Ein Chef für Desertec:Gut Wetter machen für die Sonne

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Der Niederländer Paul van Son soll das Wüstenstrom-Projekt Desertec leiten - er muss widerstreitende Interessen versöhnen.

M. Balser, Th. Fromm u. M. Hesse

Die Betreiber des milliardenschweren Wüstenstromprojekts Desertec haben sich auf einen Chef geeinigt. Der Niederländer Paul van Son soll die Pläne nach Angaben aus Kreisen des Konsortiums als Chief Executive Officer (CEO) vorantreiben. Er stehe ganz oben auf der Liste der Wunschkandidaten und sei bereit, den Posten anzutreten, hieß es am Freitag weiter. Eine Entscheidung werde in den kommenden Tagen fallen.

Parabolrinnenkraftwerk in der spanischen Provinz Granada: 13 Unternehmen verfolgen die Vision, Europa mit Sonnenstrom aus Afrika zu versorgen. (Foto: Foto: ddp)

Auch in der Streitfrage des Standorts für die Zentrale gibt es eine Lösung. Die Entwicklung riesiger Solarfabriken im Norden Afrikas soll von München aus gesteuert werden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe sich stark dafür eingesetzt, das Prestige-Projekt in die Landeshauptstadt zu holen, ist zu hören. Allerdings sei die Eröffnung weiterer Dependancen möglich.

13 Unternehmen - eine Vision

Als wahrscheinlich gilt in Konsortialkreisen, dass es zumindest eine starke Verwaltungsniederlassung in Nordafrika geben wird, um die Rolle der Region als Standort für die Sonnenkraftwerke zu würdigen. Die Planungsgesellschaft Desertec Industrial Initiative (DII) soll Ende kommender Woche an den Start gehen. Desertec gilt als das größte Ökostromprojekt aller Zeiten.

13 Unternehmen verfolgen die Vision, Europa mit Sonnenstrom aus Afrika zu versorgen. Zu den Gründungsmitgliedern zählen neben Siemens, Schott Solar, ABB, Eon und RWE auch die Deutsche Bank und der Rückversicherer Munich Re. Bis zum Jahr 2050 soll mindestens 15 Prozent des europäischen Strombedarfs mit Hilfe riesiger Solarthermie-Kraftwerke im Norden Afrikas und im Nahen Osten gedeckt werden. Teile der Energieproduktion sollen in der Region selbst genutzt werden. Das nötige Investitionsvolumen schätzen Experten auf bis zu 400 Milliarden Euro. In den kommenden drei Jahren will Desertec Geld von Investoren eintreiben und einen Geschäftsplan erarbeiten.

Umstrittene Personalie

Die Personalie an der Konsortiumsspitze war lange umstritten. Das Amt gilt als Schlüsselposten und verschafft nun der Energiebranche eine starke Stellung in der Gruppe. Denn der 56-jährige Niederländer Son arbeitet seit 25 Jahren für europäische Versorgungsunternehmen. In der Öffentlichkeit ist er kaum bekannt, gilt aber als Fachmann für Erneuerbare Energien. Zuletzt war er von 2003 bis 2008 Chef des Deutschland-Geschäfts des niederländischen Versorgers Essent, der in der Windkraft besonders aktiv ist und derzeit vom deutschen Konkurrenten RWE übernommen wird. Son arbeitet seit einigen Monaten als Vorsitzender der Europäischen Energiehändlervereinigung. Allerdings hieß es in Kreisen des Konsortiums, Son könnte womöglich nur eine Übergangslösung sein.

Zu den Herausforderungen für ihn wird es gehören, die unterschiedlichen Interessen in dem Desertec-Konsortium zu moderieren. Diese Rolle nahm bisher vor allem Munich Re ein. Einige Teilnehmer sind in Marktsegmenten, die bei Desertec eine Rolle spielen, direkte Wettbewerber. Das gilt etwa für Siemens und ABB in der Übertragungstechnik oder Schott Solar und Siemens bei Solartechnologien. Siemens-Chef Peter Löscher hatte erklärt, der Konzern strebe an, im Solarbereich Technologieführer zu werden. Dies wurde in der Branche als Kampfansage an die Wettbewerber interpretiert.

Der Niederländer Son solle zunächst mit zehn bis 15 Mitarbeitern antreten, hieß es. Der Ingenieur müsse die Initiative auf eine noch breitere Basis stellen, verlautete aus dem Konsortium, und neue Partner in der Mittelmeerregion gewinnen. Helfen soll dabei in Kürze auch ein prominenter Repräsentant, der den Titel eines Präsidenten tragen wird. Er solle als Botschafter für das Konsortium auftreten und auf politischer Ebene Türen öffnen. Noch sei umstritten, wer die Prestige-Aufgabe übernehme. Im Gespräch ist den Angaben zufolge noch immer Klaus Töpfer, Ex-Bundesumweltminister und früherer Chef des Uno-Umweltprogramms UNEP.

© SZ vom 24.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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