In diesen Minuten geht mal wieder ein David Alaba über den digitalen Ladentisch: 179,88 Euro bietet Nutzer Lyonnais86 für den Österreicher, der seit dieser Saison für Real Madrid aufläuft. Nein, es geht nicht um den echten Alaba. Auf der Website des französischen Unternehmens Sorare werden lediglich digitale Sammelkarten verkauft, Fotos der Spieler mit Name, Alter, Nationalität, Position und Verein. Die Bildchen erinnern an Panini, die Plattform eher an Ebay. 20 Minuten läuft die Auktion für die Alaba-Sammelkarte noch.
Der Verteidiger ist nicht der einzige Spieler, der derzeit bei Sorare versteigert wird. Vor Kurzem hat die Plattform einen Lizenzvertrag mit "La Liga" abgeschlossen, dem spanischen Gegenstück zur ersten Bundesliga. Nach und nach werden nun Bildchen aller spanischen Spieler an die Nutzer der Plattform verkauft. Dabei ist dieser David Alaba nicht mal der einzige David Alaba, der versteigert wird: Er ist Nummer 72 von 1000 limitierten David-Alaba-Karten. 20 Minuten später geht er tatsächlich an Lyonnais86, für letztlich 277,76 Euro. Ein stolzer Preis für ein digitales Bild, das sich jeder andere Nutzer mit einem Rechtsklick kopieren könnte. Was macht die Bildchen von Sorare so besonders?
Die digitale Sammelkarte von David Alaba ist eigentlich nur eine Verpackung. Was Lyonnais86 tatsächlich gekauft hat, ist ein sogenannter NFT. NFTs oder Non-fungible-Tokens sind digitale Sammelobjekte. Die digitalen Abbilder, in Sorares Fall die Sammelkarten, verweisen auf ihren Speicherort auf der Blockchain der Krypto-Plattform Ethereum. Die Transaktion der Karte von Sorare an Lyonnais86 ist für jeden Nutzer nachvollziehbar, auf der Website von Sorare und auf der Ethereum-Blockchain. Das Bildchen lässt sich kopieren, die NFT-Technologie macht den digitalen Alaba trotzdem fälschungssicher.
NFTs gibt es mittlerweile von einer ganzen Reihe von Dingen. Kunstwerke, Memes, sogar Tweets wurden mittlerweile in NFTs verwandelt und werden auf speziellen Plattformen gehandelt. Verkäufe von NFT-Kunstwerken erzielen auf Marktplätzen wie Super Rare teils Millionenerlöse. Die Blockchain-Technologie sorgt dafür, dass die Geschäfte transparent sind: Jeder kann jederzeit sehen, wem die digitalen Sammelobjekte gerade gehören.
Fantasy-Sport ist ein Riesengeschäft, vor allem in den USA
Sorare geht noch einen Schritt weiter als andere NFT-Plattfomen. Das Unternehmen kombiniert den Verkauf der Sammelobjekte mit einem anderen Trend der Sportwelt: Fantasy-Managerspiele. Woche für Woche stellen Hunderttausende Möchtegern-Trainer in Tausenden Fantasieligen ihre Mannschaften auf und konkurrieren mit Freunden um Punkte, beim American Football, beim Basketball oder beim Fußball. "Fantasy" ist dabei ein etwas irreführender Begriff. Aufgestellt werden real existierende Spieler, Punkte verdienen diese für ihre Manager mit guten Leistungen auf dem Platz. Fantasy-Sport ist ein Riesengeschäft, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland gibt es etwa mit Comunio und Kicker.de bekannte Anbieter.
Auch Sorare mischt hier mit. Wer fünf NFT-Sammelkarten besitzt (einen Torwart und vier Feldspieler) kann seine Mannschaft bei Wettbewerben antreten lassen. Spielen die echten Spieler in ihren Ligen gut, verdienen die Sorare-Manager Punkte. Wer viele Punkte macht, kann Geldpreise und neue Sorare-Karten gewinnen.
Sorare profitiert also von gleich zwei boomenden Märkten. Das hat Investoren überzeugt: Gerade erst haben die Franzosen bei einer Finanzierungsrunde 680 Millionen Dollar eingesammelt. Insgesamt wird Sorare damit mit 4,3 Milliarden Dollar bewertet, was das Unternehmen zum wertvollsten Start-up Frankreichs macht. Sogar Präsident Emmanuel Macron gratulierte via Linkedin. Das meiste Geld kommt von den Japanern von Softbank, aber auch die deutschen Wagniskapital-Geber von Headline haben investiert. Headline-Partner Christian Miele überzeugt vor allem, wie viele User nach drei Monaten noch dabei seien, nämlich 70 Prozent. Auch das Wachstum sei gigantisch. Zudem sei Sorare von Anfang an profitabel gewesen. "Von unserem ersten Investment hat die Firma noch nichts angerührt", sagt er.
Wirklich einzigartige Karten sind schwarz
Bei Sorare gibt es Sammelkarten in vier verschiedenen Farben, die für den Seltenheitswert der Karten stehen. Die erwähnte David-Alaba-Karte war gelb, von ihr gibt es pro Spieler 1000 Stück. Rote Alabas gibt es dann schon nur noch 100, blaue gerade einmal 10. Wirklich einzigartige Karten sind schwarz. Die schwarze Ronaldo-Karte etwa ist aktuell so was wie die blaue Mauritius der Sorare-Sammelkarten. Der Vorbesitzer verkaufte die Karte im März für 245 000 Euro an einen anderen Nutzer. Auch im Primärverkauf kosten einzigartige Karten teilweise Tausende Euro.
Lyonnais86 sind die ultraseltenen Karten zu teuer. Er ist seit einem halben Jahr dabei und hat bislang etwa 5000 Euro in Karten investiert. Ganz schön viel Geld, gibt er zu. Allerdings könne er sie ja jederzeit an andere Nutzer verkaufen. Lyonnais86 heißt eigentlich mit Vornamen Corentin, ist 23 Jahre alt, Physiotherapeut und Olympique-Lyon-Fan . Er hat schon mehrfach kleinere Geldpreise in Form der Kryptowährung Ether gewonnen. Die verdient man sich automatisch, sobald ein Team von fünf Spielern 200 Punkte erreicht. Das sei absolut machbar, sagt Corentin. Mit einem guten Team könne man so beim aktuellen ETH-Kurs zwischen 25 und 50 Euro pro Woche verdienen. Das mache das 280-Euro-Investment für eine David-Alaba-Karte vertretbarer.
Für Sorare sind Investments von Menschen wie Corentin derzeit eine Goldgrube. Wenn jede der rund 5oo gelben Alaba-Karten, die im freien Verkauf landen - die andere Hälfte geht in Form von Sachpreisen an die Spieler des Fantasy-Spiels - 280 Euro bringt, verdient Sorare daran etwa 150 000 Euro. Und das mit einem einzigen Spieler. In der spanischen Liga kicken insgesamt etwa 500 Profis, genau wie in der englischen und in der deutschen. Sorare will zudem jede Saison neue Karten ausgeben.
"The Show must go on."
Investor Christian Miele vergleicht das Geschäftsmodell der Firma mit dem von analogen Sammelkarten, aber mit einer zusätzlichen Payback-Komponente, da Sorare einen Teil der Marge aus den Kartenverkäufen an seine Nutzer zurückgebe. Die "Marge" von Sorare selbst an den verkauften Karten liegt zunächst einmal - anders als bei produzierten Konsumgütern - bei fast 100 Prozent des Verkaufspreises. Schließlich schafft Sorare Spielgeld aus dem Nichts, das die Leute mit echtem Geld bezahlen. Etwa die Hälfte davon landet auf die ein oder andere Weise wieder bei den Nutzern, entweder in Form von Sachpreisen oder als Geldprämien für die Fantasy-Wettbewerbe. Etwa zehn Prozent der generierten Einnahmen gehen zudem an die Fußballclubs der teilnehmenden Ligen. Ein guter Deal für alle Seiten?
Tatsächlich können sich viele Sorare-Nutzer Woche für Woche als Sieger fühlen. Und wer nichts gewinnt, bekommt immerhin ein fesselndes Fantasy-Spiel. Gleichzeitig erinnert vieles an Sorare an ein Kartenhaus, das jederzeit zusammenstürzen könnte. Der Wert, den die Nutzer bereit sind für Karten zu zahlen, hängt von mehreren Faktoren ab. Der Seltenheitswert ist einer davon. Den kann Sorare aber jederzeit ändern. Erst vor einem Monat wurde eine neue Seltenheitskategorie eingeführt, um mehr Karten verkaufen zu können. Das hat dem Preis der selteneren Karten zwar bislang nicht geschadet, das muss aber nicht so bleiben. Ein weiterer Faktor für den Wert einer Karte ist der Mehrwert, den sie ihrem Besitzer bringt. Denn auch die automatischen Gewinne für Nutzer wie Corentin könnte Sorare theoretisch jederzeit einstellen. Und auch der Kurs der Kryptowährung ETH könnte durchaus einbrechen. Dann verlören die Spielkarten schlagartig an Wert.
Das gibt auch Investor Miele zu. Damit das Modell Sorare funktioniere, müsse das Interesse der Nutzer und damit der Preis der Karten zumindest konstant bleiben. "The Show must go on", sagt er. Gerade sieht es tatsächlich so aus, als könne die Show noch eine Weile weiterlaufen. Sorare verdient eine Menge Geld und kann sich mit Hilfe von Investitionen weitere Deals mit großen Fußball-Ligen sichern. Bis Ende 2022 will Sorare Verträge mit den 20 größten Ligen der Welt abgeschlossen haben. In Deutschland sind derzeit nur der FC Bayern und Bayer Leverkusen mit an Bord.
Dafür will Sorare nun zügig wachsen. Derzeit hat die Firma nur 30 Mitarbeiter - nicht gerade viel für ein Unternehmen, das mit 4,3 Milliarden Dollar bewertet wird. Gerade sucht Sorare Software-Ingenieure und Game-Designer. Sie sollen eine App programmieren und sich überlegen, wie das Spiel auch dann noch Nutzer fesselt, wenn irgendwann einmal nicht mehr ein paar Hunderttausende aktiv sind, sondern Millionen.