Steuern:Wie große Konzerne sich legal um Millionen-Steuerlast drücken

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Bestimmt die Skyline von Ludwigshafen: das Chemie-Werk BASF, in dem 39 000 Menschen arbeiten. (Foto: Uwe Anspach/dpa)
  • Die französische Trinkwasser-Firma Veolia konnte Abgaben von einer halben Milliarde Euro umgehen, ohne gegen Gesetze zu verstoßen.
  • Ähnliche Praktiken haben die Grünen im Europaparlament bereits bei BASF und der Modekette Zara aufgedeckt.
  • Die Fraktion fordert neue Transparenzvorschriften, damit fragwürdige Tricks einfacher ans Licht kommen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Natürlich geht es auch in Europa um die großen Namen. Kein Wunder also, dass sich die Debatte über Steuertrickser auf die US-Konzerne aus dem Silicon Valley konzentriert. Apple, Google und Amazon sind im Visier der EU-Kommission und wurden teils zu hohen Strafen verurteilt. Doch auch mitten in der Europäischen Union gibt es Unternehmen, die Steuergesetze zu ihren Gunsten nutzen und ihre Abgabenlast Richtung Null drücken. Die Grünen im Europaparlament deckten bereits die umstrittenen Praktiken der spanischen Modekette Zara und von BASF in Deutschland auf. Nun haben sie sich ein Unternehmen vorgenommen, das zwar groß, aber nicht ganz so bekannt ist: Veolia. Nach Berechnungen der Grünen hat der französische Konzern Steuergesetze so geschickt genutzt, dass er allein in den vergangenen fünf Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro an Steuern gespart haben soll.

In Deutschland ist Veolia besonders in Berlin bekannt. Ende der 1990er-Jahre hatte die damalige Landesregierung die Wasserbetriebe der Hauptstadt teilprivatisiert und an Veolia und RWE verkauft, um die hoch defizitäre Landeskasse zu entlasten. Nach starkem Protest der Bürger kaufte Berlin vor vier Jahren die Veolia-Anteile zurück. Der Konzern mit Sitz in Paris beschäftigt weltweit 174 000 Mitarbeiter und macht fast 25 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Das Unternehmen betreibt Trinkwasser- und Kläranlagen, kümmert sich um die Abfallentsorgung und versorgt kommunale Energienetze.

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Kommentar von Alexander Mühlauer

"Das Wachstum des Veolia-Konzerns gründet auf aggressiven Steuerpraktiken", sagt der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Er kritisiert vor allem die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verschiebung von Verlusten. Veolia nutzt dem Bericht der Parlamentarier zufolge Steuerregime in Frankreich, den USA und Großbritannien.

Grüne wollen bessere Vorschriften

Das Steuergruppensystem sieht vor, dass jede Tochtergesellschaft die Körperschaftsteuer eigenständig berechnet und an die Muttergesellschaft zahlt. Dies ist besonders lukrativ, wenn einige Unternehmen im Konzern steuerliche Verluste haben, die mit dem Steuergewinn anderer Gesellschaften verrechnet werden können. "Es ist völlig inakzeptabel, dass es einem Unternehmen gelingen kann, seine Steuerschuld durch gezielte Verlagerung von Gewinnen und Verlusten um mehr als eine halbe Milliarde Euro zu reduzieren, ohne auch nur gegen ein einziges Gesetz zu verstoßen", sagt Giegold.

Für die Grünen ist Veolia mit seinen weltweit 2700 Tochtergesellschaften das perfekte Beispiel dafür, dass es in der EU bessere Transparenzvorschriften braucht. Nur so könne mehr Licht in die undurchsichtige Welt fragwürdiger Steuerpraktiken bringen. Eine öffentliche und länderbezogene Berichterstattung sowie der Austausch zentraler Informationen zwischen den EU-Staaten wären mögliche Instrumente, um dies zu verwirklichen. Entsprechende Vorschläge liegen schon länger vor, aber sie stecken derzeit im Ministerrat fest. Die Grünen fordern die neue Bundesregierung auf, "die deutsche Blockade der Steuertransparenz" zu beenden. Wer weiß, vielleicht gelingt das ja auch, denn womöglich regiert in Berlin bald eine Jamaika-Koalition.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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