Sozialleistungen:Hartz IV ist das Kürzel für den Niedergang der SPD

Hartz-IV-Sanktionen vor Bundesverfassungsgericht

Demonstranten vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Das Bundesverfassungsgericht kann das Hartz-IV-Gesetz reparieren. Die SPD reparieren - das kann das Gericht nicht. Trotzdem könnte die Sozialdemokratie profitieren.

Kommentar von Heribert Prantl

Das "Gesetz über die Grundsicherung für Arbeitssuchende" war, seitdem es dieses Gesetz gibt, ein Gesetz zur Grundverunsicherung der Arbeitssuchenden. Diese Grundverunsicherung kann das Bundesverfassungsgericht mildern, wenn es nun über Hartz IV verhandelt und entscheidet.

Das höchste Gericht wird wohl das strenge Sanktionsregime korrigieren, das die Jobcenter auf der Basis des Hartz-IV-Gesetzes über Arbeitslose verhängen, wenn die einen Job nicht annehmen oder sonst nicht ausreichend kooperieren. Das Bundesverfassungsgericht wird Ausführungen dazu machen, ob man Arbeitslosen, die sich aufgegeben haben, wirklich zur Strafe das Existenzminimum minimieren darf. Das Gericht wird sich dazu erklären, ob man junge Leute schärfer sanktionieren darf als ältere, oder ob das nicht dem Gleichheitssatz widerspricht. Es wäre gut, wenn dem höchsten Gericht die Korrekturen gelängen, die dem Gesetzgeber nun seit dem Jahr 2005 nicht gelungen sind. Diese Korrekturen zu unternehmen ist keine Anmaßung des Gerichts, sondern seine Aufgabe. Es geht darum, eines der umstrittensten Gesetze, die es in der Bundesrepublik je gegeben hat, am Maßstab der Sozialstaatlichkeit zu überprüfen.

Die SPD ist neben sich, außer sich und hinter sich

Das darf das Gericht, das kann das Gericht, das muss das Gericht. Das Gericht darf, kann und muss das Gesetz reparieren. Eines aber kann und darf das Gericht nicht: Es kann nicht die SPD reparieren. Die SPD ist, seitdem sie unter Bundeskanzler Gerhard Schröder das Gesetz gemacht und mit der rot-grünen Koalition durchs Parlament gebracht hat, neben sich, außer sich und hinter sich. Das Kürzel für den Niedergang der SPD heißt Hartz IV. Es steht bis heute für die Entfremdung der SPD von den neuen sozialen Unterschichten der Republik. Hartz IV hat zur neuen Spaltung der SPD geführt, es hat dazu geführt, dass sich erst die WASG und dann die Linke gebildet hat. Hartz IV ist der Hauptgrund dafür, warum die Streitigkeiten und die Zerwürfnisse in der SPD nicht aufhören.

Wenn das Land Glück hat, kann das Verfassungsgericht mit seiner Entscheidung den sozialen Frieden wieder stabilisieren. Wenn sich die SPD dann wieder stabilisieren könnte, wäre das ein Kollateralnutzen.

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