Sie sind jung und sie brauchen Geld. Ein paar Hundert Millionen. Noch nicht einmal für sich. Die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander brauchen das Geld für ihre Firmen. Sie gieren nach Gründungen. Zehn pro Jahr sollen es sein - im Schnitt. Ihre Start-up-Fabrik aus Berlin heißt Rocket Internet. Schon der Name sagt alles. Die Firma ist eine Art Raketenbasis. Sie schießt Firmen in die Wirtschaftswelt - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wer zaudert, verliert im weltweiten Wettstreit mit Giganten wie Amazon und Alibaba.
Nun planen die Brüder die ganz große Nummer. Sie wollen Rocket Internet an die Börse bringen. Neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung sollen etwa 750 Millionen Euro bringen. Damit wäre Rocket Internet insgesamt rund fünf Milliarden Euro wert, mehr als die im Deutschen Aktienindex notierten Konzerne K+S und Lanxess. Schon im Oktober dürfte Rocket so weit sein. Tempo, Tempo.
"Wir würden nie mit dem öffentlichen Interesse spielen"
Die Samwer-Brüder sind tüchtige Geldsammler. Seit der Gründung von Rocket Internet 2007 hat die Firma Milliarden eingesammelt. Die Rolle des Außenministers in der Samwer-Welt kommt Oliver, dem Mittleren der Brüder zu: bisweilen charmant, häufig überzeugend und immer rastlos. Nach Angaben des schwedischen Investors Kinnevik, dem größten der fünf Verbündeten, haben Drittinvestoren fast drei Milliarden Euro in die Start-ups von Rocket Internet gesteckt. Die Gesellschaft selbst, an der das Samwer-Trio über seine Gesellschaft Global Founders die Mehrheit hält, spendierte 100 Millionen Euro.
Einen Wertpapierprospekt hat Rocket Internet bislang nicht veröffentlicht. Einen Termin dafür will der Pressesprecher nicht nennen. Für die Formalitäten, die Aufsichtsbehörde Bafin muss den Wertpapierprospekt billigen, reichen vier bis sechs Wochen. "Wir sind nicht Alibaba", versichert der Rocket-Sprecher: "Wir würden nie mit dem öffentlichen Interesse spielen." Der chinesische Amazon-Konkurrent hatte seinen Börsengang immer wieder angekündigt und macht jetzt erst ernst.
Die Aktien von Rocket sollen zunächst im Entry Standard der Deutschen Börse platziert werden, da sind die Transparenzvorschriften gering. Strengere Maßstäbe könne Rocket derzeit nicht erfüllen, räumt der Sprecher ein: "Wir sind noch komplexer als Zalando." Der Online-Händler, an dem Rocket Internet knapp ein Prozent hält und dessen Börsengang sich für Anfang Oktober abzeichnet, strebt in den Prime Standard mit deutlich höheren Veröffentlichungspflichten.
An dem von Rocket angestrebten Börsensegment stören sich auch Aktionärsschützer. Im Entry Standard gelistete Unternehmen müssen nicht jedes Quartal umfassend über den Geschäftsverlauf berichten, sondern nur einmal im Jahr und zum Halbjahr in einer deutlich abgespeckten Version. Auch die Adhoc-Pflicht fällt weg, wonach ein Unternehmen sofort über Nachrichten berichten muss, die den Kurs beeinflussen können. Und schließlich muss es auch nicht Geschäftsberichte vorweisen, die über drei Jahre zurückreichen.
Alles schön verschachtelt: Die Gründerfabrik Rocket Internet, ihre Firmen und Investoren.
(Foto: SZ-Grafik)"Es ist total ungewöhnlich, dass ein Unternehmen dieser Größenordnung in den Entry Standard geht", sagt Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Normalerweise befänden sich dort Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 50 Millionen Euro, Rocket sei geschätzt 100-mal so groß. Anleger investierten in ein Unternehmen, "das einer Blackbox gleicht".
Genauso sieht es Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Normalerweise machen das Unternehmen, die einen gewissen Hang zur Intransparenz haben", sagt er. Es sei auch ein Zeichen von Nicht-Wertschätzung der Aktionäre. Der Grund dafür sei häufig, dass Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung die Börse brauchen, um an Eigenkapital zu kommen und weiter zu wachsen.