Nikolaus von Bomhard:"Diese Bonussysteme waren falsch"

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Münchener-Rück-Chef Bomhard über die Lehren aus der Finanzkrise, Solarenergie aus der Wüste - und die Probleme mit der Tochter Ergo.

T. Fromm u. A. Hagelüken

Nikolaus von Bomhard, 52, ist seit 2004 Chef des weltweit größten Rückversicherungskonzerns. Der Manager empfängt seine Gäste in gediegenem Ambiente: Die Konzernzentrale liegt im Münchner Stadtteil Schwabing hinter dem Englischen Garten - von Krise ist hier nicht viel zu spüren.

Nikolaus von Bomhard, Chef der Münchener Rück (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr von Bomhard, ist die Krise zu Ende, oder kommt das Schlimmste noch?

Bomhard: Die Fundamentaldaten sehen noch alles andere als rosig aus. Es wird bis zur ersten Jahreshälfte 2010 zwar Aufwärtsbewegungen geben, aber die bedeuten noch nicht das Ende der Krise. Erst im zweiten Halbjahr rechnen wir mit einer nachhaltigen Erholung.

SZ: Auch weil in den Bilanzen vieler Banken toxische Papiere schlummern...

Bomhard: Es ist unbestritten, dass längst nicht alles aufgearbeitet wurde. Manches kommt noch. Die Realwirtschaft leidet zusehends, daher werden viele Kredite ausfallen.

SZ: Viele Wettbewerber haben Riesenprobleme: Swiss Re, AIG - nur von Ihnen kommen keine Katastrophenmeldungen. Machen Sie wirklich alles anders?

Bomhard: Einige Strategien, die bei anderen nicht so gut liefen, haben wir schlicht nie verfolgt - zum Beispiel den Handel mit Kreditversicherungen. Das hat man getan, um höhere Renditen zu erwirtschaften. Wir sahen keine Möglichkeit, eine höhere Rendite bei angemessenem Risiko zu bekommen und machten diese Geschäfte daher nicht.

SZ: Das können wir nicht glauben - irgendwann wird es sicher schlechte Nachrichten aus München geben, oder?

Bomhard: Es wäre vermessen, in diesen Zeiten etwas auszuschließen. Was uns natürlich treffen kann, sind Insolvenzen von Firmen in großem Stil, entsprechend eng begleiten wir die Entwicklung. Ansonsten können wir unsere Strategie unverändert verfolgen - gewiss keine Selbstverständlichkeit in dieser Zeit.

SZ: Ändert sich die Einstellung der Finanzbranche, die ganze Gier nach Boni?

Bomhard: Mich hat immer gestört, dass mancher Vorstand sagte, ich muss den Topmitarbeitern so viel bezahlen, weil die anderen auch so viel bezahlen. Wenn jetzt die alten Bonussysteme zurückkommen, die stark auf kurzfristigen Erfolg abzielten und die damit verbundenen Risiken nicht berücksichtigten, dann wäre ich sehr enttäuscht. Diese Bonussysteme waren falsch.

SZ: Was sagen Sie Managern, die ein höheres Gehalt fordern?

Bomhard: Wir haben eine verantwortungs- und leistungsbezogene Vergütung, die die eingegangenen Risiken im Blick hat. Wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, zahlen wir gut; das ist auch notwendig. Bei der Münchener Rück geht es nicht nur um Geld, mindestens so wichtig sind die Arbeitsinhalte, das Maß an Verantwortung, die Ziele des Unternehmens.

SZ: Ist das in den angelsächsischen Ländern anders?

Bomhard: Ja, in bestimmten Branchen beobachte ich das. Aber das ließe sich ändern. Es muss eine Kultur geschaffen werden, die Mitarbeiter loyal und engagiert für das Unternehmen arbeiten lässt.

SZ: Sie wollen mit Ihrem Konzern die Welt retten, indem Sie ein Konsortium schmieden, mit dem Solarstrom aus der Wüste nach Europa transportiert wird. Glauben Sie wirklich daran?

Bomhard: Natürlich. Wir haben die Chance, einen wirklich großen Beitrag zur Bewältigung einer der großen Herausforderungen unserer Zeit zu leisten. Technologisch ist es möglich, auch die Finanzierung ist zu stemmen. Die Frage ist, ob die Politik das will und ob sich die betroffenen Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Hier stehen wir noch ganz am Anfang.

SZ: 400 Milliarden Euro sollen investiert werden, das ist sehr viel Geld...

Bomhard: ... aber langfristig eine darstellbare Summe. Wenn Sie sich die Investitionen in sonstige Infrastrukturprojekte anschauen, relativiert sich das.

SZ: Manche Kritiker fragen, warum sich die Münchener Rück hier so stark in den Vordergrund schiebt. Schließlich geht es doch ums Kerngeschäft von Energie- und Technologieunternehmen.

Bomhard: Ich sehe das anders. Wir sind in solchen Fragen ein objektiver Beobachter und engagieren uns seit langem, um die Folgen des Klimawandels weiter versichern zu können, und das zu bezahlbaren Preisen. Wir haben geringere Eigeninteressen, denn wir bauen keine Anlagen und legen keine Leitungen. Gerade weil wir neutraler sind, halten wir uns für einen guten Makler.

SZ: Ein Energieversorger würde für diese Rolle doch eher in Frage kommen.

Bomhard: Die Rollenverteilung ist noch völlig offen. Wir bieten uns an, drängen uns aber nicht auf.

SZ: Vattenfall-Chef Lars Josefsson hält das Projekt für nicht umsetzbar, und auch andere Manager aus der Energiewirtschaft klingen pessimistisch.

Bomhard: Es ist jetzt wichtig, mit weiteren Studien die offenen Fragen zu beantworten. Wir glauben an die Idee. Das heißt, wir erwarten von allen, die mitmachen, dass wir gemeinsam nach Lösungen suchen - und nicht nach Gründen, warum es nicht geht. Da sind wir uns alle einig. Das finde ich großartig.

SZ: Haben Sie die Unterstützung der Politik?

Bomhard: Die bisher zu vernehmenden Stimmen haben uns sehr unterstützt. Die Zeit ist reif, das jetzt anzugehen. Wie wichtig der Politik das Thema ist, zeigt sich daran, dass wir am Montag Vertreter verschiedener deutscher Ministerien und Repräsentanten der arabischen Welt mit am Tisch sitzen haben.

SZ: Im ersten Quartal machte Ihre Tochter Ergo, die Privatkunden versichert, 97 Millionen Euro Verlust. Das klingt nicht so, als würde Ergo das Gewinnziel von 900 Millionen Euro bis 2012 erreichen.

Bomhard: Die Frage ist doch: Können wir mit allem, was die Ergo erreicht hat, zufrieden sein? Da kann ich nur sagen: Über die vergangenen Jahre wurden gute Ergebnisse vorgelegt. Und die Ziele, die man sich für die Zukunft gesteckt hat, sind ambitioniert.

SZ: Sie bauen knapp 2000 Stellen ab. Werden Sie weitere Jobs streichen?

Bomhard: 2008 wurden die Kosten bei Ergo bereits über eine Vielzahl von Maßnahmen gesenkt. Dazu gehört auch das von Ihnen angesprochene Programm- weitere Planungen gibt es hier nicht.

SZ: Viele Ergo-Mitarbeiter fühlen sich von Ihnen dominiert.

Bomhard: Die rechtlichen Verhältnisse sind glasklar. Alles, was sich der Ergo-Vorstand vornimmt, muss er selber wollen und verantworten. Wir sind uns alle einig, dass angesichts der Größe der Ergo die Kosten einfach noch zu hoch sind.

SZ: Viele sagen: Der Bomhard und Ergo-Chef Torsten Oletzky sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht, wie Rück- und Erstversicherer.

Bomhard: Natürlich sind wir unterschiedliche Typen, und das ist gut so. Es geht ja auch darum in einem Unternehmen, verschiedene Charaktere und Talente am Tisch zu haben, die sich gegenseitig ergänzen. Es wäre zwar ein oft leichteres Managen, wenn Sie sich selber klonen. Aber dann blieben viele Argumente ungesagt. In einem Punkt stimme ich zu: Unterschiedliche Geschäftsmodelle bringen unterschiedliche Charaktere hervor.

SZ: Wie lange heißt Ergo eigentlich noch Ergo? Das kennt doch keiner.

Bomhard: Wundert Sie das? Wir bewerben Ergo ja auch nicht, dafür DKV oder Victoria. Im Ausland dagegen ist Ergo auch als Marke bekannt. Wir werden auf jeden Fall an dem Namen festhalten.

SZ: Schließen Sie aus, dass Sie Ergo verkaufen?

Bomhard: Ich sage seit Jahren, dass ich mir einen Verkauf nicht vorstellen kann. Ich habe keinen Grund, meine Meinung zu ändern.

© SZ vom 11./12.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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