Sechs Wochen noch, manchmal auch nur noch vier Wochen. Die ersten Schweizer Banken machen Ernst bei deutschen Kunden mit der angekündigten "Weißgeldstrategie". Allen voran die Credit Suisse, eines der größten eidgenössischen Geldinstitute. Für vermögende Bürger der Bundesrepublik, die im Nachbarland unversteuertes Vermögen angelegt haben oder dort anfallende Zinserträge dem heimischen Fiskus verschweigen, läuft die Frist ab. Bis Ende des Jahres, teilweise sogar bis Mitte Dezember, müssen sie Selbstanzeige bei den Finanzbehörden stellen. Sonst droht ihnen Ungemach.
Große Schweizer Banken wollen deutsche Klienten, die zu Hause keinen reinen Tisch machen, entweder hinauswerfen. Oder gleich den Finanzämtern melden. Letzteres könnte sogar zu öffentlichen Prozessen führen wie bei Deutschlands prominentestem Steuerhinterzieher: Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, steht im März 2014 vor Gericht.
Bis zu 200.000 Deutsche, schätzen Fachleute, dürften in der Schweiz bis zu 200 Milliarden Euro angelegt haben, von denen der Fiskus nichts wusste. Viele dieser Kunden haben in den vergangenen Wochen Anrufe von ihren eidgenössischen Banken bekommen. Oder Briefe. Darin teilen die Institute mit, sie setzten "alles daran", die Kunden bei der "vollumfänglichen Einhaltung der Steuergesetze zu unterstützen".
Kein Detail darf fehlen
Das ist genau der Service, auf den diese Klienten überhaupt keinen Wert gelegt hatten, doch die Zeiten haben sich geändert. Die Schweizer Geldbranche mag nicht länger am Pranger stehen, mag nicht länger Strafen in den USA und Deutschland zahlen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Ginge das so weiter, dann würde das ohnehin lädierte Ansehen noch mehr leiden. Dann wäre am Ende das Geschäft gefährdet. Deshalb die "Weißgeldstrategie". Viele Tausend Deutsche mit Schwarzgeld in der Schweiz haben bereits Selbstanzeige gestellt. Doch der größte Teil hat bislang gezögert - das könnte sich jetzt rächen.
Große eidgenössische Banken verlangen von solchen Klienten inzwischen ultimativ die Erlaubnis, die anfallenden Erträge gemäß Zinsbesteuerungs-Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) den jeweiligen Behörden zu melden. So steht es in Standardbriefen an die Kundschaft. Damit wäre das Schwarzgeld enttarnt. Steuerfahnder und Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik würden in jedem einzelnen Fall automatisch ein Verfahren einleiten.
Es sei denn, die Betroffenen erstatten rechtzeitig Selbstanzeige, was gerade bei jahrelangen Kapitalanlagen nicht einfach ist. Solch eine Anzeige muss alle zu versteuernden Erträge enthalten. Nichts darf fehlen, kein noch so kleines Detail. Sonst ergeht es den Bankkunden wie Uli Hoeneß, dessen eilig angefertigte Selbstanzeige der Fiskus nicht anerkannt hat, weshalb der Bayern-Boss vor Gericht kommt.
Die Credit Suisse und andere eidgenössische Institute meinen das, was sie schreiben, ganz ernst. "Wer nicht auf die Briefe reagiert, bei dem haken die Banken intensiv nach", sagt Franz Bielefeld aus der Kanzlei Baker Tilly Roelfs. "Einige Banken greifen zu drastischen Mitteln", teilweise würden die gesetzten Fristen sogar verkürzt, beobachtet Patrizia Nusko von der Steuerberatungsgesellschaft Ecovis.
Fachanwälte befürchten mittlerweile, dass ihren Mandanten nicht mehr genügend Zeit für die Selbstanzeige bleibt. Die Steuerjuristen empfehlen deshalb, erst dann die Zustimmung zur Weitergabe der Daten im Rahmen des Zinsbesteuerungs-Abkommens zu erteilen, wenn die Selbstanzeige fertig und beim Fiskus eingegangen sei.
Doch das kann dauern. Banken wie die Credit Suisse wollen aber offenbar nicht länger warten. Der Verwaltungsrats-Präsident der Credit Suisse, Urs Rohner, hat schon vor einem Jahr Konsequenzen angekündigt. Kapitalanleger, die das nicht ernst genommen haben, werden bald hinausgeworfen. Von Kunden, die ihre Steuersituation nicht bereinigten, "werden wir uns trennen müssen", bekräftigte die Credit Suisse am Montag auf Anfrage.
Alles läuft auf Selbstanzeigen zu
Für die betreffenden Klienten bedeutet das, sie bekommen alsbald ihr Vermögen zurück. In Form eines Schecks, den sie aber bei anderen Banken gar nicht einlösen können, "ohne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wegen Geldwäsche angezeigt zu werden", sagt Steueranwalt Bielefeld. Manche Anleger versuchten nun, ihr Geld in bar abzuheben. "Doch die meisten Banken zahlen gar nichts mehr aus oder höchstens 50 Prozent des Guthabens."
Wer immer noch glaubt, den Fiskus hintergehen zu können, der sitzt so gut wie in der Falle. Österreichische Banken würden ja vielleicht noch Schecks annehmen, ohne Anzeige zu erstatten. Aber ein Austausch von Kontodaten zwischen der Alpenrepublik und anderen EU-Staaten ist absehbar. Blieben vielleicht noch Staaten wie Panama oder Singapur oder einige Inseln in der Karibik. Doch auch dort wird es immer mühsamer, Geld zu verstecken. Also läuft alles auf Selbstanzeigen zu, die schon das ganze Jahr über massenhaft bei den Finanzämtern eingehen. Für den deutschen Fiskus gehe es insgesamt um mehrere zehn Milliarden Euro, glauben Experten.
Die Schweizer Banken bieten auch jetzt, unter geänderten Umständen, einen perfekten Service. Kunden, die der Weitergabe ihrer Daten an den Fiskus zustimmen sollen, bekommen mit den entsprechenden Formularen auch gleich den Umschlag für das Antwortschreiben an die Bank. Die Institute sagen vorab "vielen Dank".