Solar-Projekt Desertec:Die Retter der Welt - Sitz in München

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Aus der Vision wird eine Mission: Die Desertec-Initiatoren reden bei der Vorstellung des Wüsten-Solarprojekts in Superlativen - und haben doch wenig Konkretes zu bieten.

Tobias Dorfer

Die wichtigste Botschaft des Tages passt auf eine DIN-A4-Seite. Stolz hält Torsten Jeworrek, der Vorstand der Münchener Rück, ein Blatt Papier in die Höhe. Dreizehn Unterschriften sind darauf zu erkennen. Sie stammen von dreizehn Männern, deren Unternehmen und Initiativen sich zu einem Projekt zusammengeschlossen haben, das die Energieversorgung der Welt revolutionieren soll. Vorerst ist es nur ein Memorandum, ein Papier des guten Willens, das im Hauptsitz der Münchener Rück präsentiert wird. Doch die Botschaft ist klar: "Ein neues Betriebssystem", wie Desertec-Aufsichtsratschef Gerhard Knies sagt, soll für die Menschheit geschaffen werden: "Danke, dass Sie mit uns die Welt retten wollen", sagt er den versammelten Unternehmensvertretern.

Solarkraftwerk in der Negev-Wüste in Israel: Ein anderes Wüstenprojekt ist derzeit in Planung. Innerhalb von drei Jahren wollen 20 deutsche Konzerne Baupläne für Solar-Thermiekraftwerke in Nordafrikas Wüsten vorlegen. (Foto: Foto: AP)

Vor vier Wochen wurden die Desertec-Pläne zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, und seitdem elektrisiert die Vorstellung vom Sonnenstrom aus der afrikanischen Wüste die Massen. Umweltfreundlich, CO2-neutral, sauber, günstig - der Charme von Desertec bekommt auch durch die jüngsten Vorkommnisse im Atomkraftwerk Krümmel noch einmal eine ganz neue Dimension. "Visionär" gehört noch zu den zurückhaltenden Begriffen, die an diesem Tag in München fallen.

Dass aus der Vision eine Mission wird, dafür soll in vorderster Reihe Jeworrek sorgen. Der Vorstand der Münchener Rück ist sozusagen Mister Desertec. Selbst Nikolaus von Bomhard, Konzernchef des Rückversicherers, hält sich am Gründungstag vornehm zurück. Mehr als ein kurzes Grußwort ist ihm nicht zu entlocken. Nach wenigen Minuten zieht sich Bomhard in die Zuschauerreihen zurück. Das Sagen hat nun sein oberster Projektbeauftragter Jeworrek.

Fäden laufen in München zusammen

Die Solarthermie-Pläne sind nicht neu. Die Technologie ist ausgereift, in den USA, Spanien und demnächst auch in Ägypten wird mit Hilfe von Parabolspiegeln bereits saubere Energie gewonnen. Neu an Desertec ist vor allem die Größe, die sich in Superlativen bewegen: 15 Prozent des Strombedarfs von Europa sollen die Kraftwerke vom Jahr 2050 an liefern, dazu noch einen erheblichen Teil für die Erzeugerländer. Großkonzerne wie Siemens, ABB, Deutsche Bank, RWE und Eon sind beteiligt, dazu der spanische Konzern Abengoa Solar sowie Cevital aus Algerien. Die Fäden für das Megaprojekt laufen jedoch, so scheint es zumindest, in München zusammen.

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Das würden die Verantwortlichen der Münchener Rück natürlich selbst nie so sagen. Sie sehen sich mehr als "überparteilicher Mittler" wie Jeworrek sagt, der sich sichtlich bemüht, die Rolle seines Arbeitgebers herunterzuspielen. "Wir drängen uns nicht auf." Doch bei all der Zurückhaltung wird Jeworrek bereits durch den Anteil der Redebeiträge entlarvt. 90 Prozent der Fragen beantwortet der Münchener-Rück-Vorstand - nur selten gibt er zu Desertec-Chefkontrolleur Knies ab, einmal an den Vertreter von Siemens.

Torsten Jeworrek (r.), Vorstandsmitglied der Münchner Rück, stellt in München die Desertec-Details vor. (Foto: Foto: dpa)

Flankiert wird Jeworrek von elf Konzernvertretern, die sich sichtlich bemühen, ihre Rolle im Desertec-Projekt zu rechtfertigen. Das klingt dann in etwa so: "Wir begleiten das Projekt seit vielen Jahren", sagt Joachim Schneider, Vorstand des Technologiekonzerns ABB.

Von Caio Koch-Weser, Vice Chairman der Deutschen Bank, ist zu hören, dass sein Unternehmen ein "globales Finanzhaus" sei und ein "Vorreiter" in der Finanzierung derartiger Projekte. Da will auch Jürgen Lange von der HSH Nordbank mithalten und schwärmt von dem "umfangreichen Finanzierungs-Know-how" seines Hauses und einem großen Team. Und Wolfgang Knothe von MAN Solar Millenium erzählt stolz: "Unsere Leute haben die ersten Solarkraftwerke gebaut."

Besonders selbstbewusst ist der Siemens-Vertreter René Umlauft. Er berichtet davon, wie der deutsche Technologiekonzern in China bereits Strom von einem Kraftwerk in eine 1400 Kilometer entfernte Stadt transportiert. Insofern sei der Technologiekonzern geradezu prädestiniert, bei Desertec mitzuwirken. "Wir wären nicht Siemens, wenn wir uns diesen Herausforderungen nicht stellen würden", tönt Umlauft.

Gesellschaftsgründung im Herbst

Vorerst bleibt es jedoch bei Worten und dem guten Willen. Konkretes ist an diesem Mittag in München nicht zu hören. Nur so viel: Im Herbst soll eine entsprechende Gesellschaft gegründet werden. Drei Jahre später soll ein Businessplan stehen, aus dem dann wiederum hervorgehen soll, wann der erste Strom aus der Wüste fließt.

Der große Schlag ist es nicht. Gerade einmal 1,8 Millionen Euro stehen Desertec zunächst pro Jahr zur Verfügung. Münchener-Rück-Vorstand Jeworrek hofft darauf, dass die beteiligten Unternehmen darüber hinaus Mitarbeiter für die Initiative abstellen. Wenn alles gutgeht, dann könnte bereits im Jahr 2015 das erste Kraftwerk gebaut werden. Insgesamt wird das Projekt wohl 400 Milliarden Euro kosten. Woher das Geld stammen soll, ob Subventionen fließen werden und wie sich die Politik an der Initiative beteiligt - all diese Geheimnisse wurden bei der Gründung von Desertec nicht gelüftet.

So bleibt die Absichtserklärung ein erster Schritt, den die selbsternannten Weltenretter gemeinsam gehen. Viele weitere müssen folgen.

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