Private Vorsorge:Koalition will Riesterrente reformieren

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Eine Frau und ihre Enkelin. (Foto: Liliya Krueger/Getty Images)

Eine Regierungskommission empfiehlt, die Angebote zu vereinfachen und riskantere Verträge zuzulassen. Verbraucherschützer kritisieren den Vorschlag.

Von Simon Sales Prado und Roland Preuß, Berlin

Die Bundesregierung will die staatlich geförderte Altersvorsorge umfassend reformieren und so mehr Menschen zu privatem Sparen fürs Alter bewegen. Die Riesterrente soll vereinfacht und ausgeweitet werden, die Angebote für private Vorsorgeverträge sollen übersichtlicher werden, Verwaltungsgebühren sinken und mögliche Risiken, etwa durch Schwankungen der Börsenkurse, stärker in Kauf genommen werden können. Dies ist das Ergebnis der "Fokusgruppe private Altersvorsorge", die am Montag ihre Empfehlungen vorlegte. Der Runde gehören Fachleute aus Ministerien, Verbänden, Gewerkschaften und Wirtschaft an, die Federführung hatte das FDP-geführte Bundesfinanzministerium. "Wir setzen sehr darauf, dass wir den Wettbewerb auf dem Altersvorsorgemarkt nach vorne bringen", sagte Florian Toncar (FDP), der zuständige Parlamentarische Staatssekretär. "Wir wollen auch das Wechseln von Anbietern leichter machen."

Die staatliche geförderte Altersvorsorge in Form der Riesterrente steht schon länger in der Kritik, insbesondere wegen der mageren Verzinsung und der oft hohen Verwaltungskosten. Zudem sorgten vergangenes Jahr nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) angesichts der hohen Inflation weniger Bürger privat fürs Alter vor, das Neugeschäft mit Riester-Renten brach um 60 Prozent ein.

Die Fachleute empfehlen dennoch, grundsätzlich am Riester-Modell festzuhalten. Es gehe darum, vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen, Jüngere und Eltern von Kindern oder jungen Erwachsenen in Ausbildung zu erreichen. Grundsätzlich gelinge das heute schon, sagte Toncar. "Wir haben überdurchschnittlich viele Frauen, die von der heutigen Riester-Förderung profitieren." Nun gehe es vor allem um die Vereinfachung von Bürokratie und die Stärkung von bestehenden Instrumenten wie dem Berufseinsteigerbonus. Gerade bei jungen Menschen will man so mehr Anreize setzen, "frühzeitig und kontinuierlich" zu sparen.

Kern der Empfehlungen ist die Vereinfachung und Standardisierung bisher bestehender Produkte. Ein Beispiel für das schwer zu durchschauende Modell ist die "einkommensabhängige Mindesteigenbeitragsberechnung". Das monströse Wort steht für die Summe, die man je nach Einkommen mindestens in seinen Riestervertrag einzahlen muss. Das soll künftig vereinfacht werden, womit auch die Verwaltungskosten sinken sollen.

Die Riesterverträge sollen aber auch erweitert werden. So soll es in Zukunft Varianten geben, die mehr Risiko in Kauf nehmen. Bisher müssen die Anbieter garantieren, dass die Ruheständler später mindestens ihre eingezahlten Beiträge plus die staatlichen Zuschüsse ausgezahlt bekommen. Dies schmälert die Chancen auf Rendite, weil die Anbieter entsprechend vorsichtig investieren müssen. Die verschiedenen Varianten und die jeweiligen Kosten sollen Interessenten laut Toncar auf einer Plattform vergleichen können. So sollen Kundinnen und Kunden vom Wettbewerb profitieren können. Eine staatlich organisiertes Angebot in Form eines Fonds lehnte die Mehrheit der Fachleute ab.

Kritik an den Ergebnissen kam von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Bei Fonds sei es sinnvoll, mehr Risiko zu wagen, sagte Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt bei der Verbraucherzentrale Bundesverband und Mitglied des Gremiums. Nicht aber bei anderen Versicherungsangeboten, bei denen laut Empfehlungen nur noch 80 Prozent der Beiträge garantiert sein müssten. "Das ist für Verbraucher schädlich, weil es weder höhere Renditen noch niedrigere Kosten sicherstellt", sagte Mohn der Süddeutschen Zeitung.

Die bessere Übersichtlichkeit mit Hilfe einer Plattform im Internet reiche nicht aus, weil die Menschen beim Abschluss von Vorsorgeverträgen meist ihrem Berater vertrauten. "Verkauft werden konsequent die teureren Produkte, weil es dafür am meisten Provision gibt", sagte Mohn. Sie fordert ein staatliches Angebot zur privaten Altersvorsorge, weil dieses niedrige Kosten erzielen könne. "Das einzige, was wirklich helfen würde, ist ein öffentlich verantworteter Fonds."

Die Ampel-Koalition hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, die private Altersvorsorge "grundlegend" zu reformieren und hierzu einen öffentlich verantworteten Fonds mit einem "effektiven und kostengünstigen Angebot" zu prüfen. Zudem werde man prüfen, ob man Anlageprodukte mit einer höheren Rendite als Riester-Verträge anerkenne.

Durch die nun vorgelegten Vorschläge solls ich für bereits Versicherte nichts ändern. Man wolle, könne und werde Verträge nicht einseitig verändern, sagte Toncar. "Verträge, die es gibt, bleiben gültig." Die Reform soll laut Toncar im kommenden Jahr in ein Gesetz münden.

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