Smudo:"Uns geht es darum, geil gefunden zu werden"

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Smudo von den Fantastischen Vier über 50.000 Mark - und das Glück, der Programmiererschule entgangen zu sein.

Silke Bigalke und Hannah Wilhelm

Als vor 20 Jahren der Erfolg der Fantastischen Vier begann, trugen die vier Bandmitglieder knallbunte Pullover. Heute erscheint Smudo, der eigentlich Michael B. Schmidt heißt, ganz in Schwarz zum Interview. "I wear it all black, because I'm fat", sagt der 41-jährige Musiker lakonisch und verschwindet noch mal eben, um seine kleine Tochter nach Hause zu bringen. Viel Zeit hat er nicht, die Band nimmt gerade eine neue Platte auf und probt für ihr Silvesterkonzert in Köln. Also: Auf geht's.

Hip-Hopper Smudo hat nach 20 Jahren im Musikgeschäft noch nicht ausgesorgt. Sagt er. (Foto: Foto: imago)

SZ: Lassen Sie uns über Geld reden. Nach 20 Jahren im Musikgeschäft müssten Sie doch ausgesorgt haben, oder?

Smudo: Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht so genau. Wir sind ja in einen Lebensstil hineingewachsen, von dem ich nicht sagen kann, ob ich ihn mir ohne neue Platte leisten könnte oder nicht. Und da einen die Muse nicht ununterbrochen küsst, weiß ich auch nicht, ob nach dem nächsten Album gleich wieder eins kommt.

SZ: Und dann?

Smudo: Wenn uns mal nichts mehr einfällt, ist Feierabend. Dann ist nur noch in der Sonne sitzen und Salatstechen in Nizza.

SZ: Salatstechen in Nizza?

Smudo: Das ist aus "Asterix, das Geschenk Caesars". Da schenkt Julius Caesar altgedienten Legionären eine Parzelle im römischen Reich. So einem Suffbold schenkt er das gallische Dorf und seinem Kumpel eine Parzelle in Nizza. Der sagt dann immer: Ich gehe jetzt nach Nizza, Salatstechen. Meine Bezeichnung für die diffuse Popstar-Pension.

SZ: Aber jetzt noch nicht?

Smudo: Nein. Wir nehmen gerade eine neue Platte auf. Außerdem haben wir eine Booking-Firma, eine Gesellschaft, die sich um unsere Werbeeinnahmen kümmert, wir haben eine Immobilien GmbH, über die wir zwei größere Immobilien finanzieren. Und dann haben wir noch eine Kack- Immobilie, so ein Drecksmistscheiß, der uns aufgeschwatzt wurde, damals, 1992. Schrecklich.

SZ: So viele Firmen - Sie sind ein mittelständischer Unternehmer.

Smudo: Oh ja. Und wir unterliegen der Steuerprüfung. Alle drei Jahre kommen die netten Leute vom Finanzamt, kauen sich durch die Akten, stellen merkwürdige Fragen und dann gehen sie wieder.

SZ: Was für Fragen?

Smudo: Wir haben mal eine Biographie rausgebracht, die hat sich nur 13.000 Mal verkauft und sich gerade so selbst getragen. Sie tauchte also bei den Einnahmen nicht auf, weil es keine Einnahmen gab. Die Steuerprüfer kamen und wollten Autogramme für ihre Kinder. Wir haben ihnen noch dazu das Buch geschenkt und dann hieß es sofort: Die Einkünfte für den Verkauf der Biographie haben wir ja gar nicht in den Büchern gesehen. Da bin ich fast wild geworden. Dass die grundsätzlich denken, dass wir sie bescheißen. Wir sind ehrliche, steuerzahlende Leute. Und wir zahlen viel an die Steuer...

Fanta 4: Smudo
:Rocken bis zur Rente

Nein, Smudo ist noch nicht 70, auch wenn er manchmal so aussieht. Er feiert erst 20. Bühnenjubiläum mit seiner Band Fanta 4. Ein Portrait über den Mastermind der Hip-Hop-Pioniere in Bildern.

SZ: ... weil Sie viel verdienen. Ist das ein Problem? Muss man nicht arm und leidend sein, um kreativ zu sein?

Fanta 4: Smudo
:Rocken bis zur Rente

Nein, Smudo ist noch nicht 70, auch wenn er manchmal so aussieht. Er feiert erst 20. Bühnenjubiläum mit seiner Band Fanta 4. Ein Portrait über den Mastermind der Hip-Hop-Pioniere in Bildern.

Smudo: Steuern zahlen ist natürlich okay. Wohlstand alleine macht aber nicht kreativ. Kreativität ist ja ein menschlicher Reflex. Es muss eine Notsituation her. Nur ein Affe, der Hunger hat, kommt auf die Idee, zwei Kästen aufeinander zu stapeln, um die Banane zu bekommen, die an der Decke hängt. Dieser kreative Vorgang ist natürlich schwierig, wenn man satt und solvent an seiner Eigentumswohnung bastelt. Da muss man sich diese Motivation anderweitig holen.

SZ: Woher nehmen Sie sie also?

Smudo: Ich würde sagen, dass dieses arm und leidend nicht wörtlich verstanden werden muss. Es genügt auch, beispielsweise ein pessimistischer, zynischer Typ zu sein.

SZ: So wie Sie es sind?

Smudo: Ich habe einen bitteren Zynismus über die Branche. Popmusik langweilt mich über weite Strecken. Wenn ich das Radio anmache, dann finde ich das alles ganz ekelhaft. Diese Unzufriedenheit kann eine künstlerische Motivation sein. Ich finde das Ewiggestrige in der Musik peinlich. Das hat mit Kreativität und Innovation nichts zu tun. Dieser Umstand ist immer unsere größte Wurst, die wir als Windhunde in der Arena unseres Lebens vor uns herhängen haben.

SZ: Macht Geld träge?

Smudo: Nein. Leben und Geld, diese beiden Dinge gehören absolut zusammen. Keiner von uns möchte sich die Mühe machen, sein Frühstücksbrötchen selbst zu backen. Man bezahlt dafür einen Bäcker. Und manche möchten sich eben nicht die Mühe machen, ihre traurigen, selbstzerstörerischen, selbstkritischen, zynischen oder unterhaltsamen Gedanken über diese Welt niederzuschreiben. Also übernehmen wir Künstler das für die anderen. So gesehen sind wir Dienstleister.

SZ: Ist es schwerer, Kreatives zu verkaufen als etwas Handfestes?

Smudo: In meinen Schreibblockaden-Stunden sitze ich da und beneide den Tischler, der aus einem Holz einen Tisch macht, den alle benutzen können und der einfach dasteht. Aber unser Beruf ist ja unfasslich abwechslungsreich und wenn die Platte fertig ist, sind wir da auch sehr, sehr stolz drauf. Das ist ja dann auch etwas Handfestes.

SZ: Wie alt waren Sie, als es mit den Fantastischen Vier losging?

Smudo: 21. Ich wollte eigentlich auf die Akademie für Datenverarbeitung in Böblingen gehen. Zum Glück hat das mit der Band funktioniert, sonst hätte ich dort eine total veraltete Programmiersprache gelernt, wäre arbeitslos geworden, auf die schiefe Bahn geraten und wahrscheinlich sehr früh an Heroin gekommen.

SZ: War die Entscheidung damals mit Existenzangst verbunden?

Smudo: Vor allem mein Vater fand das komisch. Ich nicht. Ich bin ja ein wohlbehütetes Mittelstandskind. In der Eigentumswohnung meiner Eltern hatte ich gar kein Gefühl für Risiken. Ich habe immer geglaubt, dass ich irgendwie zu Geld komme. So war es dann auch.

Fanta 4: Smudo
:Rocken bis zur Rente

Nein, Smudo ist noch nicht 70, auch wenn er manchmal so aussieht. Er feiert erst 20. Bühnenjubiläum mit seiner Band Fanta 4. Ein Portrait über den Mastermind der Hip-Hop-Pioniere in Bildern.

SZ: Richtig Geld verdient haben Sie dann mit dem Lied "Die da".

Smudo: Ja. Wir saßen im Jugendzimmer und haben an selbstgebauten Computern an unseren Songs für die dritte Platte gebastelt, während die zweite gerade ein Riesenerfolg wurde. Wir haben das gar nicht richtig begriffen. Unser Manager hat uns jedem 50.000 Mark in einem Lederkoffer vorbeigebracht: "Damit ihr mal wisst, wie sich das anfühlt." Wir wussten nichts damit anzufangen. Ich hab den Koffer in meinen alten 1500-Mark-Passat geschmissen und bin zu meinen Eltern gefahren. Meine Mama sagte: "50.000 Mark. Das wäre ein guter Teil unserer Hypothek." Zu Hause nahm meine damalige Freundin die Scheine, schrie juhu!, rannte durch die Wohnung und schmiss die Banknoten um sich. Ich habe die ganzen Mücken wieder eingesammelt und am nächsten Tag als Festgeld bei der Bank angelegt. Die beiden Vorfälle haben mich nachdenklich gemacht.

SZ: Warum?

Smudo: Es hat mich erschüttert, dass etwas, wofür meine Eltern noch lange arbeiten müssen, bei mir im Koffer liegt und ich nicht weiß, was ich damit machen soll. Außerdem bekam ich das Geld für meine deutsche Rapmusik, für die mein Vater damals keine Zukunft sah.

SZ: Sie hatten Mitleid?

Smudo: Pure Empathie. Schreiben Sie das auf: Empathie. Das war eine super Maßnahme von unserem Manager.

SZ: Warum?

Smudo: Wir waren Anfang 20, es ging uns nicht ums Geld. Wir wollten Konzerte spielen und möglichst viele Weiber abschleppen. Diese 50.000 Mark brachten mich dazu, mir Gedanken über Geld zu machen.

SZ: Moment, Sie haben sich von Anfang an offensiv vermarktet. Sie haben sich verkauft, sagen Kritiker. Und dabei soll es nicht ums Geld gegangen sein?

Smudo: Wir wollten unbedingt Popstars werden. Uns ging es darum, geil gefunden zu werden. Darum geht's uns auch immer noch.

SZ: Sie wollen geliebt werden.

Smudo: Ja.

SZ: Das wollen wir auch.

Smudo: Ganz genau. Alle wollen geliebt werden. Wenn der Chef Ihnen einmal über den Kopf streichelt, dann ist das 13. Monatsgehalt gar nicht so wichtig. Aber klar, die Verlockung des Geldes war natürlich auch da. Wir haben zum Beispiel "Die da" mit Vorsatz als Hit angelegt...

SZ: Wie das?

Smudo: Die Plattenfirma hat gesagt, dass wir irgendwie ins Radio kommen müssen. Live waren wir bereits sehr erfolgreich, aber im Radio wurden wir ignoriert. Also haben wir so ein poppiges Gute-Laune-Lied gemacht. Wir haben sogar gepfiffen bei dem Song. Und es endet bei 800.000 verkauften Langspielplatten, Platz zwei in Deutschland.

SZ: Sie wurden geliebt.

Smudo: Und auch viel gehasst. Wir haben dann ein sehr introvertiertes düsteres Album aufgenommen, weil wir eben nicht die sein wollten, für die uns alle hielten: diese bunten, lustigen Typen. Deshalb war "Die da" auch gut für unsere künstlerische Weiterentwicklung. Heute werden wir ständig gut gefunden, haben so einen Auf-Lorbeeren-Ausruh-Status. Das ist künstlerisch sehr gefährlich.

SZ: Da haben Sie alles dafür getan, um geliebt zu werden, und wenn's dann klappt, ist es auch nicht gut?

Smudo: Ja, ist das nicht irre? (lacht) Jetzt ist es etwas anders. Ich habe eine Tochter, in ein paar Wochen kommt die zweite. Jetzt will ich, dass meine Töchter mich geil finden. Ich will sie schützen und für sie da sein. Das ist eine andere Motivation. Auch eine Motivation, die zu Umsatz führen kann, weil man Sicherheit schaffen möchte, für die Zukunft.

© SZ vom 18.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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