Trennung zwischen klassischem und Investment-Banking:Entweder sparen oder spekulieren

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Es wäre eine Rückkehr zum klassischen Bankensystem. Nach SPD-Chef Gabriel machen sich immer mehr Politiker und Finanzexperten für eine Trennung des Investmentbankings vom normalen Konto- und Kreditgeschäft stark. Die Sparer sollen nicht länger für spekulative Geschäfte aufkommen müssen. Doch um die Finanzmärkte wieder unter Kontrolle zu bekommen, reicht das noch nicht aus.

Harald Freiberger

Die Reaktionen kamen reflexartig. "Sigmar Gabriel rennt den Demonstranten auf der Straße hinterher", kritisierte der FDP-Fraktionsvize Florian Toncar. "Wir brauchen keine Holzhammervorschläge, sondern eine bessere Regulierung", sagte der Unions-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach. Beide geißelten den Vorschlag von SPD-Chef Gabriel, das Investmentbanking vom normalen Bankgeschäft zu trennen, um Finanzkrisen künftig zu vermeiden. Es war der markanteste und zugleich umstrittenste Vorschlag an dem Wochenende, an dem weltweit Zehntausende gegen das Bankensystem demonstrierten.

Durch die Debatte um die Trennung von Investment- und Geschäftsbanken dürfen deutsche Großbanken nicht benachteiligt werden, fordert die Bundesregierung. (Foto: dpa)

Am Tag danach, dem Montag, sah die Lage schon wieder ganz anders aus. Gabriel bekam viel Zustimmung, sogar aus dem Lager der Bundesregierung. Man sei grundsätzlich offen für eine internationale Debatte über eine Abtrennung des Investmentbankings vom normalen Bankgeschäft, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Der FDP-Finanzexperte Björn Sänger pflichtete bei: "Wir sollten die positiven Erfahrungen nutzen, die die USA jahrzehntelang mit diesem Modell gemacht haben."

Am Tag danach zeigte sich, dass Gabriel mit seinem Vorstoß ins Schwarze getroffen hatte. Er präzisierte: "Es geht nicht um Zerschlagung, sondern um die Trennung der Geschäftsbereiche", sagte er. Auf diese Weise müsse nicht mehr der Sparkunde dran glauben, wenn die Spekulationen von Investmentbankern schiefgingen.

Das Prinzip: Eine Trennung der Bereiche würde dazu führen, dass die Investmentsparte mit dem Geld von Sparern keine riskanten Geschäfte mehr machen kann. Das würde nicht nur das Geld von Sparern schützen, sondern auch das von Steuerzahlern, da der Staat für Spareinlagen garantiert.

Gabriel griff keinen abwegigen Vorschlag auf, sondern etwas, das seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 ernsthaft diskutiert wird. Selbst in den USA sah es nach der Pleite von Lehman Brothers so aus, als würde die Regierung zum klassischen Trennbankensystem zurückkehren wollen. Über Jahrzehnte existierten Geschäftsbanken mit dem Geld von Sparern und reine Investmentbanken nebeneinander, beides durfte nicht miteinander vermischt werden - eine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise von 1929, bekannt unter dem Namen Glass-Steagall-Act.

"Mit dem System sind die USA lange gut gefahren, und wahrscheinlich wäre die Finanzkrise ab 2008 bei weitem nicht so dramatisch ausgefallen, wenn es noch bestanden hätte", sagt Konrad Becker, Bankenanalyst bei Merck Finck. Doch in den neunziger Jahren, dem Zeitalter der Marktliberalisierung, wurde der Act in den USA zunächst in der Realität ausgehöhlt und dann auch per Gesetz abgeschafft.

Bankenlobby verhinderte Pläne

Nach der Lehman-Pleite trat der frühere US-Notenbankchef Paul Volcker vehement dafür ein, das Trennbankensystem wieder einzuführen. Die US-Regierung schien ihm zunächst zu folgen, doch nun kommt sie nicht recht voran, auch weil die Bankenlobby intervenierte.

Zuletzt machten sich auch die britischen Regulierer für eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken stark. Im Prozess der Gesetzgebung kam allerdings wieder nur ein weicher Kompromiss heraus: Die Bereiche können weiter unter dem Dach einer Bank angesiedelt sein, nur Personen und Kapital sollen getrennt werden, außerdem haben die Institute dafür bis 2019 Zeit.

Gerade in den Ländern mit den größten Finanzmärkten, den USA und Großbritannien, kommt das Vorhaben also nur schwer voran. Wohl auch deshalb besteht die Bundesregierung auf einer "internationalen Debatte". Sie will nicht nur die deutschen Großbanken zur Trennung zwingen, während alle anderen weitermachen wie bisher.

In Deutschland verfügt allerdings nur noch die Deutsche Bank über ein nennenswertes Investmentbanking. Vorstandschef Josef Ackermann betont bei jeder Gelegenheit, dass man schon lange dabei sei, die Risiken zurückzufahren. Eigenhandel gebe es praktisch nicht mehr, man habe das Risikomanagement verbessert und die Gefahren deshalb im Griff.

Zugleich werde das klassische Bankgeschäft mit Privat- und Firmenkunden ausgebaut, sodass das Gewicht des Investmentbankings geringer werde. Von einer Trennung der beiden Sparten will man in der Bank aber nichts wissen, das sei schon allein technisch schwierig, heißt es. Ein wichtiger Teil des Investmentbankings seien Zins- und Kursabsicherungsgeschäfte für Großkunden, also für die Realwirtschaft.

Die Befürworter eines Trennbankensystems lassen sich davon nicht beeindrucken. Selbst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sprach sich kürzlich dafür aus. "Nur so können die stark gestiegenen Risiken auf den internationalen Finanzmärkten und das gegenseitige Misstrauen unter den Banken abgebaut werden", hieß es. Auch das ungelöste Problem systemrelevanter Banken, die in der Krise vom Staat gerettet werden müssen, ließe sich so beseitigen.

Die OECD weist seit langem darauf hin, dass das Geschäft mit Derivaten, also Wetten, weit stärker wachse, als es die reale Wirtschaft brauche, um Zinsen und Kurse abzusichern. Damit sei das Argument entkräftet, dass Finanzinnovationen dem klassischen Bankgeschäft dienten. Der Derivatehandel habe wenig Nutzen für die Realwirtschaft.

Analyst Becker warnt allerdings davor zu meinen, dass mit einer Trennung der Bereiche alle Probleme gelöst wären. "Auch in einer normalen Geschäftsbank können sich große Risiken auftürmen, zum Beispiel wenn das Geld der Sparer in Immobilienkredite investiert wird und sich auf diesem Markt eine Blase bildet", sagt er. Außerdem könnten auch reine Investmentbanken ohne Kundengelder systemrelevant sein - siehe Lehman Brothers. Es brauche viele Regulierungsschritte: schärfere Vorschriften für das Eigenkapital der Banken und wie sie ihre Risiken zu managen haben. Doch die Trennung der Geschäftssparten könne ein erster wichtiger Schritt sein.

© SZ vom 18.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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