Smartphones:Immer das neueste iPhone? Muss nicht sein

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Samsung stellt das Galaxy Note 8 vor. Die Hardware-Events der Tech-Konzerne gleichen Gottesdiensten. (Foto: Drew Angerer/AFP)
  • Der technische Fortschritt bei Smartphones hat sich verlangsamt, echte Innovationen sind selten geworden.
  • Moderne Luxus-Smartphones kosten mittlerweile mehr als 1000 Euro.
  • Objektiv betrachtet ist das keine sinnvolle Investition. Geräte der Vorgängergenerationen sind immer noch leistungsfähig.

Von Helmut Martin-Jung

Die Superlative können gar nicht hoch genug gegriffen sein, die Materialien edel und natürlich die Preise dementsprechend hoch - wenn die Hersteller nun in der beginnenden Vorweihnachtszeit neue Smartphones auf den Markt werfen, müssen sie ja einen Grund bieten, die Vorgängermodelle zugunsten eines neuen aufzugeben. Denn technisch gesehen tut sich längst nicht mehr so viel wie in der Anfangszeit der Smartphones.

Der Aufwand, noch die letzten Zehntelmillimeter herauszuholen, wird immer größer und führt auch dazu, dass die Handys reparaturunfreundlicher werden. Eigentlich wäre es an der Zeit, die schmucken Geräte so auszulegen, dass man zum Beispiel ihre größte Schwachstelle, den Akku, leichter tauschen könnte als bei den verklebten Glas-Metall-Kunstwerken von heute. Doch die Hersteller wollen ja verkaufen, also wird der Trend wohl weitergehen, so lange, bis der Fortschritt wirklich nicht mehr zu erkennen ist.

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Von Simon Hurtz

Fortschritt gibt es natürlich, am sichtbarsten bei den Kameras. Das Einzige, das Kompaktkameras ihren miniaturisierten Brüdern in den Smartphones noch voraushaben, ist die oft vorhandene Möglichkeit zum optischen Zoom. Bei Smartphones ist das höchste der Gefühle derzeit ein optischer Zweifach-Zoom. Wer mehr will, muss beim elektronischen Zoomen einen Verlust an Auflösung hinnehmen, einen Aufsatz verwenden oder eben eine richtige Digitalkamera.

Der größte Akkufresser ist das Display

Durch Fortschritte bei der Fertigungstechnik und beim Design werden auch die Rechnerherzen der Smartphones immer schneller. Heutige Spitzenmodelle sind so schnell wie es ein ausgewachsener Laptop vor einigen Jahren. Und dabei um Größenordnungen sparsamer. Weil gleichzeitig aber die Bildschirme immer größer werden und eine höhere Auflösung bieten, müssen die meisten Schlautelefone abends doch ans Ladegerät, je nachdem, wie intensiv man es verwendet.

Größter Energieverbraucher ist in aller Regel der Bildschirm. Immerhin bieten die meisten Modelle zweierlei Abhilfe: Sie lassen sich mit den mitgelieferten Ladegeräten in kurzer Zeit nahezu voll wieder aufladen. Und viele - inzwischen sogar Apple - unterstützen drahtloses Laden. Das funktioniert zwar ziemlich langsam, doch reicht es, das Handy auf eine der Matten zu legen, und der Ladevorgang startet automatisch. Bequemer geht es nicht.

Wichtigster Designtrend derzeit sind Bildschirme fast ohne Rand. So können zwar mehr Inhalte auf dem Schirm dargestellt werden. Doch weil es noch keinem Unternehmen bisher gelungen ist, einen Fingerabdrucksensor zu entwickeln, der als Bestandteil des Bildschirms funktioniert, wurde diese bequeme und auch relativ sichere Entsperr-Methode von den meisten auf die Rückseite des Telefons verbannt, wo sie nicht ganz so bequem erreichbar ist. Apple hat sie daher bei seinem iPhone X gleich ganz abgeschafft und durch eine aufwendige Gesichtserkennung ersetzt.

Wer Geld sparen will, kann getrost ein Vorgängermodell kaufen

Bei Betriebssystemen gibt es quasi bloß noch Apple (iOS) und Google (Android). Leider doktern viele Hersteller am Original-Android herum. Das verbessert es oft nicht besonders, verzögert aber Updates. Einige der hochwertigen Smartphones zeigen sehr hohe Bildschirmauflösungen an. Das macht sich zwar gut auf dem Datenblatt, ist aber in der Praxis nur dann relevant, wenn man das Smartphone in eine VR-Brille stecken will. Da macht sich die höhere Auflösung dann deutlich bemerkbar. Im normalen Einsatz aber steigert sie eigentlich nur den Energieverbrauch. In den Einstellungen lässt sich die Auflösung aber geringer einstellen und so Akkuleistung sparen.

Auf dem Smartphone, für viele ohnehin schon die Fernbedienung des Lebens, spielen auch digitale Assistenten eine immer größere Rolle. Vorausgesetzt, man gibt den Unternehmen sehr viele persönliche Daten preis, versuchen die einem in nahezu allen Lebenslagen zur Seite zu stehen. Das reicht von Übersetzungsdiensten über Informationen zur Verkehrslage auf dem Weg von und zur Arbeit bis hin zu Tipps für Gesundheit und Fitness. Angesichts der Vielzahl an Daten, die dabei aber abgefragt werden, muss jeder für sich abwägen, wie gläsern er sein will.

Objektiv betrachtet ist keines der Neuen ein Muss, wenn man ein Gerät der Vorgängergeneration - oder je nach Bedürfnissen auch ein älteres - besitzt. Deshalb kann man auch in diesem Jahr raten: Wer viel Geld sparen will und keines der in vielen Bereichen doch ziemlich abgespeckten Mittelklasse- oder Einsteiger-Geräte haben will, wartet entweder einige Monate oder aber er kauft ein Modell der Vorgänger-Generation.

iPhone X

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(Foto: N/A)

Apple wäre nicht Apple, wäre das ab Anfang November verfügbare iPhone X nicht das teuerste Smartphone, das es in großen Stückzahlen gibt. Oder vielmehr geben wird, denn die Kalifornier plagen offenbar Lieferschwierigkeiten. Was einerseits schlecht ist fürs Weihnachtsgeschäft, andererseits aber auch den Reiz erhöht und die Begehrlichkeit steigert. Neu am X: der nahezu randlose Bildschirm, erstmals bei Apple in Oled-Technik, die übrigens von Samsung zugeliefert wird. Statt eines hinten verbauten Sensors überraschte Apple mit Face ID, vulgo: Gesichtserkennung. Im Inneren tickt ein neuer Chip, der für Berechnungen in Sachen künstlicher Intelligenz (KI) zuständig sein soll, Apples Marketingleute haben dafür den schönen Begriff "Neural Engine" erfunden. 1149 bis 1319 Euro.

Huawei Mate 10

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(Foto: N/A)

Das Rechnerherz von Huaweis jüngstem Spitzenmodell Mate 10 enthält wie die Konkurrenz von Apple eine KI-Einheit. Sie soll das Handy beschleunigen, was sie auch tut, etwa beim Erkennen des Fingerabdrucks. Und sie soll für Datenschutz sorgen, weil weniger Rechenaufgaben in die Cloud geschickt werden, sondern auf dem Handy selbst gerechnet werden können. Ganz nebenbei spart der KI-Chip auch noch Energie. In Verbindung mit dem großen, 4000 Milliamperestunden fassenden Akku hat das Mate 10 damit das Zeug zum Langläufer. Zu den Besonderheiten gehören die Doppelkamera (eine für Farbe, eine für Schwarz-Weiß) und ein Doppelschlitz für zwei SIM-Karten im Nano-Format. Die Benutzeroberfläche von Googles Android-System hat Huawei leider wieder bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet. 799 Euro.

Google Pixel 2

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(Foto: N/A)

Das Pixel 2 ist eine Kampfansage an die Marktführer Apple und Samsung. Auf dem Papier wirkt die zweite Generation von Googles Premium-Smartphone unspektakulär. Die technischen Daten ähneln der Konkurrenz. Entscheidend ist die Software. Während andere Android-Hersteller das Betriebssystem mit fragwürdigen Anpassungen überladen, bietet Google die unveränderte und neueste Android-Version und garantiert drei Jahre lang Sicherheitsupdates. Obwohl das Pixel 2 keine Doppelkamera mit zwei Linsen besitzt, verwandeln Algorithmen Schnappschüsse in echte Porträtfotos mit Schärfentiefe. Das ersetzt keine Spiegelreflexkamera, für ein kleines Smartphone sind die Resultate aber beeindruckend. Das normale Pixel 2 kostet mit 64 Gigabyte Speicher 799 Euro, die XL-Version ist 140 Euro teurer.

Galaxy Note 8

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(Foto: N/A)

Der Nachfolger des wegen Schmorgefahr vom Markt genommenen Note 7 ist im Grunde ein aufgepepptes Galaxy S8 plus mit zusätzlichem Stift. Wer den mag, landet automatisch beim Note, denn sonst bietet das kaum ein Hersteller an. Der Stift ist im Gehäuse integriert. Sehr nett: Nimmt man ihn bei gesperrtem Handy heraus, kann man sofort auf dem Bildschirm schreiben. Nachher entscheidet man dann, ob man das Geschriebene behalten will oder nicht. Zusätzlich zum Fingerabdruckscanner (hinten) beherrscht das Note auch Gesichts- und Iriserkennung. Die Iriserkennung funktioniert dank einer Infrarot-LED auch im Dunkeln. Wer auf den Stift verzichten kann, aber Samsung schätzt, greift lieber zum weitgehend ähnlich ausgestatteten S8 plus, das es für 250 Euro weniger gibt als das Note (900 Euro).

Sony Xperia XZ1

Sony darf deshalb nicht in dieser Auswahl fehlen, weil die Japaner im XZ1 compact als Einzige ein hochwertiges Smartphone im handlichen Format bieten. Der Kleine steht dem großen Bruder kaum nach, nur die Bildschirmauflösung ist geringer, und die HDR-Funktion für die Darstellung hoher Kontrastunterschiede fehlt. Die Kamera ist ordentlich, schwächelt laut verschiedenen Tests aber bei wenig Licht. Das Design ist Sony-typisch eher kantig, auf Experimente wie randlosen Bildschirm haben die Designer hier verzichtet. Das Gehäuse ist aus einem Stück Alu gefräst, die bei Vorgängermodellen oft empfindliche Glasrückseite damit Geschichte. Nette Spielerei: Eine mitgelieferte App erlaubt es, Objekte in 3-D zu scannen. Die kann man sich dann ausdrucken lassen. Das XZ1 compact gibt es ab etwa 530 Euro.

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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