Das Wüstenstrom-Projekt Desertec nimmt Gestalt an: In München haben zwölf Unternehmen die Planungsgesellschaft Desertec Industrial Initiative GmbH (DII) aus der Taufe gehoben. Schon jetzt ist klar: Der Weg zur klimafreundlichen Sonnenenergie aus der Wüste wird lang - und teuer.
Ziel der Initiatoren aus der Energie-, Technologie- und Finanzbranche ist es, bis zum Jahre 2050 15 Prozent des europäischen Energiebedarfs aus nordafrikanischen Wüsten zu holen.
"Wir sehen in der Desertec-Vision einen ganz entscheidenden Baustein für den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung", sagte der niederländische Energiemanager Paul van Son, den die Gesellschafter zum Geschäftsführer der DII GmbH bestellt haben.
Namhafte Mitglieder
Man wolle durch "intensive Zusammenarbeit und einen interkulturellen Dialog" eine "solide Basis dafür schaffen, dass Investitionen in erneuerbare Energien und miteinander verbundene Stromnetze möglich werden".
Zu den Mitgliedern der Initiative zählen unter anderem die Münchener Rück, die die Industrie-Initiative angestoßen hatte, sowie die Deutsche Bank, Siemens und die Energiekonzerne Eon und RWE.
Das Projekt gilt als ebenso ambitioniert wie kompliziert: Die neue Gesellschaft mit Sitz in München muss zügig potente Geldgeber auftreiben, die bereit sind, in den kommenden Jahren die für das Projekt veranschlagten 400 Milliarden Euro zu investieren.
Straffer Zeitplan
Es müssen riesige solarthermische Energieanlagen in den Wüstenstaaten Nordafrikas gebaut werden; gleichzeitig muss der Stromtransport vom Süden nach Europa über Hochspannungsgleichstromleitungen garantiert werden - sowohl technisch als auch politisch.
Der Zeitplan scheint auf den ersten Blick großzügig, ist aber dennoch straff: Beginnen wird die Planungsgesellschaft zunächst damit, die ökonomischen, technischen und gesetzlichen Fragen zum Bau von Wüstenkraftwerken und der notwendigen Stromleitungen zu klären.
In drei Jahren soll dann ein fertiges Konzept mit möglichen Standorten und den benötigten Investitionssummen vorliegen. Geplant ist, neben München auch weitere Desertec-Zentralen in den Wüstenländern vor Ort zu errichten.
Am Anfang soll es schnell gehen: Erste Referenzprojekte, so der Plan, sollen schon kurzfristig die Machbarkeit des Mammutprojekts belegen. "Als Erstes müssen wir einen Fahrplan für schnell realisierbare Pilotprojekte definieren", sagte Thomas Rüschen, der bei der Deutschen Bank die Projektverantwortung für Desertec hat, der Süddeutschen Zeitung. Dann müsse "eine neue Phase mit der Realisierung im großen Stil beginnen".
Optimismus trotz Finanzkrise
Aus Sicht der Deutschen Bank wird dann auch ein großer Teil der veranschlagten Kosten von 400 Milliarden Euro fällig sein. "Bevor die großen, wichtigen Investitionen fließen, werden voraussichtlich noch fünf bis 10 Jahre vergehen", sagte Rüschen. "Bis dahin brauchen wir einen robusten Kreis von Investoren."
Bei der Deutschen Bank, die ihre Rolle zurzeit in der Koordinierung der offenen Finanzierungsfragen sieht, ist man trotz der Finanzkrise optimistisch, ausreichend Kapital zu bekommen.
"Auch wenn der Finanzierungsmarkt derzeit noch nicht zur Normalität zurückgekehrt ist, bin ich mir sicher, dass Desertec auch in schwierigen Zeiten zu stemmen ist", sagt Deutsche-Bank-Manager Rüschen. "Auch Risikoinvestoren und Pensionsfonds werden investieren."
Anfragen aus aller Welt
Es gebe bereits Anfragen aus allen Teilen der Welt. "Die Liste derer, die sich beteiligen wollen - auch finanziell - wird immer länger." Zudem gebe es "Signale aus der Politik, dass öffentliche Mittel fließen". Die EU unterstütze neue Technologien und auch die Bundesregierung wolle das Projekt begleiten. Die neue schwarz-gelbe Koalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag für das Desertec-Projekt ausgesprochen.
Die Pläne wurden erstmals Mitte Juli von einer Reihe von deutschen Unternehmen wie Siemens, der Münchener Rück und Schott Solar publik gemacht. Laut Rüschen wird sich der Charakter von Desertec im Laufe der nächsten Jahre aber komplett verändern. "Desertec soll internationaler werden", sagte er. Langfristig werde "die Mehrheit der Desertec-Gesellschafter nicht mehr deutsch sein". Staaten wie Marokko, Tunesien, Italien und Frankreich seien strategisch wichtige Länder, die bislang noch nicht vertreten seien.