Schuldenkrise in Europa:Top-Ökonomen befürchten Griechenland-Pleite

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Warnung aus der Wissenschaft: Nach SZ-Informationen halten führende deutsche Ökonomen einen Staatsbankrott Griechenlands für immer wahrscheinlicher. Der Rettungsschirm reiche einfach nicht aus. Die Wirtschaftsforscher sehen nur einen Ausweg.

Markus Balser

Führende deutsche Ökonomen halten einen Staatsbankrott Griechenlands für immer wahrscheinlicher. Einer wissenschaftlichen Analyse des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel zufolge reicht der erweiterte Rettungsschirm nicht aus, um eine drohende Staatspleite zu verhindern.

Taxifahrer protestieren gegen die griechische Regierung. (Foto: dpa)

Dem Papier zufolge, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, müsste das Land in den nächsten Jahren Überschüsse auf "historisch und im Ländervergleich bislang unerreichtem Niveau" erwirtschaften. Die Haushaltsprobleme ohne "nennenswerte Umschuldung" in den Griff zu bekommen, sei kaum möglich, heißt es weiter.

Damit befeuert das Institut den Streit innerhalb der Bundesregierung um den richtigen Kurs in der Schuldenkrise. Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) hat erstmals eine Staatspleite Griechenlands ins Gespräch gebracht und damit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen sich aufgebracht. Eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands müsse um jeden Preis verhindert werden, sagte Merkel. Die Gefahr eines Übergreifens auf andere Länder sei sehr groß.

Die Wirtschaftsforscher machen in ihrer Analyse klar, dass sich der Bankrott mit den bisherigen Mitteln kaum noch verhindern lässt. "Die staatliche Überschuldung hat ein Ausmaß erreicht, das selbst unter relativ optimistischen Annahmen über die künftige Wachstums- und Zinsentwicklung nicht mehr beherrschbar ist", so die unter Leitung des Professors Henning Klodt am Zentrum Wirtschaftspolitik im IfW erstellte Analyse. "Wenn die Rettungspakete nicht ins Uferlose wachsen sollen, führt an einem kräftigen Schuldenschnitt kein Weg vorbei."

Griechenland sei dabei kein Einzelfall. Denn auch in Portugal halten die Forscher die Lage für verfahren. Dagegen seien die großen Länder wie Spanien, Italien oder auch Frankreich weit von einer staatlichen Insolvenz entfernt.

Der Euro-Sondergipfel hatte Griechenland noch Ende Juli zusätzlich 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Sie sollten die aktuellen Löcher bei der Refinanzierung der Staatsschulden zu stopfen. Die Analyse übt zudem harte Kritik am öffentlichen Umgang mit der Krise. Die Debatte werde derzeit geprägt von den Hiobsbotschaften der Rating-Agenturen einerseits und den Schönmalereien internationaler Organisationen wie der OECD oder dem IWF über die Wirtschaftslage in den Krisenländern andererseits. Die Politik müsse sich stärker an objektiv messbaren Kriterien wie den benötigten Haushaltsüberschüssen orientieren. Nur so ließe sich die "atemlose Hektik" aus den Rettungsbemühungen nehmen.

Brics-Staaten denken über Hilfe nach

Die Finanzwirtschaft warnte am Mittwoch eindringlich vor den Folgen einer Pleite Griechenlands: "Wenn wir jetzt sagen, das Projekt ist gescheitert", und es komme zu einer Umschuldung mit deutlichen Abschlägen zulasten der Gläubiger, dann würden auch die deutschen Steuerzahler "in ganz erheblichem Maße zur Kasse gebeten", sagte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. Zudem sei zu befürchten, dass eine Insolvenz Griechenlands andere Länder mitziehen würde.

Angesichts der wachsenden Sorgen um die Krisenländer denken nach China auch die anderen großen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und Südafrika über Hilfen für die Euro-Staaten nach. Die Finanzminister der als BRICS-Staaten bekannten Gruppe wollen bei ihrem Treffen kommende Woche in Washington über den Kauf europäischer Staatsanleihen beraten, sagte ein Vertreter der indischen Regierung am Mittwoch: "Die Idee stammt von Brasiliens Finanzminister." Der Internationale Währungsfonds unterstützt die Pläne. IWF-Chefin Christine Lagarde plädiert für breit angelegte Investitionen.

Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung von Konjunkturforschern in den kommenden Monaten stark unter der Krise leiden. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet, dass die Wirtschaft im Winter erstmals seit Anfang 2009 schrumpft. Es werde zu einer Konsum- und Investitionszurückhaltung kommen, warnt das Institut in seiner Prognose. Die Produktion werde in den letzten drei Monaten dieses Jahres um 0,1 Prozent abnehmen, sagte IWH-Konjunkturchef Oliver Holtemöller.

© SZ vom 15.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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