Atomkraft im Wahlkampf:Es fliegt was um die Ohren

Die Erfinder des Atomausstiegs haben ein Recht darauf, die Krümmel-Panne für den Wahlkampf auszuschlachten. Auch wenn das die Bürgerlichen anders sehen: Alles andere wäre fahrlässig.

Thorsten Denkler

Schon interessant, wie sich Politiker aus dem bürgerlichen Lager nach der erneuten Panne im AKW Krümmel auf Umweltminister Sigmar Gabriel einschießen. Der SPD-Politiker missbrauche einen harmlosen Zwischenfall als Thema für den Wahlkampf - das sei unredlich, mache den Menschen unnötig Angst und stehe in keiner Relation zu den tatsächlichen Vorgängen in Krümmel.

Diese Argumentation ist ebenso bigott wie das Versprechen auf eine Steuersenkung, die auf unabsehbare Zeit unbezahlbar ist. Natürlich muss Gabriel die kurzschlussbedingte Selbstabschaltung eines Atomkraftwerkes für den Wahlkampf nutzen: Alles andere wäre eine politische Dummheit und fahrlässig obendrein.

Zumal, wenn ihm gegenüber ein bürgerlicher Block steht, der nur darauf wartet, den von Rot-Grün auf den Weg gebrachten Atomausstieg aufzuweichen. Sollten Union und FDP nach der Bundestagswahl tatsächlich regieren, werden sie vielleicht nicht den Atomausstieg generell in Frage stellen - aber auf längere Laufzeiten für die Reaktoren werden sie sich sehr schneller einigen können, als ein Atomkern gespalten ist.

Wenn es so kommt, dann werden Alt-Meiler wie Krümmel oder Biblis A noch länger laufen. Länger, als womöglich zu verantworten ist.

Die Atomlobby behauptet: Ein Atomkraftwerk werde regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. Aber eine Sanierung macht aus einem 25 Jahre alten Atomkraftwerk keinen Neubau. Krümmel ist dafür mal wieder der stillstehende Beweis.

Zwei Jahre wurde im Kraftwerk ausgebessert und geflickschustert - kaum wieder hochgefahren, fliegt dem Betreiber Vattenfall erneut ein Transformator um die Ohren.

Das sind - entgegen allen Behauptungen - eben keine Einzelfälle. Krümmel ist auch dafür ein Paradebeispiel: In kaum einem anderen Atomkraftwerk hat es so viele Zwischen-, Stör- und meldepflichtige Ereignisfälle gegeben wie am Standort Geesthacht.

Es mag richtig sein, dass der Kurzschluss im Transformator die Sicherheit des Reaktors generell nicht in Frage gestellt hat. Aber die Tatsache, dass nach zwei Jahren Sanierung die Betreiber nicht mal die Kraftwerksperipherie im Griff haben, erhöht nicht gerade das Vertrauen in die beteiligten Unternehmen und in die Technik.

Die Deutschen wollen keine Atomkraft. Sie halten den Ausstieg für richtig. Schon allein deshalb muss den Erfindern des Atomausstiegs jeder Zwischenfall recht sein, Wahlkampf für ihre Sache zu treiben.

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