Standortdebatte:Deutsche Industrie setzt lieber auf Solar als aufs Ausland

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Geht der Standort Deutschland unter? Noch wird geschraubt - und auch die Bundesbank hält diese Aussicht für übertrieben. (Foto: imago)

Die Energiekrise trifft die deutschen Firmen, aber sie wissen erstaunlich gut damit umzugehen. Eine Deindustrialisierung sieht die Bundesbank daher nicht - nur ein bisschen Abwanderung.

Von Bastian Brinkmann

Die Inflation zerdrückt die Ersparnisse, die Preise für Energie sind zum Aufjaulen und der Spätsommer ist auch bald vorbei: Die Bundesrepublik diskutiert intensiv, wie gefährdet der Standort Deutschland ist. Manche befürchten eine Deindustrialisierung. Die Bundesbank hat nun Industrieunternehmen einfach mal direkt gefragt, wie denn die Lage bei ihnen ist. Das Ergebnis: Eine flächendeckende Deindustrialisierung ist demnach nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Firmen wissen, sich den gestiegenen Energiekosten anzupassen.

Etwa 540 Industriefirmen haben von Januar bis März 2023 Fragen der Bundesbank beantwortet. Die Ökonomen der Notenbank wollten wissen, wie die Unternehmen darauf reagieren, dass Energie teurer geworden ist. Die Firmen setzen eigenen Angaben zufolge vor allem darauf, besser mit Energie umzugehen. Die deutsche Industrie investiert im großen Stil in Energieeffizienz und setzt breit auf erneuerbare Energien. Außerdem, das überrascht nicht, haben viele Hersteller die Preise erhöht.

Ein bisschen Abwanderung droht der deutschen Industrie aber laut der Umfrage schon. Gewichtet am Umsatz, sieht sich etwa ein Achtel der Industrie so sehr unter Druck, dass Produktion ins Ausland verlagert wird. Die Bundesbank findet das "eher selten", schreibt sie in ihrem neuen Monatsbericht. Es gehe eher um größere Unternehmen. Aber insgesamt sei die Gefahr, dass Produktion wegen der gestiegenen Energiepreise verlagert wird, "bislang begrenzt", schreiben die Ökonomen der Zentralbank. Das gelte der Umfrage zufolge auch für energieintensive Unternehmen.

Die Bundesbankumfrage kann nichts dazu aussagen, ob von einer Verlagerung nur kleine Anteile oder große Bereiche betroffen sind, das war nicht Teil der Fragen. Gezählt wurde lediglich, ob eine Firma nach eigenen Angaben diesen Schritt seit 2022 schon gegangen ist oder für die nahe Zukunft geplant hat. Ebenfalls rund ein Achtel der Industrie ist von Schwund betroffen: Die Firmen geben an, weniger zu produzieren. Auch hier ist offen, ob nur ein paar Produkte gestrichen oder ganze Fabriken stillgelegt wurden.

Der Energiepreisschock lässt also die deutsche Industrie etwas kleiner werden - aber das sorgt die Bundesbank nicht. Sie verweist darauf, dass in reichen Staaten generell der Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung sinkt. Geht dieser Strukturwandel weiter, muss das kein Schaden für die deutsche Volkswirtschaft sein, schreiben die Ökonomen. Diese Entwicklung sei "nicht besorgniserregend, insbesondere wenn sie sich graduell vollzöge".

Diese Einschätzungen teilen nicht alle. Viele Unternehmer sind stolz darauf, dass die Industrie in Deutschland volkswirtschaftlich wichtiger ist als in vergleichbaren Ländern. Vor allem der Export, so wird argumentiert, halte Deutschland wettbewerbsfähig. Diese Aussage sieht die Bundesbank nicht durch ökonomische Daten gedeckt. Deutschland sei in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht systemisch mehr oder weniger produktiv geworden als Länder mit weniger Industrie.

Klar ist aber, bei allen Anpassungen der Firmen: Die gestiegenen Energiepreise kosten Deutschland Wachstum.

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