Zur Musterung erschien Oliver Samwer einst mit einem Fahrradhelm. Und er weigerte sich, diesen abzusetzen. Er habe, so sagte er, große Angst, auf den Kopf zu fallen. Samwer wurde ausgemustert. Er hatte erreicht, was er wollte. Er hatte die Bundeswehr glauben gemacht, dass er an Schizophrenie leide.
Oliver Samwer, 42, versteht sich auf Inszenierungen. Er hat ein gutes Gespür dafür, wie er jemanden für seine Sache gewinnen kann. Er gibt mal den aggressiven Antreiber, mal den Charmeur. So hat er es weit gebracht: Samwer ist der erfolgreichste deutsche Internet-Unternehmer. Und der umstrittenste. Im Silicon Valley, dort, wo das Herz der Internetbranche schlägt, mögen sie ihn gar nicht. Weil Samwer gemeinsam mit seinen beiden Brüdern zumeist nur nachbaut, was anderswo bereits gut funktioniert.
So wie Alando, jenes Internetauktionshaus, das Samwer vor 15 Jahren nach dem Vorbild von Ebay hochzog. Bereits ein halbes Jahr später verkauften die Gründer die Kopie ans Original - für etwa 90 Millionen D-Mark. Von dem Geld spendierten die Brüder ihrem Vater einen Oldtimer und steckten den Rest später in allerlei weitere Start-ups, auch in den Internethändler Zalando, der nun an die Börse drängt und an dem auch Oliver Samwer noch immer beteiligt ist. Doch der Mann hat noch Größeres vor: Er ist inzwischen Chef der Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet, die etwa 70 Start-ups quer über den Globus groß macht - und selbst einen baldigen Börsengang anstrebt.
Unternehmer will Oliver Samwer schon in einem Alter werden, in dem andere Kinder noch Feuerwehrmann spielen. Er ist erst acht Jahre alt, als er seinen Vater, einen angesehenen Anwalt in Köln, immer samstags in dessen Kanzlei begleitet. Statt Mickey-Maus-Hefte liest er die Börsenkurse in der Zeitung. Und er ist noch nicht einmal volljährig, als er bei einem Segeltörn mit seinen beiden Brüdern beschließt, ein Unternehmen zu gründen.
Die eigene Karriere beginnt Samwer mit einer Lehre beim Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim. Nach kurzer Zeit handelt er sich dort eine Beschwerde ein, weil er zu viele Fragen stellt. Während eines Auslandssemesters in Chile lässt er später indianische Fellpantoffeln fertigen. Und noch etwas später spielt er mal mit dem Gedanken, mit Boris Becker einen Sportshop zu eröffnen. Reich aber wird er mit dem Internet.
Samwer hat sich selbst einmal den "aggressivsten Mann im Internet" genannt. Und es gibt viele Geschichten, die dazu passen: von einer E-Mail, in der er seine Mannschaft zum "Blitzkrieg" aufrief, auch wenn er sich später für die Wortwahl entschuldigte; von Büromaterialien, die er nach Angestellten geworfen haben soll; von gestandenen Managern, die weinend aus Meetings rannten. Aber wer sich in der Branche umhört, spürt auch, dass viele Oliver Samwer Respekt zollen: für sein Netzwerk, seine Disziplin und seinen unbedingten Willen zum Erfolg.