Immobilien:Warum in Deutschland so viele Sozialwohnungen fehlen

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Eine Deutschlandfahne und Satellitenschüsseln hängen in einem Wohnkomplex in Köln-Chorweiler an den Balkonen. (Foto: dpa)

Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland sinkt seit Jahren - obwohl die Politik das Problem eigentlich schon als "soziale Frage unserer Zeit" erkannt hat. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Hannah Beitzer

Etwa 1,2 Millionen Sozialwohnungen gab es 2017 in Deutschland - 46 000 weniger als im Jahr zuvor. Das ergab eine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung. Die Gründe dafür liegen in Versäumnissen der Vergangenheit.

Warum sinkt die Zahl der Sozialwohnungen?

Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt seit Jahren. 1990 gab es noch fast drei Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Doch in den 90er und 2000er Jahren galt der Staat als Investor als überkommenes Auslaufmodell. Viele Städte und Bundesländer verkauften Wohnungen, auch solche, die für die einkommensschwache Bevölkerung vorgesehen waren. Private Investoren jedoch müssen sich nur eine bestimmte Zeit an die Preisbindung von Sozialwohnungen halten. Danach können sie zu Marktpreisen vermieten.

Auch ihre Flächen verkauften die Kommunen. Die fehlen nun der öffentlichen Hand, um neue Sozialwohnungen zu bauen als Ersatz für diejenigen, die aus der Preisbindung fallen. Zwar können natürlich auch private Investoren Sozialwohnungen bauen, sie bekommen dafür eine staatliche Förderung. Doch für die lohnen sich teurere Wohnungen mehr.

Und so sind im Jahr 2017 nur 26 231 neue Sozialwohnungen entstanden. Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge wären allerdings jedes Jahr 80 000 neue Sozialwohnungen nötig, um den tatsächlichen Bedarf zu erfüllen.

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Wer hat überhaupt Anspruch auf eine Sozialwohnung?

Der soziale Wohnungsbau hat in Deutschland eine lange Tradition. Schon in den 20er Jahren entstanden in vielen deutschen Städten Wohnviertel und Genossenschaften speziell für die Arbeiterschaft. In der Nachkriegszeit war fast die Hälfte aller Wohnungen, die entstanden, als sozialer Wohnungsbau gefördert. Damals richtete sich das Angebot allerdings noch an große Teile der Bevölkerung, etwa 70 Prozent galten als förderungswürdig. Erst 2001 grenzte das Wohnraumförderungsgesetz die Zielgruppe auf jene Haushalte ein, die sich am freien Markt nicht versorgen können.

Wer in eine Sozialwohnung einziehen will, braucht einen Wohnberechtigungsschein. Den erhält jeder, der unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt. Für einen Einpersonenhaushalt liegt diese bei 12 000 Euro. Die Landesregierungen können diese Einkommensgrenzen jedoch anpassen - so erhalten zum Beispiel in Berlin Personen mit einem Einkommen von weniger als 16 800 Euro im Jahr einen Wohnberechtigungsschein.

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Schätzungen des Mieterbundes zufolge hat fast die Hälfte aller Deutschen Anspruch auf eine Sozialwohnung. Doch nur für jeden Siebten sei eine da. Andere Experten nennen derart hohe Zahlen nur für die Großstädte - und verweisen darauf, dass trotz des formalen Mangels das Problem nicht überall gleich groß sei: In einigen Gegenden Deutschlands seien auch Wohnungen günstig zu haben, die nicht formal als Sozialwohnung ausgewiesen sind. Das Problem sei vor allem eines der Ballungszentren und beliebten Wohngegenden. In vielen Städten hat sich die Situation jedoch in den vergangenen Jahren auch wegen des großen Zuzugs von Flüchtlingen verschärft.

Was sind die Folgen des Mangels?

In Großstädten müssen bereits 1,6 Millionen Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Als vertretbar gilt unter Experten ein Drittel des Einkommens. Doch gerade Haushalte, die ohnehin schon wenig Geld haben, müssen häufig mehr für die Miete aufbringen. Einen Umzug können sich bei ständig steigenden Mieten längst nicht mehr alle leisten - und bleiben lieber in Wohnungen, die längst nicht mehr zu den Lebensumständen passen. Das ergab unter anderem die SZ-Umfrage #meinemiete. Wer doch umziehen muss und wenig Geld hat, steht schnell vor existentiellen Problemen.

Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland hat sich der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zufolge seit 2014 verdoppelt. Die BAG W registrierte vergangenes Jahr 860 000 Menschen, die keine eigene Wohnung haben und in Übergangsunterkünften leben. Mehr als die Hälfte davon sind Flüchtlinge, was den großen Anstieg zum Teil erklärt. Aber eben nur zum Teil. Auch ohne Flüchtlinge ist die Zahl der Wohnungslosen von etwa 335 000 auf 420 000 gestiegen.

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Hinzu kommen bundesweit etwa 52 000 Obdachlose, also Menschen, die nicht in Unterkünften oder bei Freunden oder Verwandten unterkommen konnten und auf der Straße leben. Die Notunterkünfte in vielen Städten können längst nicht mehr alle Menschen aufnehmen, die zu ihnen kommen.

"Die Notunterkünfte sollen eine Übergangslösung sein, bis sich die Menschen wieder stabilisiert haben", sagt zum Beispiel Ortrud Wohlwend von der Berliner Stadtmission. Aber inzwischen sei es so schwer für sie, eine Wohnung zu finden, dass manche bis zu zehn Jahre in einer Notunterkunft lebten. Immer häufiger müssen Notunterkünfte sogar Familien mit kleinen Kindern wieder wegschicken, d ie nicht wissen, wo sie bleiben sollen.

Ähnliches berichten Frauenhäuser. Sie erleben, dass ihre Bewohnerinnen aus Verzweiflung wieder zurück zu ihren prügelnden Ehemännern ziehen - weil sie keine Wohnung finden. Oder eben jahrelang im Frauenhaus bleiben. Gerade für Alleinerziehende mit Kindern, Menschen mit ausländischem Namen und Akzent, sei es schwer, eine Wohnung zu finden.

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Was tut die Politik gegen den Mangel?

Justizministerin Katharina Barley sagte kürzlich: Mieten seien "die soziale Frage unserer Zeit". Es besteht also kein Zweifel daran, dass das Problem als solches der Politik bekannt ist. Der Mangel an Sozialwohnungen ist dabei nur ein Puzzlestein. In den deutschen Ballungszentren mangelt es an allem: Sozialwohnungen, aber auch an Wohnungen für Normalverdiener-Familien, Rentner und Studenten. Die Menschen mit geringem Einkommen trifft das Problem allerdings am härtesten. Dagegen hilft Experten zufolge nur: Bauen, bauen, bauen. Die Verantwortung für den Wohnungsbau ging mit der Bildung der neuen großen Koalition vom Umwelt- auf das Innenministerium unter Minister Horst Seehofer über.

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Der soziale Wohnungsbau allerdings unterliegt seit der Föderalismusreform 2006 den Ländern. Er wird dennoch weiterhin vom Bund gefördert, 2017 mit 1,5 Milliarden Euro. Inzwischen versuchen viele Städte, die in den vergangenen Jahrzehnten verscherbelte Fläche wieder zurückzukaufen und ihre städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu stärken. Städte wie München oder Berlin verpflichten auch private Investoren größerer Bauprojekte zudem, einen bestimmten Anteil von Sozialwohnungen zu schaffen.

Die Grünen fordern noch mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und wollen ein altes Konzept wieder aufleben lassen: die Wohngemeinnützigkeit. Bis 1990 bekamen Wohnungsunternehmen, die sich an bestimmte Vorgaben hielten, Steuervorteile.

Der Paritätische Gesamtverband Deutschland fordert, dass der Bund den Bau von Sozialwohnungen mit mindestens drei Milliarden Euro jährlich fördern soll - und dass die öffentliche Hand außerdem Wohnungen zurückkaufen soll, für die die Sozialbindung ausgelaufen ist oder ausläuft. Auch der Verband fordert eine Rückkehr zur Wohngemeinnützigkeit, was zum Beispiel bedeute, dass Unternehmen maximal vier Prozent Rendite an ihre Gesellschafter auszahlen dürfen und überdies erwirtschaftetes Geld in den Wohnungsbau reinvestieren müssen.

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