Autoindustrie:Renault und Volkswagen streiten um diesen Mann

Lesezeit: 3 min

Wunschkandidat des französischen Autobauers Renault: der italienische Betriebswirt Luca de Meo. (Foto: PAU BARRENA/AFP)
  • Bei Renault wollte man die Personalie deshalb zügig unter Dach und Fach bringen.
  • Die wahrscheinliche Berufung de Meos ist eine Folge des Skandals um Amtsvorgänger Carlos Ghosn.

Von Max Hägler, Leo Klimm, Paris, und Thomas Urban, Madrid, München/Paris/Madrid

Es ist ein Rücktritt, der wohl auch ein Zeichen dafür ist, dass doch bitte endlich etwas vorangehen soll, in seinem Sinne. Am Dienstagabend teilte der Volkswagen-Konzern mit, dass Luca de Meo, der Chef der spanischen Tochterfirma Seat, seinen Posten aufgebe. Der Hintergrund ist kein Skandal, sondern die Aussicht auf einen mächtigeren Job - und zwar ausgerechnet bei der Konkurrenz. De Meo will offenbar Chef von Renault werden, dem Konzern, der im Verbund mit Nissan ähnlich groß ist wie Weltmarktführer VW. Für ihn, den Kosmopoliten, wäre es ein Aufstieg, von Martorell nach Paris, wo er seine Karriere einst begann.

Für den französischen Konzern wäre es eine gute Wahl, weil de Meo, 52, einer der am besten vernetzten Automanager Europas ist. Bei Renault wollte man die Personalie deshalb zügig unter Dach und Fach bringen. Aber die Franzosen mussten lernen: Die deutsche Betriebsruhe ist heilig. "Über die Weihnachtspause ging es einfach überhaupt nicht voran in den Verhandlungen mit Volkswagen", heißt es in Paris.

Flucht des Automanagers
:Ghosn erhebt schwere Vorwürfe gegen Japans Justiz

Der Automanager legt nach seiner Flucht aus Ostasien einen bizarren ersten öffentlichen Auftritt hin. Er verrät nicht, wie er aus Japan entkommen ist, kritisiert aber die dortigen Haftbedingungen.

Ganz sicher ist der Wechsel immer noch nicht. Und so hat de Meo jetzt selbst Fakten geschaffen. Mit seinem Rücktritt bei Seat hat er klar gemacht, dass er gern das Angebot von Renault annehmen will. Damit dürfte der französische Hersteller den Wunschkandidaten zum Chef bekommen - und Volkswagen einen intern geschätzten Manager verlieren. Auch darin liegt das Zögern begründet: De Meo habe sich "große Verdienste" erworben, sagen sie in der VW-Konzernzentrale, nennen ihn einen "patenten Typen, der die Mannschaft hinter sich hatte".

Und so einer hat seinen Wert: Als wichtigstes Hindernis erweist sich nach SZ-Informationen eine Wettbewerbsklausel in de Meos VW-Vertrag. Die bei Topmanagern gängige Bestimmung verbietet ihm einen unmittelbaren Wechsel zur Konkurrenz. Dem Vernehmen nach ist VW grundsätzlich bereit, sich die Klausel abkaufen zu lassen; die Rede ist davon, dass man den Kollegen nach einer gewissen Wartezeit zur Konkurrenz ziehen lassen würde, sofern sich die Juristen einigten. "Alles ist eine Frage der Zeit und des Geldes", heißt es in gut informierten Kreisen. Renault wäre offenbar auch bereit, so eine Ablöse zu zahlen. Wobei die Franzosen die Personalie und diese Umstände nicht kommentieren wollen, und auch VW äußert sich nicht.

Als Luca de Meo vor gut vier Jahren von Ingolstadt, wo er im Audi-Vorstand saß, in die katalanische Kleinstadt Martorell umsiedelte, fürchtete die spanische Presse, dass nun auch Seat in den VW-Dieselskandal hineingezogen werde. Denn auch de Meo war in den Fokus der Ermittler geraten. Doch die Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht, im Gegenteil: Geradezu skandalfrei führte der Mailänder die "Spanische Gesellschaft für Reisewagen", wie die Übersetzung des vollen Firmennamens lautet, zu einem beträchtlichen Aufschwung: Gingen 2015 insgesamt 400 000 Wagen der Marke vom Band, so waren es 2018 bereits 517 000. Unangefochten führt Seat die Liste bei den Verkäufen von Neuwagen in Spanien mit zuletzt rund 120 000 Einheiten pro Jahr an und hat der südlich der Pyrenäen traditionell starken französischen Konkurrenz bei Klein- und Kompaktwagen Marktanteile abgenommen.

Die Sportversion des Seat Leons wurde zum Konkurrenten des Golf GTI

Gleichzeitig erweiterte de Meo das Spektrum der eher altbackenen Marke: Drei SUVs kamen in seiner Zeit auf den Markt, er kaufte einen kleinen Carsharing-Anbieter, überdies setzte er eigene Akzente im Segment der Sportwagen: Er förderte den Rallye-Sport noch mehr als seine Vorgänger, die Sportversion des Seat Leons wurde zum Konkurrenten des Golf GTI. Vor allem führte er erfolgreich die Marke Cupra ein, die Sportversionen mehrerer Seat-Typen anbietet; Kennzeichen sind, wie der Name sagt, auffällige Zierelemente aus Kupfer. Die Folge: Seat ist mittlerweile so etwas wie das Einstiegstor für jüngere Menschen in die VW-Welt.

Eigentlich beste Gründe für einen Aufstieg de Meos bei VW. Aber der Weg vom Rand des Reichs zu den wirklich wichtigen Marken ist nicht so einfach: de Meo ist Betriebswirt, zum Audi-Chef etwa fehlt ihm der Ingenieur-Titel. In Frankreich sieht man das nicht so eng, zumal dort wirklich dringend ein Chef gesucht wird.

Die wahrscheinliche Berufung de Meos ist eine Folge des Skandals um Amtsvorgänger Carlos Ghosn. Denn während Ghosn am Mittwoch in Beirut ein Eigen-PR-Spektakel um seine Flucht aus Japan abhält, ist sein Ex-Konzern weiter in Unruhe. Immer noch ist niemand gefunden, der das miserabel laufende Geschäft entwickelt. Die Umstellung auf härtere Abgasregeln hat man etwa verschlafen, so dass sich viele Modelle nur mit hohen Rabatten verkaufen lassen. Manche Experten raten zudem, größere Modelle wie Espace und Talisman einzustellen, weil sie gegen die zumeist deutsche Konkurrenz nicht ankommen. Die erste Priorität des neuen Chefs jedoch dürfte sein, das vom Ghosn-Skandal zerstörte Vertrauen zu Nissan wieder herzustellen. Beide Konzerne stecken tief in der Krise. Beide brauchen den jeweils anderen jetzt besonders, um bei Entwicklung, Einkauf, Produktion oder Vertrieb Milliarden zu sparen. De Meo soll das so gestörte und doch so nötige Verhältnis kitten.

Bei Volkswagen traut man ihm das zu. Auch deshalb heißt es: Wir wären nicht unglücklich, wenn er doch nicht geht.

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBMW-Chef im Interview
:"Die SUV-Debatte ist Panikmache"

Oliver Zipse, der neue Vorstandsvorsitzende von BMW, über den Wert schnellen Fahrens, Klima-Demonstranten und das Versagen der Verkehrsplanung in München.

Interview von Marc Beise, Max Hägler und Christina Kunkel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: