet Page die Konzernmutter Alphabet, Brin ist deren Präsident. Für die Cashcow Google zeichnet seit 2015 der in Indien geborene Sundar Pichai verantwortlich. Pichai hat schon öfter erkennen lassen, dass er in China besser Fuß fassen wolle und zu Zugeständnissen bereit sei.

Dass so viele Internet-Konzerne auf den chinesischen Markt drängen, obwohl es ihnen die dortige Regierung keineswegs leicht macht, hat einen sehr einfachen Grund: Dieser Markt ist riesig. China ist das Land mit den meisten Internetnutzern weltweit, fast 800 Millionen Chinesen sind online. Das sind aber nur knapp 55 Prozent der Bevölkerung - weiteres Wachstum ist also zu erwarten. In den westlichen Ländern dagegen gibt es kaum noch Wachstum, in Deutschland liegt die Durchdringungsrate mittlerweile bei gut 96 Prozent, in den USA bei nahe 90 Prozent.

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