Das Projekt hat bislang nicht gekannte Ausmaße und wird von einem Deutschen geleitet: Saudi-Arabien plant eine Megastadt am Roten Meer. Der Staatsfonds des Landes werde umgerechnet 500 Milliarden Dollar für das Projekt der Superlative unter dem Namen Neom bereitstellen, kündigte Kronprinz Mohammed bin Salman auf einer Wirtschaftskonferenz in Riad an. Das Land will mit der grenzüberschreitenden Industrie- und Geschäftszone die Weichen für eine Zukunft jenseits der Ölförderung stellen.
Umsetzen soll das Ganze Klaus Kleinfeld, 59. Der gebürtige Bremer gehört zu den international bekanntesten deutschen Managern. Er heuerte nach einem Betriebswirtschaftsstudium 1987 bei Siemens an, machte dort Karriere, arbeitete für die Münchner in New York und war von 2005 bis 2007 Vorstandsvorsitzender des Siemens-Konzerns, den in dieser Zeit die schwere Korruptionsaffäre einholte.
Interne Machtkämpfe brachten ihn in München zu Fall, er wechselte in die USA und führte von 2008 bis 2016 den amerikanischen Aluminiumhersteller Alcoa. Dort musste er im Frühjahr nach einer harten, teilweise persönlich geführten Auseinandersetzung mit dem Hedgefonds Elliott und dessen Chef Paul Singer gehen.
Klaus Kleinfeld:Saftiger Brief kostet deutschen Top-Manager den Job
Klaus Kleinfeld ist einer der bekanntesten deutschen Manager. Wegen eines Schreibens an einen Hedgefonds verlor er seinen Chefposten. Nun ist das brisante Dokument öffentlich geworden.
Jetzt, nur ein halbes Jahr später, ist Kleinfeld wieder da. Die Verpflichtung des Deutschen unterstreiche die Ambitionen des Königreichs, teilte Saudi-Arabien am Dienstag mit. Kleinfeld sei weltweit geachtet und habe international gute Beziehungen. Schon als Siemens-Vorstandschef setzte Kleinfeld auf Megatrends, die aus der zunehmenden Zahl von Megacitys in aller Welt resultierten.
Die Veränderungen seien sehr groß, sodass es Visionen brauche, sagte er damals. Ein Weltkonzern wie Siemens müsse sich darauf einstellen und dazu die richtigen Produkte anbieten. Wichtig seien dabei Kommunikation, öffentlicher Nahverkehr, eine gute Energie- und Wasserversorgung, aber auch medizinische Einrichtungen. Seine guten Beziehungen zu Infrastrukturanbietern wie Siemens werden ihm bei dem neuen Job helfen.
Die Aufgabe in Saudi-Arabien ist riesig. "Neom wird von Grund auf neu errichtet", teilte Kronprinz Mohammed bin Salman mit. Und weiter: "Zukunftstechnologien sind der Grundpfeiler von Neoms Entwicklung." Kleinfelds Erfahrung werde den Erfolg von Neom garantieren, dieser könne auf eine gute Erfolgsgeschichte zurückblicken, sagte der Kronprinz.
Größer als Mecklenburg- Vorpommern, versorgt von Sonnenenergie
Die Fläche der neuen Megastadt ist größer als das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern: Auf 26 500 Quadratkilometern soll eine Sonderwirtschaftszone mit eigenen Gesetzen aufgebaut werden, die in Zusammenarbeit mit Investoren und Unternehmen geplant wird. Sie soll also einen "separaten Ordnungsrahmen" bekommen und losgelöst von den strengen Gesetzen Saudi-Arabiens sein. Die Zone werde vom Golf von Aqaba ausgehend an der Küste des Roten Meeres entlang entstehen und auch Gebiete in Ägypten und Jordanien umfassen.
Die Stadt soll überdies komplett aus regenerativen Energien versorgt werden, also ausschließlich mit Windkraft und Sonnenenergie. Das Projekt beinhalte auch eine Brücke nach Ägypten über die Inseln Tiran und Sanafir, die Kairo an Saudi-Arabien zurückgegeben hat. Damit würde eine Landverbindung von Nordafrika auf die Arabische Halbinsel und damit nach Vorderasien entstehen. Angesiedelt werden sollen Unternehmen aus neun zukunftsorientierten Wirtschaftsbereichen: Energie und Wasser, Mobilität, Biotechnologie, Lebensmittel, Fertigungs- und Materialtechnik, Medien, Unterhaltung, Informationstechnologie und Städtebau.
Das Ziel: Saudi-Arabien soll damit zum globalen Umschlagplatz zwischen Amerika, Asien und Afrika ausgebaut werden. 70 Prozent der Weltbevölkerung seien von dem Standort aus binnen acht Stunden per Flugzeug zu erreichen, heißt es. Die neue Megastadt, die überdies hervorragende Lebensbedingungen bieten soll, steht im Zusammenhang mit dem geplanten Umbau der saudi-arabischen Wirtschaft, dem zentralen politischen Projekt des Kronprinzen. Saudi-Arabien soll sich nach seiner Vorstellung bis 2030 unabhängig machen von den Öleinnahmen. Allerdings hat seine Reformagenda in den vergangenen Monaten Rückschläge und Verzögerungen erlitten.
Auch andere Länder am Golf wollen langfristig weniger vom Erdöl abhängen und investieren in ihre Städte. Dubai zum Beispiel versucht, sich als Drehscheibe für den internationalen Luftverkehr zu etablieren und setzt massiv auf Tourismus. Mit viel Geld werden unter anderem künstliche Insel und spektakuläre Hochhäuser gebaut. Katar wiederum hat sich erfolgreich für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 beworben und investiert seitdem kräftig, nicht nur in Sportanlagen. Ob der Erfolg dieser eher kleinen Staaten auf Saudi-Arabien übertragen werden kann, ist offen.
Unklar sind auch die Reaktionen der beiden Nachbarländer Ägypten und Jordanien auf die großen Pläne. Werden sich auch genügend internationale Investoren finden lassen, die dann auch das notwendige Know-how mitbringen? Bei Letzterem soll Kleinfeld eine zentrale Rolle spielen.